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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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rufen und bei seinem Eintritt in's Speisezimmer nimmt ihn die Baronin zur Hand,
weist lächelnd auf zwei Herren in hoher Militäruniform und sagt: "Mein Mann,
Oberst Jellachich -- mein Schwager, Baron Jellachich, Baums von Kroatien;"
und zu diesen: "Herr Dr. Tindel, Legionär." -- "Ihre äußere Erscheinung,"
spricht der Ban zu dem betretenen Freiheitskämpfer, "rechtfertigt das Wohlgefal¬
len, das meine Schwägerin an Ihnen gefunden. Sie haben das Aussehen eines'
klugen Mannes. Wie konnten Sie sich in einen Kampf gegen die kaiserlichen
Truppen einlassen?" -- Ohne sich lange zu bedenken und gesaßt antwortet der
Gefragte: "Excellenz, ich bin ein Deutscher von ganzer Seele. Mit einem ange-
bornen Trotz gegen jede Unterdrückung, den meine Erziehung wo möglich noch
ausgebildet hat, konnte ich keinen Augenblick Anstand nehmen, mich in einen Kampf
einzulassen, der meiner Ansicht nach ebenso gegen unsere eigene gefährdete Natio¬
nalität, Angesichts des Slaventhums, als gegen die Magyaren gerichtet ist, denen
ich durch Blutsverwandtschaft meine Sympathie in einem höheren Grade zuge¬
wendet habe. Die Unterdrückung der Magyaren betrachte ich als den Grabgesang
der Deutschen in Oestreich und der Freiheit überhaupt."

. "Wir wollen uicht über verschiedene Ansichten streiten," entgegnete Jellachich;
"wir werden uns gegenseitig schwerlich belehren. Man muß sich jedoch nicht toll¬
kühn einer Sache ergeben, -- nud tollkühn sind Sie und die Tausende mit Ihnen
gewesen. Es ist wahr, Sie hatten große Mittel! Allein, bei einem so charakter¬
losen Gemeinderath, der mit der Revolution liebäugelte und dabei heimlich Alles
aufgeboten hat, diese zu unterdrücken, ohne daß Sie Augen und Ahnung dafür
hatten, bei einem so unfähigen Anführer, als der Messenhanser ist, bei dem
gänzlichen Mangel an Einigkeit, an Gehorsam Aller unter Einem Tüchtigen, nud
weiter, da konnten Sie auf das Gelingen Ihrer Sache nicht rechnen. Ueber das
Recht Ihres Aufstandes wollen wir nicht sprechen, das wäre unnütz.--Sie
siud gewiß .ein warmer Anhänger der Republik?" -- "Ich kann Ew. Excellenz dar¬
auf nichts weiter erwiedern, als daß ich sowohl zu Anfange, als während der
ganzen Dauer des Kampfes nicht an die Herstellung einer Republik gedacht, noch
an die Möglichkeit derselben bei der jetzigen Lage Oestreichs geglaubt habe." --
"Sehr vernünftig!" meinte Jellachich, nud mau setzte sich zu Tische. Dieser fuhr
fort: "Den Schutz, den Ihnen die Baronin Schwägerin versprochen, den sollen
Sie durch mich erhalten. Ich glaube nicht, daß uns mit Ihrem Leben gedient
sein kann, und Sie sollen erfahre", daß ich uicht der croatische Barbar bin, wie
man mich genannt hat. Ein paar Tage müssen Sie noch in dieser Wohnung
verweilen."

Und so geschah es. Am 5. November erhielt Tiudel einen Paß auf seinen
Namen, und als Zweck seiner Reise über "Hamburg" nach "England" angegeben:
Zur Fortsetzung wissenschaftlicher Studien mit k. k. Unterstützung. Diese Unter¬
stützung bestand in 500 si. C-M., welche Tindel am Tage seiner Abreise von


rufen und bei seinem Eintritt in's Speisezimmer nimmt ihn die Baronin zur Hand,
weist lächelnd auf zwei Herren in hoher Militäruniform und sagt: „Mein Mann,
Oberst Jellachich — mein Schwager, Baron Jellachich, Baums von Kroatien;"
und zu diesen: „Herr Dr. Tindel, Legionär." — „Ihre äußere Erscheinung,"
spricht der Ban zu dem betretenen Freiheitskämpfer, „rechtfertigt das Wohlgefal¬
len, das meine Schwägerin an Ihnen gefunden. Sie haben das Aussehen eines'
klugen Mannes. Wie konnten Sie sich in einen Kampf gegen die kaiserlichen
Truppen einlassen?" — Ohne sich lange zu bedenken und gesaßt antwortet der
Gefragte: „Excellenz, ich bin ein Deutscher von ganzer Seele. Mit einem ange-
bornen Trotz gegen jede Unterdrückung, den meine Erziehung wo möglich noch
ausgebildet hat, konnte ich keinen Augenblick Anstand nehmen, mich in einen Kampf
einzulassen, der meiner Ansicht nach ebenso gegen unsere eigene gefährdete Natio¬
nalität, Angesichts des Slaventhums, als gegen die Magyaren gerichtet ist, denen
ich durch Blutsverwandtschaft meine Sympathie in einem höheren Grade zuge¬
wendet habe. Die Unterdrückung der Magyaren betrachte ich als den Grabgesang
der Deutschen in Oestreich und der Freiheit überhaupt."

. „Wir wollen uicht über verschiedene Ansichten streiten," entgegnete Jellachich;
„wir werden uns gegenseitig schwerlich belehren. Man muß sich jedoch nicht toll¬
kühn einer Sache ergeben, — nud tollkühn sind Sie und die Tausende mit Ihnen
gewesen. Es ist wahr, Sie hatten große Mittel! Allein, bei einem so charakter¬
losen Gemeinderath, der mit der Revolution liebäugelte und dabei heimlich Alles
aufgeboten hat, diese zu unterdrücken, ohne daß Sie Augen und Ahnung dafür
hatten, bei einem so unfähigen Anführer, als der Messenhanser ist, bei dem
gänzlichen Mangel an Einigkeit, an Gehorsam Aller unter Einem Tüchtigen, nud
weiter, da konnten Sie auf das Gelingen Ihrer Sache nicht rechnen. Ueber das
Recht Ihres Aufstandes wollen wir nicht sprechen, das wäre unnütz.--Sie
siud gewiß .ein warmer Anhänger der Republik?" — „Ich kann Ew. Excellenz dar¬
auf nichts weiter erwiedern, als daß ich sowohl zu Anfange, als während der
ganzen Dauer des Kampfes nicht an die Herstellung einer Republik gedacht, noch
an die Möglichkeit derselben bei der jetzigen Lage Oestreichs geglaubt habe." —
„Sehr vernünftig!" meinte Jellachich, nud mau setzte sich zu Tische. Dieser fuhr
fort: „Den Schutz, den Ihnen die Baronin Schwägerin versprochen, den sollen
Sie durch mich erhalten. Ich glaube nicht, daß uns mit Ihrem Leben gedient
sein kann, und Sie sollen erfahre», daß ich uicht der croatische Barbar bin, wie
man mich genannt hat. Ein paar Tage müssen Sie noch in dieser Wohnung
verweilen."

Und so geschah es. Am 5. November erhielt Tiudel einen Paß auf seinen
Namen, und als Zweck seiner Reise über „Hamburg" nach „England" angegeben:
Zur Fortsetzung wissenschaftlicher Studien mit k. k. Unterstützung. Diese Unter¬
stützung bestand in 500 si. C-M., welche Tindel am Tage seiner Abreise von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/278>, abgerufen am 27.06.2024.