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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Ich suchte ihm die Knüppelverse zu verdolmetschen, so gut es gehen wollte."

Und da vielleicht auch mancher Leser neugierig ist, den Inhalt jenes Blattes
zu kennen, so lasse ich den Urtext hier folgen, ungefeilt und unverfälscht, in treuer
Abschrift aus meinem Tagebuche, um der Wahrheit getreu zu bleiben, so sehr auch
die Verse darunter leiden mögen.

Der Weise schien sehr erfreut zu sein über das Bild, welches ich von dem
Genuß seiner Gastfreundschaft gezeichnet; aber er weigerte sich, mir das von ihm
beschriebene Blatt, zu geben. Er sagte, es sei ihm uicht gelungen wie er es wünschte,
und er wolle mir etwas Besseres dafür aufschreiben.

Da ich aber zuerst fertig geworden war, so entschied er den Kampf der Weis¬
heit folgendermaßen: "In Deinem Stamme bist Dn der Weiseste -- in meinem
Stamme bin ich der Weiseste!"

Darauf drückte er kräftig meine Hand, und ging in sein Harem, mit dem
Versprechen, bald zurückzukommen.

Nach einer Viertelstunde erschien er wieder und sagte, er habe seiner Fatima
erzählt von den Redeblumen, womit ich sein Haus überschüttet, und sie habe mir
dafür ein Geschenk zugedacht, einen prächtig gestickten Tabaksbeutel.

"Es ist eigentlich nicht schicklich für den Mann -- fuhr er fort -- von seinen
Frauen zu sprechen, aber ich mache eine Ansnahme, um Dich zu ehren. Und hier


Ich suchte ihm die Knüppelverse zu verdolmetschen, so gut es gehen wollte."

Und da vielleicht auch mancher Leser neugierig ist, den Inhalt jenes Blattes
zu kennen, so lasse ich den Urtext hier folgen, ungefeilt und unverfälscht, in treuer
Abschrift aus meinem Tagebuche, um der Wahrheit getreu zu bleiben, so sehr auch
die Verse darunter leiden mögen.

Der Weise schien sehr erfreut zu sein über das Bild, welches ich von dem
Genuß seiner Gastfreundschaft gezeichnet; aber er weigerte sich, mir das von ihm
beschriebene Blatt, zu geben. Er sagte, es sei ihm uicht gelungen wie er es wünschte,
und er wolle mir etwas Besseres dafür aufschreiben.

Da ich aber zuerst fertig geworden war, so entschied er den Kampf der Weis¬
heit folgendermaßen: „In Deinem Stamme bist Dn der Weiseste — in meinem
Stamme bin ich der Weiseste!"

Darauf drückte er kräftig meine Hand, und ging in sein Harem, mit dem
Versprechen, bald zurückzukommen.

Nach einer Viertelstunde erschien er wieder und sagte, er habe seiner Fatima
erzählt von den Redeblumen, womit ich sein Haus überschüttet, und sie habe mir
dafür ein Geschenk zugedacht, einen prächtig gestickten Tabaksbeutel.

„Es ist eigentlich nicht schicklich für den Mann — fuhr er fort — von seinen
Frauen zu sprechen, aber ich mache eine Ansnahme, um Dich zu ehren. Und hier


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[0266] Ich suchte ihm die Knüppelverse zu verdolmetschen, so gut es gehen wollte." Und da vielleicht auch mancher Leser neugierig ist, den Inhalt jenes Blattes zu kennen, so lasse ich den Urtext hier folgen, ungefeilt und unverfälscht, in treuer Abschrift aus meinem Tagebuche, um der Wahrheit getreu zu bleiben, so sehr auch die Verse darunter leiden mögen. Der Weise schien sehr erfreut zu sein über das Bild, welches ich von dem Genuß seiner Gastfreundschaft gezeichnet; aber er weigerte sich, mir das von ihm beschriebene Blatt, zu geben. Er sagte, es sei ihm uicht gelungen wie er es wünschte, und er wolle mir etwas Besseres dafür aufschreiben. Da ich aber zuerst fertig geworden war, so entschied er den Kampf der Weis¬ heit folgendermaßen: „In Deinem Stamme bist Dn der Weiseste — in meinem Stamme bin ich der Weiseste!" Darauf drückte er kräftig meine Hand, und ging in sein Harem, mit dem Versprechen, bald zurückzukommen. Nach einer Viertelstunde erschien er wieder und sagte, er habe seiner Fatima erzählt von den Redeblumen, womit ich sein Haus überschüttet, und sie habe mir dafür ein Geschenk zugedacht, einen prächtig gestickten Tabaksbeutel. „Es ist eigentlich nicht schicklich für den Mann — fuhr er fort — von seinen Frauen zu sprechen, aber ich mache eine Ansnahme, um Dich zu ehren. Und hier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/266>, abgerufen am 24.07.2024.