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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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wird dieses Mahl in der BcmcrnlMte ein interessantes, aber unheimliches Schau¬
spiel geben.

Es dauerte ziemlich lange, denn der Magen der Bauern schien bodenlos.
Endlich ward es aufgehoben, die jüdischen Musikanten nahmen auf einem Bretter¬
gestell ihre Position und der Gutsherr eröffnete den Tanz mit der Braut. Auch
am Tanz nahmen die beiden Damen viel ungenirter Theil, als die Männer, die sich
später nach der Thür zurückzogen und, ihre Pfeifen rauchend, die Zuschauer ab¬
gäbe".

Es war gegen elf Uhr des Nachts, als der Ceremonienmeister die Braut an
der Hand faßte und aus der Stube führte. Nach einer Weile erschien er ver¬
mummt in einem umgewendeten Pelz wieder in der Thür und meldete sich mit
lauter Stimme als Viehhändler an. Sogleich begab sich Alles auf die Bänke an
den Wänden und machte das Zimmer frei. Nachdem der Viehhändler verkündet,
daß er ein wunderschönes, freilich ein wenig lahmes Schäfchen zu verkaufen habe,
führte er die Braut, welche jetzt mit Energie hinkte, in den Kreis. Sie hatte sich
ihres blumigen Kopfputzes entledigt, nnr das weiße Band umzog ihr Haar noch.
Der Freiwerber bot dem nächsten Gaste zuerst sein Schäfchen an. Dieser kaufte
es, indem er in die Schüssel, welche die Mutter der Braut hinter dem Handels¬
manne hertrug, ein Geldstück legte. Jetzt wollte der Käufer mit seinem Schäfchen
einen Tanz im Kreise halten, allein das arme Lamm hinkte zu sehr, und der Be¬
sitzer mußte es weiter zu verkaufen suchen. So ging der Handel von Mann zu
Mann, wohn sich die Schüssel der Hochzeitmutter mit kleinen Münzen füllte. Doch
das Schaf war bei Einem wie dem Andern lahm und unbrauchbar, bis es endlich
am Schluß in den Besitz des Bräutigams überging und, sich nun durch die feurig¬
sten Tänze als ein fehlerfreies Geschöpf erwies.

Auch diese dramatische Scene geht durch das ganze Sarmateuland bis auf
einige sehr geringe Abweichungen. In Kleinpoleu sah ich die Braut als Kuh, bei
Warschau als Zicklein und zu Bedecz in Großpolen, plump genug, als Zugochsen.

Auf diese kleine Komödie folgte die Hauptscene der slavischen Hochzeitfeste,
welche in Warschau dem beliebtesten Ballet, Wesele w Oycowie, die Hochzeit im
Vaterlande, das Motiv gegeben hat. Im Sommer 1848 war es bereits 260
Male ausgeführt. Auch in Krakau und Lemberg ist Wesele w Oycowie unzählige
Male gegeben worden und steht noch jetzt auf dem Repertoir. Die so berühmte
Scene gestaltete sich in folgender Weise: Sämmtliche Brantführeriunen umgaben
plötzlich die junge Frau, welche unter Schluchzen und Geschrei sich sehr sträubte,
aber erbarmungslos der letzten Abzeichen ihrer Mädchenschaft, des Stirnbandes,
der Krause, der Schleifen am Busen und der vielen Fingerringe bis auf einen
beraubt wurde. Darauf setzten die Mädchen die junge Frau kahl und schmuck-
los mitten im Kreise auf einen Sessel nieder und wendeten sich plötzlich unter
schallendem Gelächter, -- bei anderen Hochzeiten sah ich sie Geberden des Abscheus


wird dieses Mahl in der BcmcrnlMte ein interessantes, aber unheimliches Schau¬
spiel geben.

Es dauerte ziemlich lange, denn der Magen der Bauern schien bodenlos.
Endlich ward es aufgehoben, die jüdischen Musikanten nahmen auf einem Bretter¬
gestell ihre Position und der Gutsherr eröffnete den Tanz mit der Braut. Auch
am Tanz nahmen die beiden Damen viel ungenirter Theil, als die Männer, die sich
später nach der Thür zurückzogen und, ihre Pfeifen rauchend, die Zuschauer ab¬
gäbe».

Es war gegen elf Uhr des Nachts, als der Ceremonienmeister die Braut an
der Hand faßte und aus der Stube führte. Nach einer Weile erschien er ver¬
mummt in einem umgewendeten Pelz wieder in der Thür und meldete sich mit
lauter Stimme als Viehhändler an. Sogleich begab sich Alles auf die Bänke an
den Wänden und machte das Zimmer frei. Nachdem der Viehhändler verkündet,
daß er ein wunderschönes, freilich ein wenig lahmes Schäfchen zu verkaufen habe,
führte er die Braut, welche jetzt mit Energie hinkte, in den Kreis. Sie hatte sich
ihres blumigen Kopfputzes entledigt, nnr das weiße Band umzog ihr Haar noch.
Der Freiwerber bot dem nächsten Gaste zuerst sein Schäfchen an. Dieser kaufte
es, indem er in die Schüssel, welche die Mutter der Braut hinter dem Handels¬
manne hertrug, ein Geldstück legte. Jetzt wollte der Käufer mit seinem Schäfchen
einen Tanz im Kreise halten, allein das arme Lamm hinkte zu sehr, und der Be¬
sitzer mußte es weiter zu verkaufen suchen. So ging der Handel von Mann zu
Mann, wohn sich die Schüssel der Hochzeitmutter mit kleinen Münzen füllte. Doch
das Schaf war bei Einem wie dem Andern lahm und unbrauchbar, bis es endlich
am Schluß in den Besitz des Bräutigams überging und, sich nun durch die feurig¬
sten Tänze als ein fehlerfreies Geschöpf erwies.

Auch diese dramatische Scene geht durch das ganze Sarmateuland bis auf
einige sehr geringe Abweichungen. In Kleinpoleu sah ich die Braut als Kuh, bei
Warschau als Zicklein und zu Bedecz in Großpolen, plump genug, als Zugochsen.

Auf diese kleine Komödie folgte die Hauptscene der slavischen Hochzeitfeste,
welche in Warschau dem beliebtesten Ballet, Wesele w Oycowie, die Hochzeit im
Vaterlande, das Motiv gegeben hat. Im Sommer 1848 war es bereits 260
Male ausgeführt. Auch in Krakau und Lemberg ist Wesele w Oycowie unzählige
Male gegeben worden und steht noch jetzt auf dem Repertoir. Die so berühmte
Scene gestaltete sich in folgender Weise: Sämmtliche Brantführeriunen umgaben
plötzlich die junge Frau, welche unter Schluchzen und Geschrei sich sehr sträubte,
aber erbarmungslos der letzten Abzeichen ihrer Mädchenschaft, des Stirnbandes,
der Krause, der Schleifen am Busen und der vielen Fingerringe bis auf einen
beraubt wurde. Darauf setzten die Mädchen die junge Frau kahl und schmuck-
los mitten im Kreise auf einen Sessel nieder und wendeten sich plötzlich unter
schallendem Gelächter, — bei anderen Hochzeiten sah ich sie Geberden des Abscheus


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[0232] wird dieses Mahl in der BcmcrnlMte ein interessantes, aber unheimliches Schau¬ spiel geben. Es dauerte ziemlich lange, denn der Magen der Bauern schien bodenlos. Endlich ward es aufgehoben, die jüdischen Musikanten nahmen auf einem Bretter¬ gestell ihre Position und der Gutsherr eröffnete den Tanz mit der Braut. Auch am Tanz nahmen die beiden Damen viel ungenirter Theil, als die Männer, die sich später nach der Thür zurückzogen und, ihre Pfeifen rauchend, die Zuschauer ab¬ gäbe». Es war gegen elf Uhr des Nachts, als der Ceremonienmeister die Braut an der Hand faßte und aus der Stube führte. Nach einer Weile erschien er ver¬ mummt in einem umgewendeten Pelz wieder in der Thür und meldete sich mit lauter Stimme als Viehhändler an. Sogleich begab sich Alles auf die Bänke an den Wänden und machte das Zimmer frei. Nachdem der Viehhändler verkündet, daß er ein wunderschönes, freilich ein wenig lahmes Schäfchen zu verkaufen habe, führte er die Braut, welche jetzt mit Energie hinkte, in den Kreis. Sie hatte sich ihres blumigen Kopfputzes entledigt, nnr das weiße Band umzog ihr Haar noch. Der Freiwerber bot dem nächsten Gaste zuerst sein Schäfchen an. Dieser kaufte es, indem er in die Schüssel, welche die Mutter der Braut hinter dem Handels¬ manne hertrug, ein Geldstück legte. Jetzt wollte der Käufer mit seinem Schäfchen einen Tanz im Kreise halten, allein das arme Lamm hinkte zu sehr, und der Be¬ sitzer mußte es weiter zu verkaufen suchen. So ging der Handel von Mann zu Mann, wohn sich die Schüssel der Hochzeitmutter mit kleinen Münzen füllte. Doch das Schaf war bei Einem wie dem Andern lahm und unbrauchbar, bis es endlich am Schluß in den Besitz des Bräutigams überging und, sich nun durch die feurig¬ sten Tänze als ein fehlerfreies Geschöpf erwies. Auch diese dramatische Scene geht durch das ganze Sarmateuland bis auf einige sehr geringe Abweichungen. In Kleinpoleu sah ich die Braut als Kuh, bei Warschau als Zicklein und zu Bedecz in Großpolen, plump genug, als Zugochsen. Auf diese kleine Komödie folgte die Hauptscene der slavischen Hochzeitfeste, welche in Warschau dem beliebtesten Ballet, Wesele w Oycowie, die Hochzeit im Vaterlande, das Motiv gegeben hat. Im Sommer 1848 war es bereits 260 Male ausgeführt. Auch in Krakau und Lemberg ist Wesele w Oycowie unzählige Male gegeben worden und steht noch jetzt auf dem Repertoir. Die so berühmte Scene gestaltete sich in folgender Weise: Sämmtliche Brantführeriunen umgaben plötzlich die junge Frau, welche unter Schluchzen und Geschrei sich sehr sträubte, aber erbarmungslos der letzten Abzeichen ihrer Mädchenschaft, des Stirnbandes, der Krause, der Schleifen am Busen und der vielen Fingerringe bis auf einen beraubt wurde. Darauf setzten die Mädchen die junge Frau kahl und schmuck- los mitten im Kreise auf einen Sessel nieder und wendeten sich plötzlich unter schallendem Gelächter, — bei anderen Hochzeiten sah ich sie Geberden des Abscheus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/232>, abgerufen am 24.07.2024.