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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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in Begleitung Bem's oder Gnhon's mehrmals durch die Stadt und schien sich
mit der Reorganisation der Truppen eifrigst zu beschäftigen. Schon gab man
sich wieder der Hoffnung hin, daß vielleicht noch nicht Alles verloren sei; man
hoffte noch immer auf die Möglichkeit sich mit Görgcy an der Grenze oder in
Siebenbürgen zu vereinigen, ja auch die Kunde von Klapka's siegreichen Aus¬
fällen aus Komorn flog als dunkles Gerücht durch die eherne Mauer der östrei¬
chischen Heere bis an unser Ohr. Der 15. Angust ergraucte zu neuer Verwir¬
rung und raubte jede Aussicht auf Errettung. Der Verrath Gvrgey's am 13.
verübt, war am 14. Abends den Häuptern in Lugos hinterbracht worden (die
Truppen und das Volk erfuhren selbst am 15. noch nichts von dieser traurigen
Thatsache); Kossuth hatte in der Nacht Lugos verlassen, und die Straßen der
Stadt waren gepfropft von Truppenmassen, die nach allen Richtungen sich kreu¬
zend die größte Verwirrung hervorbrachten, und die selbst weder den Ort noch die
Richtung angeben konnten, wohin sie geführt worden. Erst am Abend fingen die
Straßen an sich zu lichten, und man erfuhr, daß die Armee gegen Siebenbürgen
marschirt sei.

Am 16. Abends ruhte das Heer vor Facsct. Es war ein trauriger Weg
bis dahin; eine öde, unwirthbare Gegend, über Hügel und Wälder zogen wir
entlang, ein einziges Dorf, ohne Wasser in seinen Brunnen, ohne eine menschliche
Seele unterbrach den einförmigen Marsch. Die Leute litten Hunger und Durst.
Die ganze gut gebaute Straße war mit umgestürzten Munitionswagen und den
Trümmern des Trains der Abtheilungen bedeckt, welche vor uns zogen. Nahe am
Eingange des Fleckens Facöet, zu beiden Seiten der Straße lagerte das müde
Heer, rechts von der Straße hart am Dorfe lagen die Trümmer des Vecsey'schen
Corps, dahinter an einem Hügel gelehnt Bem und Guyon, links das Corps
Kmety's. Die Husaren, welche die Nachhut bildeten, hatten sich eine Viertelmeile
zurück auf die Felder gelegt, aus denen die Frucht noch in Garben stand. Es
war ein milder Augustabend, der auf einen sonnigen Tag folgte, und um die La¬
gerfeuer herrschte ein so reges Leben, so wenig war von Niedergeschlagenheit zu
merken, das Aussehn der HonvedS war besonders in Vecsey's Corps so stattlich
daß ein Fremder unmöglich hätte glauben können, ein geschlagenes Heer vor sich
zu sehen. An den Rutheuzäuneu des Fleckens waren die Wagen, Karren und
Kanonen des einen Corps aufgestellt, unter ihnen der geschlossene Scheibenwagen
des General Vecsey, welcher die Stelle des Hauptquartiers vertrat. Dort hatte
sich eine große Anzahl Offiziere versammelt, zunächst um durch Wahl die Lücken
im Offiziercorps auszufüllen. Im Anfange flog die Unterhaltung lustig, fast über¬
müthig hin und her, man scherzte und prophezeihte einander Avancement. Allmä-
lig wurde es dunkler, die Stimmung ward ernster, es ging durch die Menge,
welche aus Offizieren aller Corps bestand, wie sie die Neugierde und Erwartung
zusammengetrieben hatte, ein Geflüster: Kriegsrath soll gehalten werden, Bein wird


in Begleitung Bem's oder Gnhon's mehrmals durch die Stadt und schien sich
mit der Reorganisation der Truppen eifrigst zu beschäftigen. Schon gab man
sich wieder der Hoffnung hin, daß vielleicht noch nicht Alles verloren sei; man
hoffte noch immer auf die Möglichkeit sich mit Görgcy an der Grenze oder in
Siebenbürgen zu vereinigen, ja auch die Kunde von Klapka's siegreichen Aus¬
fällen aus Komorn flog als dunkles Gerücht durch die eherne Mauer der östrei¬
chischen Heere bis an unser Ohr. Der 15. Angust ergraucte zu neuer Verwir¬
rung und raubte jede Aussicht auf Errettung. Der Verrath Gvrgey's am 13.
verübt, war am 14. Abends den Häuptern in Lugos hinterbracht worden (die
Truppen und das Volk erfuhren selbst am 15. noch nichts von dieser traurigen
Thatsache); Kossuth hatte in der Nacht Lugos verlassen, und die Straßen der
Stadt waren gepfropft von Truppenmassen, die nach allen Richtungen sich kreu¬
zend die größte Verwirrung hervorbrachten, und die selbst weder den Ort noch die
Richtung angeben konnten, wohin sie geführt worden. Erst am Abend fingen die
Straßen an sich zu lichten, und man erfuhr, daß die Armee gegen Siebenbürgen
marschirt sei.

Am 16. Abends ruhte das Heer vor Facsct. Es war ein trauriger Weg
bis dahin; eine öde, unwirthbare Gegend, über Hügel und Wälder zogen wir
entlang, ein einziges Dorf, ohne Wasser in seinen Brunnen, ohne eine menschliche
Seele unterbrach den einförmigen Marsch. Die Leute litten Hunger und Durst.
Die ganze gut gebaute Straße war mit umgestürzten Munitionswagen und den
Trümmern des Trains der Abtheilungen bedeckt, welche vor uns zogen. Nahe am
Eingange des Fleckens Facöet, zu beiden Seiten der Straße lagerte das müde
Heer, rechts von der Straße hart am Dorfe lagen die Trümmer des Vecsey'schen
Corps, dahinter an einem Hügel gelehnt Bem und Guyon, links das Corps
Kmety's. Die Husaren, welche die Nachhut bildeten, hatten sich eine Viertelmeile
zurück auf die Felder gelegt, aus denen die Frucht noch in Garben stand. Es
war ein milder Augustabend, der auf einen sonnigen Tag folgte, und um die La¬
gerfeuer herrschte ein so reges Leben, so wenig war von Niedergeschlagenheit zu
merken, das Aussehn der HonvedS war besonders in Vecsey's Corps so stattlich
daß ein Fremder unmöglich hätte glauben können, ein geschlagenes Heer vor sich
zu sehen. An den Rutheuzäuneu des Fleckens waren die Wagen, Karren und
Kanonen des einen Corps aufgestellt, unter ihnen der geschlossene Scheibenwagen
des General Vecsey, welcher die Stelle des Hauptquartiers vertrat. Dort hatte
sich eine große Anzahl Offiziere versammelt, zunächst um durch Wahl die Lücken
im Offiziercorps auszufüllen. Im Anfange flog die Unterhaltung lustig, fast über¬
müthig hin und her, man scherzte und prophezeihte einander Avancement. Allmä-
lig wurde es dunkler, die Stimmung ward ernster, es ging durch die Menge,
welche aus Offizieren aller Corps bestand, wie sie die Neugierde und Erwartung
zusammengetrieben hatte, ein Geflüster: Kriegsrath soll gehalten werden, Bein wird


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[0199] in Begleitung Bem's oder Gnhon's mehrmals durch die Stadt und schien sich mit der Reorganisation der Truppen eifrigst zu beschäftigen. Schon gab man sich wieder der Hoffnung hin, daß vielleicht noch nicht Alles verloren sei; man hoffte noch immer auf die Möglichkeit sich mit Görgcy an der Grenze oder in Siebenbürgen zu vereinigen, ja auch die Kunde von Klapka's siegreichen Aus¬ fällen aus Komorn flog als dunkles Gerücht durch die eherne Mauer der östrei¬ chischen Heere bis an unser Ohr. Der 15. Angust ergraucte zu neuer Verwir¬ rung und raubte jede Aussicht auf Errettung. Der Verrath Gvrgey's am 13. verübt, war am 14. Abends den Häuptern in Lugos hinterbracht worden (die Truppen und das Volk erfuhren selbst am 15. noch nichts von dieser traurigen Thatsache); Kossuth hatte in der Nacht Lugos verlassen, und die Straßen der Stadt waren gepfropft von Truppenmassen, die nach allen Richtungen sich kreu¬ zend die größte Verwirrung hervorbrachten, und die selbst weder den Ort noch die Richtung angeben konnten, wohin sie geführt worden. Erst am Abend fingen die Straßen an sich zu lichten, und man erfuhr, daß die Armee gegen Siebenbürgen marschirt sei. Am 16. Abends ruhte das Heer vor Facsct. Es war ein trauriger Weg bis dahin; eine öde, unwirthbare Gegend, über Hügel und Wälder zogen wir entlang, ein einziges Dorf, ohne Wasser in seinen Brunnen, ohne eine menschliche Seele unterbrach den einförmigen Marsch. Die Leute litten Hunger und Durst. Die ganze gut gebaute Straße war mit umgestürzten Munitionswagen und den Trümmern des Trains der Abtheilungen bedeckt, welche vor uns zogen. Nahe am Eingange des Fleckens Facöet, zu beiden Seiten der Straße lagerte das müde Heer, rechts von der Straße hart am Dorfe lagen die Trümmer des Vecsey'schen Corps, dahinter an einem Hügel gelehnt Bem und Guyon, links das Corps Kmety's. Die Husaren, welche die Nachhut bildeten, hatten sich eine Viertelmeile zurück auf die Felder gelegt, aus denen die Frucht noch in Garben stand. Es war ein milder Augustabend, der auf einen sonnigen Tag folgte, und um die La¬ gerfeuer herrschte ein so reges Leben, so wenig war von Niedergeschlagenheit zu merken, das Aussehn der HonvedS war besonders in Vecsey's Corps so stattlich daß ein Fremder unmöglich hätte glauben können, ein geschlagenes Heer vor sich zu sehen. An den Rutheuzäuneu des Fleckens waren die Wagen, Karren und Kanonen des einen Corps aufgestellt, unter ihnen der geschlossene Scheibenwagen des General Vecsey, welcher die Stelle des Hauptquartiers vertrat. Dort hatte sich eine große Anzahl Offiziere versammelt, zunächst um durch Wahl die Lücken im Offiziercorps auszufüllen. Im Anfange flog die Unterhaltung lustig, fast über¬ müthig hin und her, man scherzte und prophezeihte einander Avancement. Allmä- lig wurde es dunkler, die Stimmung ward ernster, es ging durch die Menge, welche aus Offizieren aller Corps bestand, wie sie die Neugierde und Erwartung zusammengetrieben hatte, ein Geflüster: Kriegsrath soll gehalten werden, Bein wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/199>, abgerufen am 04.07.2024.