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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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lange der Herr weder Schlehen noch Pilze, und als im vorigen Jahre einige
Bauern unaufgefordert ihr altes Quantum Schlehen und Pilze gesammelt und
in den Palast gebracht haben, da hat der Herr sie erst nicht annehmen wollen,
dann zwar angenommen, aber dadurch bezahlt, daß er jedem Ucbcrbringer zwei
junge Pflaumenbäume aus seinem Garten geben ließ. Dies hat die Bauern alle
veranlaßt, ihre Binder Schlehen und Pilze für den Herrn sammeln zu lassen. Als
das der Herr erfahren, hat er sich die Lieferung dieser Dinge ein für alle Mal
verbeten, da man aber doch diese Lieferungen gemacht, so habe er sie mit Geld
bezahlt und obenein allen übrigen Bauern zwei junge Pflaumenbäume geschenkt, so
daß jetzt jeder Bauer zwei Obstbäume im Garten habe. Wegen der Schlehen
und Pilze aber habe der Hnr gesagt, man solle ihm nie mehr in der alte" Weise
welche bringen, sondern er werde sie nach seinem Bedürfniß für Tagelohn sammeln
lassen.

Wegen der Obstzucht sei hier bemerkt, daß in Galizien so wenig wie im
Königreich Polen der Bauer etwas mit diesem Zweige der Landwirthschaft zu thun
hat. Zwar hat die östreichische Regierung zu verschiedenen Zeiten den Obstbau
in diesem von der Natur so begünstigten Lande auszubreiten gesucht, allein ohne
besondern Erfolg. Die Obstzucht ist bis zum Bauernaufstände gradezu ein Vor¬
recht der adligen Gärten geblieben. Das Gärtchen an den Bauernhöfen ist ein
schlecht umzäuntes Stück Land, auf welchem Kraut, Runkeln, Gurken, Kürbisse,
Möhren, rothe Rüben, Flachs und Hanf gebaut werden. Von gutem Obst ist
nichts darin zu finden, höchstens ein wilder Birnen- oder Apfelstamm, den man
aus dem Walde hierher übersiedelt hat und einiges Schlehengestränch. Die
Pflege aber, welche der Bauer diesen halb wilden schlechten Pflanzen zu Theil
werden läßt, ja der Stolz, wie er auf dieselben sieht, rührt zu Mitleiden. Selbst
auf dem Saatacker pflegt er diese Schmarotzer, welche in Deutschland eiligst des
Lebens beraubt werden würden, wenn sie sich in den Fruchtfeldern ansässig machen
wollten. Die wilden Obstbäume sind nächst der Methode des Pflügeus das Eigenthüm¬
lichste, was man an den galizischen oder polnischen Feldern findet, sie stehen auf einem
einzigen Morgen Landes oft zu fünf bis sechs. Der Bauer betrachtet sie als
eiuen Reichthum und läßt sich die elenden Früchte, wenn sie durch Alter und
Frost die Herbe verloren haben, vortrefflich zum Brot und in der Suppe schmecken.
Erst um die Karpathen, wo sich die polnische Nationalität mit den Grenzvölkern:
Slovaken, Ungarn und Deutschen berührt, findet mau bei den Banergärtnern
Anpflanzungen edler Obstbäume, doch sind auch diese noch roh genug und sehen
aus, wie verkrüppeltes Strauchholz.

Auch der Knecht- und Mägdezwang war durch die "Gnade" der Grundherren,
außer Gebrauch gekommen. Früher mußten die Söhne und Töchter der Bauern,
welche gerade den Herrn gefielen, ans dem Edelhof Dienste leisten. Diese Dienste
haben nach altem Herkommen eine Dauer von zwei Jahren gehabt, die Kinder


lange der Herr weder Schlehen noch Pilze, und als im vorigen Jahre einige
Bauern unaufgefordert ihr altes Quantum Schlehen und Pilze gesammelt und
in den Palast gebracht haben, da hat der Herr sie erst nicht annehmen wollen,
dann zwar angenommen, aber dadurch bezahlt, daß er jedem Ucbcrbringer zwei
junge Pflaumenbäume aus seinem Garten geben ließ. Dies hat die Bauern alle
veranlaßt, ihre Binder Schlehen und Pilze für den Herrn sammeln zu lassen. Als
das der Herr erfahren, hat er sich die Lieferung dieser Dinge ein für alle Mal
verbeten, da man aber doch diese Lieferungen gemacht, so habe er sie mit Geld
bezahlt und obenein allen übrigen Bauern zwei junge Pflaumenbäume geschenkt, so
daß jetzt jeder Bauer zwei Obstbäume im Garten habe. Wegen der Schlehen
und Pilze aber habe der Hnr gesagt, man solle ihm nie mehr in der alte» Weise
welche bringen, sondern er werde sie nach seinem Bedürfniß für Tagelohn sammeln
lassen.

Wegen der Obstzucht sei hier bemerkt, daß in Galizien so wenig wie im
Königreich Polen der Bauer etwas mit diesem Zweige der Landwirthschaft zu thun
hat. Zwar hat die östreichische Regierung zu verschiedenen Zeiten den Obstbau
in diesem von der Natur so begünstigten Lande auszubreiten gesucht, allein ohne
besondern Erfolg. Die Obstzucht ist bis zum Bauernaufstände gradezu ein Vor¬
recht der adligen Gärten geblieben. Das Gärtchen an den Bauernhöfen ist ein
schlecht umzäuntes Stück Land, auf welchem Kraut, Runkeln, Gurken, Kürbisse,
Möhren, rothe Rüben, Flachs und Hanf gebaut werden. Von gutem Obst ist
nichts darin zu finden, höchstens ein wilder Birnen- oder Apfelstamm, den man
aus dem Walde hierher übersiedelt hat und einiges Schlehengestränch. Die
Pflege aber, welche der Bauer diesen halb wilden schlechten Pflanzen zu Theil
werden läßt, ja der Stolz, wie er auf dieselben sieht, rührt zu Mitleiden. Selbst
auf dem Saatacker pflegt er diese Schmarotzer, welche in Deutschland eiligst des
Lebens beraubt werden würden, wenn sie sich in den Fruchtfeldern ansässig machen
wollten. Die wilden Obstbäume sind nächst der Methode des Pflügeus das Eigenthüm¬
lichste, was man an den galizischen oder polnischen Feldern findet, sie stehen auf einem
einzigen Morgen Landes oft zu fünf bis sechs. Der Bauer betrachtet sie als
eiuen Reichthum und läßt sich die elenden Früchte, wenn sie durch Alter und
Frost die Herbe verloren haben, vortrefflich zum Brot und in der Suppe schmecken.
Erst um die Karpathen, wo sich die polnische Nationalität mit den Grenzvölkern:
Slovaken, Ungarn und Deutschen berührt, findet mau bei den Banergärtnern
Anpflanzungen edler Obstbäume, doch sind auch diese noch roh genug und sehen
aus, wie verkrüppeltes Strauchholz.

Auch der Knecht- und Mägdezwang war durch die „Gnade" der Grundherren,
außer Gebrauch gekommen. Früher mußten die Söhne und Töchter der Bauern,
welche gerade den Herrn gefielen, ans dem Edelhof Dienste leisten. Diese Dienste
haben nach altem Herkommen eine Dauer von zwei Jahren gehabt, die Kinder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/190>, abgerufen am 24.07.2024.