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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Das deutsche Publikum und die fremde Belletristik.



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Es ist eine perennirende Klage unserer deutschen Romanschreiber, daß ein
ebenso undankbares als unpatriotisches Publikum sie nicht liest, und sich statt dessen
die englischen und französischen Novitäten übersetzen läßt, um, gleich den reisenden
deutschen Baronen im vorigen Jahrhundert, sich durch die Ehrfurcht vor einer
unheimischen Vorstellungsweise und die Nachäffung fremder Sitten lächerlich zu
machen. Das sei die Erbsünde der deutscheu Nation, allzugerecht zu sein gegen
Alles, was das Ausland producirt, seine Trachten, seine Criminalgeschichten und
seine Konstitutionen, dagegen verstockt gegen Wodan und Freya, gegen Klopstock,
Gutzkow nud Kotzebue, gegen die Schneiderreformen der Zeitung für die elegante
Welt, gegen Jakob Böhme und den Tiefsinn der christlich-germanischen naturwüch¬
sigen Entwickelung, welche seit den Zeiten des politischen Wochenblatts in Berlin
Mode geworden ist. Ja selbst in dem Hohn, mit welchem die deutsche Kritik die
Thaten unserer unsterblichen Nevolntionshelden zersetzt hat, läßt sich dieser Mangel
an einem intensiven Nationalgefühl wiedererkennen. Auf die Erstürmung der Ba-
stille haben wir Sonnette gemacht, und der Zcnghaussturm in Berlin hat uns kalt
gelassen, wir haben uns über Vater Karbe und den Tonnen-Müller, den Präsi¬
denten des souveränen Lindeuclnbö, mit frechem und unehrerbietigem Tadel aus¬
gesprochen.

Nun ist man wohl geneigt, den Mangel an Selbstgefühl, mit welchem der Deut¬
sche im Ausland auftritt, nicht blos seiner angebornen Bescheidenheit, sondern auch
andern, positiven und ziemlich handgreiflichen Gründen beizumessen. Wenn der
Sohn Albions mit dem Ausdruck im Gesicht, mit welchem Jupiter das Jncognito
seiner Ochseumaöke abgeworfen haben mag, als er sich der schönen Europa in sei¬
ner ganzen Majestät zu erkennen gab, erklärt: ich bin ein Engländer, so denkt er


Greujbote"..". 1850. 16
Das deutsche Publikum und die fremde Belletristik.



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Es ist eine perennirende Klage unserer deutschen Romanschreiber, daß ein
ebenso undankbares als unpatriotisches Publikum sie nicht liest, und sich statt dessen
die englischen und französischen Novitäten übersetzen läßt, um, gleich den reisenden
deutschen Baronen im vorigen Jahrhundert, sich durch die Ehrfurcht vor einer
unheimischen Vorstellungsweise und die Nachäffung fremder Sitten lächerlich zu
machen. Das sei die Erbsünde der deutscheu Nation, allzugerecht zu sein gegen
Alles, was das Ausland producirt, seine Trachten, seine Criminalgeschichten und
seine Konstitutionen, dagegen verstockt gegen Wodan und Freya, gegen Klopstock,
Gutzkow nud Kotzebue, gegen die Schneiderreformen der Zeitung für die elegante
Welt, gegen Jakob Böhme und den Tiefsinn der christlich-germanischen naturwüch¬
sigen Entwickelung, welche seit den Zeiten des politischen Wochenblatts in Berlin
Mode geworden ist. Ja selbst in dem Hohn, mit welchem die deutsche Kritik die
Thaten unserer unsterblichen Nevolntionshelden zersetzt hat, läßt sich dieser Mangel
an einem intensiven Nationalgefühl wiedererkennen. Auf die Erstürmung der Ba-
stille haben wir Sonnette gemacht, und der Zcnghaussturm in Berlin hat uns kalt
gelassen, wir haben uns über Vater Karbe und den Tonnen-Müller, den Präsi¬
denten des souveränen Lindeuclnbö, mit frechem und unehrerbietigem Tadel aus¬
gesprochen.

Nun ist man wohl geneigt, den Mangel an Selbstgefühl, mit welchem der Deut¬
sche im Ausland auftritt, nicht blos seiner angebornen Bescheidenheit, sondern auch
andern, positiven und ziemlich handgreiflichen Gründen beizumessen. Wenn der
Sohn Albions mit dem Ausdruck im Gesicht, mit welchem Jupiter das Jncognito
seiner Ochseumaöke abgeworfen haben mag, als er sich der schönen Europa in sei¬
ner ganzen Majestät zu erkennen gab, erklärt: ich bin ein Engländer, so denkt er


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[0129] Das deutsche Publikum und die fremde Belletristik. Irische Novellen von Charles Lever. (1^ 0'l>vnnz;!>u«, » este ok Iivlsnä iistv VV!UÜ »AN. - (!>>!»ri«8 O'i^litllvv til« Iliiill <1r»AN«II. - 'I'lie ^»»sessillv« ok ?l.1IIV s^viuü<1iU!l-. — 'I'Jip Xnitz>!l. ok Kwvnne, a lsll! c>k tuo tittU! of <>>>! Dnian. — ^rtluir <^l^»a>v: ^v»ni,!i'ings uncl pona>.>iinj;» in >»!>N7 Iiuuls, «diltiä I>x in« kne»et, I^lui'/ - I^siiiuc^lor. — .laute Ilinln» du«! ^»!lrtlsu>!Ul.) Es ist eine perennirende Klage unserer deutschen Romanschreiber, daß ein ebenso undankbares als unpatriotisches Publikum sie nicht liest, und sich statt dessen die englischen und französischen Novitäten übersetzen läßt, um, gleich den reisenden deutschen Baronen im vorigen Jahrhundert, sich durch die Ehrfurcht vor einer unheimischen Vorstellungsweise und die Nachäffung fremder Sitten lächerlich zu machen. Das sei die Erbsünde der deutscheu Nation, allzugerecht zu sein gegen Alles, was das Ausland producirt, seine Trachten, seine Criminalgeschichten und seine Konstitutionen, dagegen verstockt gegen Wodan und Freya, gegen Klopstock, Gutzkow nud Kotzebue, gegen die Schneiderreformen der Zeitung für die elegante Welt, gegen Jakob Böhme und den Tiefsinn der christlich-germanischen naturwüch¬ sigen Entwickelung, welche seit den Zeiten des politischen Wochenblatts in Berlin Mode geworden ist. Ja selbst in dem Hohn, mit welchem die deutsche Kritik die Thaten unserer unsterblichen Nevolntionshelden zersetzt hat, läßt sich dieser Mangel an einem intensiven Nationalgefühl wiedererkennen. Auf die Erstürmung der Ba- stille haben wir Sonnette gemacht, und der Zcnghaussturm in Berlin hat uns kalt gelassen, wir haben uns über Vater Karbe und den Tonnen-Müller, den Präsi¬ denten des souveränen Lindeuclnbö, mit frechem und unehrerbietigem Tadel aus¬ gesprochen. Nun ist man wohl geneigt, den Mangel an Selbstgefühl, mit welchem der Deut¬ sche im Ausland auftritt, nicht blos seiner angebornen Bescheidenheit, sondern auch andern, positiven und ziemlich handgreiflichen Gründen beizumessen. Wenn der Sohn Albions mit dem Ausdruck im Gesicht, mit welchem Jupiter das Jncognito seiner Ochseumaöke abgeworfen haben mag, als er sich der schönen Europa in sei¬ ner ganzen Majestät zu erkennen gab, erklärt: ich bin ein Engländer, so denkt er Greujbote«..«. 1850. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/129>, abgerufen am 27.06.2024.