Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.hervorbrachte, zu verscheuchen. Bald hieß es, Kossuth, Szemere und das ganze Ueber die Stellung Görgey's zur Regierung sollte das Volk durch ein am Während die Presse sich in lauten Ausbrüchen gegen diese Verkehrtheit Luft Das Unglück fiel so schwer auf das sich selbst aufgebende Ministerium Sze¬ Dies geschah in einem halboffiziellen Artikel in der zum Regierungsorgan hervorbrachte, zu verscheuchen. Bald hieß es, Kossuth, Szemere und das ganze Ueber die Stellung Görgey's zur Regierung sollte das Volk durch ein am Während die Presse sich in lauten Ausbrüchen gegen diese Verkehrtheit Luft Das Unglück fiel so schwer auf das sich selbst aufgebende Ministerium Sze¬ Dies geschah in einem halboffiziellen Artikel in der zum Regierungsorgan <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92933"/> <p xml:id="ID_350" prev="#ID_349"> hervorbrachte, zu verscheuchen. Bald hieß es, Kossuth, Szemere und das ganze<lb/> Ministerium haben in der Nacht die Hauptstadt verlassen, bald war Görgey von<lb/> der östreichischen Macht ganz umzingelt, bald standen die Russen drei Stationen<lb/> von Pesth u. s. w., und obwohl diese Gerüchte meist während des Tages ihr<lb/> Dementi fanden, so dachte man doch immer, daß es bei dem gänzlichen Stillschwei¬<lb/> gen der Regierung eines Morgens wirklich so kommen könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_351"> Ueber die Stellung Görgey's zur Regierung sollte das Volk durch ein am<lb/> 3. Juli unter einem neuen, unbekannten Redakteur erschienenes Extrablatt des<lb/> Közlöny aufgeklärt werden, In diesem Közlöny-Plakat wurde General Dembinsky<lb/> von dem als Oberkommandanten sämmtlicher Heere unterschriebenen Meßaros,<lb/> dessen Ernennung zu diesen, hohen Posten von der Regierung nie veröffentlicht<lb/> worden war, zum Oberfeldzeugmeister ernannt, und ihm aufgetragen, über die<lb/> Organisirung, Verpflegung, Dislocirung und Einquartierung der ganzen Armee<lb/> zu wachen. Diese unerhörte Halbheit oder vielmehr Verkehrtheit der Regierung<lb/> mußte die Verwirrung noch vergrößern. Der Ungehorsam Görgey's gegen die<lb/> Negierung lag nunmehr offen vor Augen, und doch hatte diese nicht den Muth,<lb/> die Ernennung Meßäros' zum Oberfeldherrn offiziell anzukündigen, weil vor dieser<lb/> Ernennung die Absetzung Görgey's mitgetheilt werden mußte; um aber ferner den<lb/> als Feldherrn unpopulären Meßuros mit einem gewissen Nimbus zu umgeben,<lb/> wurde er neben Dembinsky als pictus mssculus aufgestellt und also — lächer¬<lb/> lich gemacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_352"> Während die Presse sich in lauten Ausbrüchen gegen diese Verkehrtheit Luft<lb/> machte, erschien ein Regierungsplakat, welches einen glänzenden Sieg Görgey's<lb/> gegen die östreichische Hauptmacht verkündete. Diese Schlacht wurde am rechten<lb/> Ufer der Donau bei Szöny, Komorn gegenüber, geschlagen. Görgey hatte dem<lb/> ans 80,000 Mann bestehenden östreichischen Heere, meist aus Italien herbeigezo¬<lb/> gene siegreiche Truppen, nicht mehr als 45,000 entgegen zu stellen. Der Kampf<lb/> war äußerst hartnäckig, und die Oestreicher hatten schon drei der Szönyer Schan¬<lb/> zen erstürmt, als Görgey, der wie es scheint, lieber gefangen, als zurückge¬<lb/> drängt werden wollte, mit einer ungeheuern Kraftentwickelung und selbst von den<lb/> Feinden anerkannten Taktik die verlorenen Schanzen zurückeroberte und den doppelt<lb/> überlegenen Feind in die Flucht schlug.</p><lb/> <p xml:id="ID_353"> Das Unglück fiel so schwer auf das sich selbst aufgebende Ministerium Sze¬<lb/> mere, daß der glänzendste Sieg seines Heeres sein Verderben nur beschleunigte.<lb/> — Die zahlreichen Freunde Görgey's in der Hauptstadt schrieen Zeter über eine<lb/> Negierung, die den größten Feldherrn der Nation verdächtigt und, ihn seiner<lb/> Würde beraubend, einen „Klotz und ein altes Weib" (Meßaros und Dembinsky)<lb/> an die Spitze des Heeres stelle: und die Regierung sah sich genöthigt, über das<lb/> Verhältniß zwischen ihr und Görgey etwas Positives verlauten zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_354" next="#ID_355"> Dies geschah in einem halboffiziellen Artikel in der zum Regierungsorgan</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0110]
hervorbrachte, zu verscheuchen. Bald hieß es, Kossuth, Szemere und das ganze
Ministerium haben in der Nacht die Hauptstadt verlassen, bald war Görgey von
der östreichischen Macht ganz umzingelt, bald standen die Russen drei Stationen
von Pesth u. s. w., und obwohl diese Gerüchte meist während des Tages ihr
Dementi fanden, so dachte man doch immer, daß es bei dem gänzlichen Stillschwei¬
gen der Regierung eines Morgens wirklich so kommen könnte.
Ueber die Stellung Görgey's zur Regierung sollte das Volk durch ein am
3. Juli unter einem neuen, unbekannten Redakteur erschienenes Extrablatt des
Közlöny aufgeklärt werden, In diesem Közlöny-Plakat wurde General Dembinsky
von dem als Oberkommandanten sämmtlicher Heere unterschriebenen Meßaros,
dessen Ernennung zu diesen, hohen Posten von der Regierung nie veröffentlicht
worden war, zum Oberfeldzeugmeister ernannt, und ihm aufgetragen, über die
Organisirung, Verpflegung, Dislocirung und Einquartierung der ganzen Armee
zu wachen. Diese unerhörte Halbheit oder vielmehr Verkehrtheit der Regierung
mußte die Verwirrung noch vergrößern. Der Ungehorsam Görgey's gegen die
Negierung lag nunmehr offen vor Augen, und doch hatte diese nicht den Muth,
die Ernennung Meßäros' zum Oberfeldherrn offiziell anzukündigen, weil vor dieser
Ernennung die Absetzung Görgey's mitgetheilt werden mußte; um aber ferner den
als Feldherrn unpopulären Meßuros mit einem gewissen Nimbus zu umgeben,
wurde er neben Dembinsky als pictus mssculus aufgestellt und also — lächer¬
lich gemacht.
Während die Presse sich in lauten Ausbrüchen gegen diese Verkehrtheit Luft
machte, erschien ein Regierungsplakat, welches einen glänzenden Sieg Görgey's
gegen die östreichische Hauptmacht verkündete. Diese Schlacht wurde am rechten
Ufer der Donau bei Szöny, Komorn gegenüber, geschlagen. Görgey hatte dem
ans 80,000 Mann bestehenden östreichischen Heere, meist aus Italien herbeigezo¬
gene siegreiche Truppen, nicht mehr als 45,000 entgegen zu stellen. Der Kampf
war äußerst hartnäckig, und die Oestreicher hatten schon drei der Szönyer Schan¬
zen erstürmt, als Görgey, der wie es scheint, lieber gefangen, als zurückge¬
drängt werden wollte, mit einer ungeheuern Kraftentwickelung und selbst von den
Feinden anerkannten Taktik die verlorenen Schanzen zurückeroberte und den doppelt
überlegenen Feind in die Flucht schlug.
Das Unglück fiel so schwer auf das sich selbst aufgebende Ministerium Sze¬
mere, daß der glänzendste Sieg seines Heeres sein Verderben nur beschleunigte.
— Die zahlreichen Freunde Görgey's in der Hauptstadt schrieen Zeter über eine
Negierung, die den größten Feldherrn der Nation verdächtigt und, ihn seiner
Würde beraubend, einen „Klotz und ein altes Weib" (Meßaros und Dembinsky)
an die Spitze des Heeres stelle: und die Regierung sah sich genöthigt, über das
Verhältniß zwischen ihr und Görgey etwas Positives verlauten zu lassen.
Dies geschah in einem halboffiziellen Artikel in der zum Regierungsorgan
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