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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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einer solchen Versammlung gewählt seien, die höchste Aufregung, langer Monate
bedarf eS, um die Zurüstung zum Enipfange einer so großen Anzahl von Gästen
zu treffen, Bürgermeister und Schöffen einer-, die Damencaf6s andererseits pflegen
Nath, die Bürger sehen ihre Logis zur Ansnahme von Freulden in Stand, und
die Ressource auuoucirt eiuen grandiosen Ball, anf dem man die anwesenden
Gelehrten natürlich nur als Eckenverziernng benutzen kauu; in Berlin nichts von
alledem; die Freniden schickt Ulan in die Gasthöfe, Naunyn hat mit seiner Kandi¬
datur zur Oberbürgermeisterstelle zu thun, wenn man tanzen will, braucht man
nicht auf Schulmeister aus der Ferne zu warten, kurz alle Hebel für derartige
Anstrengungen fallen fort: man überläßt es dem, dem es speciell angeht, für seine
Gäste zu sorgen, und er mag sehen, wie er damit zu Staude kommt: fällt es
schlecht aus, so raisonnirt die ganze Stadt, die zu einem Wohlgelingen nicht einen
Pfifferling gethan und somit sehr unverdient von Herrn Klein aus Mainz bei
einem der classischen Mahle einen Toast erhalten hat. Freilich war Alles so treff¬
lich, so umsichtig vorbereitet und geordnet, daß kaum einer der Fremden geahnt
haben mag, wie das alles in kurzer Zeit mit Hilfe einiger Freunde und Jünger
nur von Bö'als veranstaltet war. Der große Meister der Wissenschaft hatte auch
hier wieder sein Talent für praktische Geschäftsführung in überraschender Weise
bewährt. Noch körperlich durch ein laug anhaltendes und kaum verschwindendes
Augenübel afficirt, hatte er mit der größten Umsicht, mit Beachtung selbst des
scheinbar Geringfügigsten alle Anordnungen getroffen: die Aula der Universität
bot ein schönes und imposantes Local für die Versammlungen, für die Sectionen
der Orientalisten und Pädagogen waren in unmittelbarer Nähe passende Räum¬
lichkeiten gewonnen; deu ankommenden Fremden konnte man die mannigfachsten
Erleichterungen in Betreff der Besichtigung und Benutzung der königlichen Biblio¬
thek und der königlichen Kunstsammlungen gewähren und ein wohlgeordnetes
Programm theilte die Zeit zwischen deu wissenschaftlichen Versammlungen und
den mannigfaltigen Genüssen, die zum Theil Humboldt's vou Böckh gewonnene
Fürsprache beim Könige der Gesellschaft verschafft lenkte.

Ueber die eigentlichen Verhandlungen gehe ich kurz hinweg. Sie find wirklich
das Unwesentlichere bei diesen Zusammenkünften. Es kommt hier viel mehr auf
gegenseitige Bekanntschaft und Anregung in der Gemeinschaft und im Verkehre
mit Fachgenossen all, als auf das täglich nlehrstündige Anhören von Vorträgen,
die man gewöhnlich besser und angenehmer gedruckt liest. Jener Verkehr bietet
Anknüpfungspunkte zur Förderung eigener oder fremder Studien und Unterneh-
mungen, er reizt zur Erforschung mauches neuen, angeregten Punktes, zur Ver¬
folgung vou Andern angedeuteter Seiten einer begonnenen Untersuchung, er mil¬
dert den Ton der sprichwörtlich groben, philologischen Polemik: ans den wissen¬
schaftlichen Gegner, dem man in's Ange geschaut, dem man die Hand gedrückt,
mit dem man ein Glas Wein getrunken, kann man nicht mehr rücksichtslos in


einer solchen Versammlung gewählt seien, die höchste Aufregung, langer Monate
bedarf eS, um die Zurüstung zum Enipfange einer so großen Anzahl von Gästen
zu treffen, Bürgermeister und Schöffen einer-, die Damencaf6s andererseits pflegen
Nath, die Bürger sehen ihre Logis zur Ansnahme von Freulden in Stand, und
die Ressource auuoucirt eiuen grandiosen Ball, anf dem man die anwesenden
Gelehrten natürlich nur als Eckenverziernng benutzen kauu; in Berlin nichts von
alledem; die Freniden schickt Ulan in die Gasthöfe, Naunyn hat mit seiner Kandi¬
datur zur Oberbürgermeisterstelle zu thun, wenn man tanzen will, braucht man
nicht auf Schulmeister aus der Ferne zu warten, kurz alle Hebel für derartige
Anstrengungen fallen fort: man überläßt es dem, dem es speciell angeht, für seine
Gäste zu sorgen, und er mag sehen, wie er damit zu Staude kommt: fällt es
schlecht aus, so raisonnirt die ganze Stadt, die zu einem Wohlgelingen nicht einen
Pfifferling gethan und somit sehr unverdient von Herrn Klein aus Mainz bei
einem der classischen Mahle einen Toast erhalten hat. Freilich war Alles so treff¬
lich, so umsichtig vorbereitet und geordnet, daß kaum einer der Fremden geahnt
haben mag, wie das alles in kurzer Zeit mit Hilfe einiger Freunde und Jünger
nur von Bö'als veranstaltet war. Der große Meister der Wissenschaft hatte auch
hier wieder sein Talent für praktische Geschäftsführung in überraschender Weise
bewährt. Noch körperlich durch ein laug anhaltendes und kaum verschwindendes
Augenübel afficirt, hatte er mit der größten Umsicht, mit Beachtung selbst des
scheinbar Geringfügigsten alle Anordnungen getroffen: die Aula der Universität
bot ein schönes und imposantes Local für die Versammlungen, für die Sectionen
der Orientalisten und Pädagogen waren in unmittelbarer Nähe passende Räum¬
lichkeiten gewonnen; deu ankommenden Fremden konnte man die mannigfachsten
Erleichterungen in Betreff der Besichtigung und Benutzung der königlichen Biblio¬
thek und der königlichen Kunstsammlungen gewähren und ein wohlgeordnetes
Programm theilte die Zeit zwischen deu wissenschaftlichen Versammlungen und
den mannigfaltigen Genüssen, die zum Theil Humboldt's vou Böckh gewonnene
Fürsprache beim Könige der Gesellschaft verschafft lenkte.

Ueber die eigentlichen Verhandlungen gehe ich kurz hinweg. Sie find wirklich
das Unwesentlichere bei diesen Zusammenkünften. Es kommt hier viel mehr auf
gegenseitige Bekanntschaft und Anregung in der Gemeinschaft und im Verkehre
mit Fachgenossen all, als auf das täglich nlehrstündige Anhören von Vorträgen,
die man gewöhnlich besser und angenehmer gedruckt liest. Jener Verkehr bietet
Anknüpfungspunkte zur Förderung eigener oder fremder Studien und Unterneh-
mungen, er reizt zur Erforschung mauches neuen, angeregten Punktes, zur Ver¬
folgung vou Andern angedeuteter Seiten einer begonnenen Untersuchung, er mil¬
dert den Ton der sprichwörtlich groben, philologischen Polemik: ans den wissen¬
schaftlichen Gegner, dem man in's Ange geschaut, dem man die Hand gedrückt,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/98>, abgerufen am 25.08.2024.