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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Robert Schumann.
2.

Schumann hatte sich durch die zuletzt aufgeführten Werke in Leipzig eine
Menge Freunde gewonnen, die ^en unbedingten Anhängern Mendelssohn's gegen¬
über die Form einer Partei anmhmen. Vielleicht liegt in den Reibungen jener
Tage mit eine Ursache, daß Schumann seinen Wohnort wechselte und sich nach
Dresden übersiedelte. Der hauptsächlichste Grund war aber eine von Tag zu
Tage sich steigernde Kränklichkeit, herbeigeführt durch übertriebenen Fleiß und man¬
cherlei kleine Sorgen. Eine geraume Zeit war er unfähig, zu schreiben. Nach
Jahresfrist hatte seine kräftige Natur die .Krankheit überwunden.

, Einen größern Einfluß auf seiue Thätigkeit übte seine eheliche Verbindung
mit der größten Künstlerin unsers Jahrhunderts, der vortrefflichen Clara Wieck.
Schumann lebte Jahre lang in ihres Vaters Hanse, er kannte sie und sing sie an
zu lieben, als sie noch Kind war und unter der strengen väterlichen Aufsicht mehr
zur Musik genöthigt wurde, als sie freiwillig übte. Der Vater war wie viele
Andere in jener Zeit in dem Wahne begriffen, Schumann würde nie die Stufe
überschreiten, die er in seinen ersten Claviercompositionen erklommen hatte. Gegen
seinen Willen vereinigte das Appellationsgericht das Paar zu einem Bunde, der
für Beide zu einer Quelle des reichsten Glücks und für die Kunstwelt von großer
Bedeutuug war. Frau Clara Schumann hat die Grenzen, in denen sich weibliche
Künstlerinnen zu halten pflegen, weit überschritten: sie denkt und spielt Musik wie
ein Mann. Der Vater hatte ihr eine rein virtuose Richtung gegeben. Daß
eine ausgezeichnete technische Unterlage für deu Vortrag der classischen Kompo¬
sitionen wesentlich und nothwendig ist, dürfte kann: geleugnet werden. Das Un¬
glück der lchtvergangenen Kunstperiode bestand darin, daß ein großer Theil der
Künstler die Erreichung der höchst möglichsten Technik als Zweck betrachtete, wäh¬
rend sie doch nnr als Mittel zum Zweck dienen soll. Clara Wieck lebte mitten
nnter den Virtuosen jener Zeit, sie stritt so mit den gediegensten unter ihnen,


Grenzten. III. 1850. 66
Robert Schumann.
2.

Schumann hatte sich durch die zuletzt aufgeführten Werke in Leipzig eine
Menge Freunde gewonnen, die ^en unbedingten Anhängern Mendelssohn's gegen¬
über die Form einer Partei anmhmen. Vielleicht liegt in den Reibungen jener
Tage mit eine Ursache, daß Schumann seinen Wohnort wechselte und sich nach
Dresden übersiedelte. Der hauptsächlichste Grund war aber eine von Tag zu
Tage sich steigernde Kränklichkeit, herbeigeführt durch übertriebenen Fleiß und man¬
cherlei kleine Sorgen. Eine geraume Zeit war er unfähig, zu schreiben. Nach
Jahresfrist hatte seine kräftige Natur die .Krankheit überwunden.

, Einen größern Einfluß auf seiue Thätigkeit übte seine eheliche Verbindung
mit der größten Künstlerin unsers Jahrhunderts, der vortrefflichen Clara Wieck.
Schumann lebte Jahre lang in ihres Vaters Hanse, er kannte sie und sing sie an
zu lieben, als sie noch Kind war und unter der strengen väterlichen Aufsicht mehr
zur Musik genöthigt wurde, als sie freiwillig übte. Der Vater war wie viele
Andere in jener Zeit in dem Wahne begriffen, Schumann würde nie die Stufe
überschreiten, die er in seinen ersten Claviercompositionen erklommen hatte. Gegen
seinen Willen vereinigte das Appellationsgericht das Paar zu einem Bunde, der
für Beide zu einer Quelle des reichsten Glücks und für die Kunstwelt von großer
Bedeutuug war. Frau Clara Schumann hat die Grenzen, in denen sich weibliche
Künstlerinnen zu halten pflegen, weit überschritten: sie denkt und spielt Musik wie
ein Mann. Der Vater hatte ihr eine rein virtuose Richtung gegeben. Daß
eine ausgezeichnete technische Unterlage für deu Vortrag der classischen Kompo¬
sitionen wesentlich und nothwendig ist, dürfte kann: geleugnet werden. Das Un¬
glück der lchtvergangenen Kunstperiode bestand darin, daß ein großer Theil der
Künstler die Erreichung der höchst möglichsten Technik als Zweck betrachtete, wäh¬
rend sie doch nnr als Mittel zum Zweck dienen soll. Clara Wieck lebte mitten
nnter den Virtuosen jener Zeit, sie stritt so mit den gediegensten unter ihnen,


Grenzten. III. 1850. 66
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[0009] Robert Schumann. 2. Schumann hatte sich durch die zuletzt aufgeführten Werke in Leipzig eine Menge Freunde gewonnen, die ^en unbedingten Anhängern Mendelssohn's gegen¬ über die Form einer Partei anmhmen. Vielleicht liegt in den Reibungen jener Tage mit eine Ursache, daß Schumann seinen Wohnort wechselte und sich nach Dresden übersiedelte. Der hauptsächlichste Grund war aber eine von Tag zu Tage sich steigernde Kränklichkeit, herbeigeführt durch übertriebenen Fleiß und man¬ cherlei kleine Sorgen. Eine geraume Zeit war er unfähig, zu schreiben. Nach Jahresfrist hatte seine kräftige Natur die .Krankheit überwunden. , Einen größern Einfluß auf seiue Thätigkeit übte seine eheliche Verbindung mit der größten Künstlerin unsers Jahrhunderts, der vortrefflichen Clara Wieck. Schumann lebte Jahre lang in ihres Vaters Hanse, er kannte sie und sing sie an zu lieben, als sie noch Kind war und unter der strengen väterlichen Aufsicht mehr zur Musik genöthigt wurde, als sie freiwillig übte. Der Vater war wie viele Andere in jener Zeit in dem Wahne begriffen, Schumann würde nie die Stufe überschreiten, die er in seinen ersten Claviercompositionen erklommen hatte. Gegen seinen Willen vereinigte das Appellationsgericht das Paar zu einem Bunde, der für Beide zu einer Quelle des reichsten Glücks und für die Kunstwelt von großer Bedeutuug war. Frau Clara Schumann hat die Grenzen, in denen sich weibliche Künstlerinnen zu halten pflegen, weit überschritten: sie denkt und spielt Musik wie ein Mann. Der Vater hatte ihr eine rein virtuose Richtung gegeben. Daß eine ausgezeichnete technische Unterlage für deu Vortrag der classischen Kompo¬ sitionen wesentlich und nothwendig ist, dürfte kann: geleugnet werden. Das Un¬ glück der lchtvergangenen Kunstperiode bestand darin, daß ein großer Theil der Künstler die Erreichung der höchst möglichsten Technik als Zweck betrachtete, wäh¬ rend sie doch nnr als Mittel zum Zweck dienen soll. Clara Wieck lebte mitten nnter den Virtuosen jener Zeit, sie stritt so mit den gediegensten unter ihnen, Grenzten. III. 1850. 66

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/9>, abgerufen am 22.07.2024.