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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Ring alö theures Angedenken. -- Es ist zwar nicht viel Dramatisches in diesem
Act, aber es ist eine anmuthige Heldenidylle von guter Zeichnung und Farbe, nnr
nicht immer gleichem Ton; das staldische Pathos wechselt mit nachlässiger Con-
versation. Wie schlecht nehmen sich z. B. folgende Redensarten im Trimeter
aus: "Wir scherzen, Halsdan reitet nur deu alten Witz" . . . "Damit die Mähr'
zu steif nicht in den Beinen wird" n. s. w. -- Der zweite Act spielt ein Menschen¬
alter später. Blom's Schiff ist in Amerika gestrandet, er ist aber von den Wilden
ans Gründen, die näher zu erörtern überflüssig ist, als eine Art überirdisches
Wesen aufgenommen und verehrt; sie kennen ihn unter dein Namen Qnetsalcoath.
Ein neues Schiff aus Island lautet; er beschützt die Seefahrer gegen die Wuth
der andringenden Wilden, begrüßt sie mit starken Reminiscenzen aus dem Philoktet
von Sophokles, erfährt, daß Thorilde gleich im ersten Jahre uach seiner Abreise
gestorben, daß mittlerweile im Nordland das Christenthum eingeführt sei, ohne
durch diese Nachricht bekehrt zu werden, erhält jenen Ring seiner Geliebten zurück,
und fordert seiue Landsleute auf, vorläufig, da sie gegen die Uebermacht der Ein-
gebornen zu schwach seien, nach Hanse zu segeln, aber bald mit Verstärkung zurück¬
zukommen, um deu neuen Welttheil für Island zu erobern. Er selbst läßt sich
ein steinernes Grab bauen:


-- So findet man nach vielen hundert Jahren noch
Am Strand vielleicht den seltnen großen Runcnblock,
Erstaunt, und gräbt man weiter, um zu finden mehr,
Mein Bcingcrippe mit dem goldnen Ring am Arm
Dann finden sie, ThorildeS Namen lesen sie:
So wissen sie, daß Nordenheldcn dieses Land
Entdeckt, eh' Andere kamen, und so reißen wir
DicEhre, die nur uns gehört, aus fr em d er H a u d. --

Ein größeres dramatisches Interesse erregt die Tragödie: Amleth"). Zwar
versichert Oehlenschläger in der Vorrede, er habe, der Erzählung des Laxo 6rain-
mcttieus folgend, einen ganz andern Gegenstand behandelt, als Shakespeare; wenn
man sich aber dnrch das nordländische Costüm nicht täuschen läßt, so entdeckt man
sehr bald einen tiefen Einfluß des britischen Dichters. Ehe wir darauf kommen,
noch einiges Einzelne.

Das Stück beginnt mit der Rückkehr des Königssohns Amleth von einer
mehrjährigen Seefahrt. Er hat Schiffbruch gelitten. Ein befreundeter Stätte
siudet ihn am Ufer und erzählt ihm, heilt Vater sei todt, wahrscheinlich durch seinen
Bruder (Fengo) ermordet, der sich des Reichs bemächtigt und mit der Wittwe des
Verstorbenen, G e rü es e, vermählt habe. Ich bemerke beiläufig, daß das nordische
Costüm sehr seltsam mit der geschraubten Redeweise contrastirt, die mttnnter,
wahrscheinlich durch eilte Reminiscenz, dazwischen fährt. Als z. B. der Stätte zu



^ In einer Schrift, auf die wir noch zurückkommen: Andeutungen zu einem System der
Mythologie von F. Nork, ist auch die Sage von Hamlet zu einem wesentlich astronomischen,
agrarischen Mythus gemacht. Wer sich dafür interessirt, möge daselbst i>. 253--8 selber nachlesen.
7-4"

Ring alö theures Angedenken. — Es ist zwar nicht viel Dramatisches in diesem
Act, aber es ist eine anmuthige Heldenidylle von guter Zeichnung und Farbe, nnr
nicht immer gleichem Ton; das staldische Pathos wechselt mit nachlässiger Con-
versation. Wie schlecht nehmen sich z. B. folgende Redensarten im Trimeter
aus: „Wir scherzen, Halsdan reitet nur deu alten Witz" . . . „Damit die Mähr'
zu steif nicht in den Beinen wird" n. s. w. — Der zweite Act spielt ein Menschen¬
alter später. Blom's Schiff ist in Amerika gestrandet, er ist aber von den Wilden
ans Gründen, die näher zu erörtern überflüssig ist, als eine Art überirdisches
Wesen aufgenommen und verehrt; sie kennen ihn unter dein Namen Qnetsalcoath.
Ein neues Schiff aus Island lautet; er beschützt die Seefahrer gegen die Wuth
der andringenden Wilden, begrüßt sie mit starken Reminiscenzen aus dem Philoktet
von Sophokles, erfährt, daß Thorilde gleich im ersten Jahre uach seiner Abreise
gestorben, daß mittlerweile im Nordland das Christenthum eingeführt sei, ohne
durch diese Nachricht bekehrt zu werden, erhält jenen Ring seiner Geliebten zurück,
und fordert seiue Landsleute auf, vorläufig, da sie gegen die Uebermacht der Ein-
gebornen zu schwach seien, nach Hanse zu segeln, aber bald mit Verstärkung zurück¬
zukommen, um deu neuen Welttheil für Island zu erobern. Er selbst läßt sich
ein steinernes Grab bauen:


— So findet man nach vielen hundert Jahren noch
Am Strand vielleicht den seltnen großen Runcnblock,
Erstaunt, und gräbt man weiter, um zu finden mehr,
Mein Bcingcrippe mit dem goldnen Ring am Arm
Dann finden sie, ThorildeS Namen lesen sie:
So wissen sie, daß Nordenheldcn dieses Land
Entdeckt, eh' Andere kamen, und so reißen wir
DicEhre, die nur uns gehört, aus fr em d er H a u d. —

Ein größeres dramatisches Interesse erregt die Tragödie: Amleth"). Zwar
versichert Oehlenschläger in der Vorrede, er habe, der Erzählung des Laxo 6rain-
mcttieus folgend, einen ganz andern Gegenstand behandelt, als Shakespeare; wenn
man sich aber dnrch das nordländische Costüm nicht täuschen läßt, so entdeckt man
sehr bald einen tiefen Einfluß des britischen Dichters. Ehe wir darauf kommen,
noch einiges Einzelne.

Das Stück beginnt mit der Rückkehr des Königssohns Amleth von einer
mehrjährigen Seefahrt. Er hat Schiffbruch gelitten. Ein befreundeter Stätte
siudet ihn am Ufer und erzählt ihm, heilt Vater sei todt, wahrscheinlich durch seinen
Bruder (Fengo) ermordet, der sich des Reichs bemächtigt und mit der Wittwe des
Verstorbenen, G e rü es e, vermählt habe. Ich bemerke beiläufig, daß das nordische
Costüm sehr seltsam mit der geschraubten Redeweise contrastirt, die mttnnter,
wahrscheinlich durch eilte Reminiscenz, dazwischen fährt. Als z. B. der Stätte zu



^ In einer Schrift, auf die wir noch zurückkommen: Andeutungen zu einem System der
Mythologie von F. Nork, ist auch die Sage von Hamlet zu einem wesentlich astronomischen,
agrarischen Mythus gemacht. Wer sich dafür interessirt, möge daselbst i>. 253—8 selber nachlesen.
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[0075] Ring alö theures Angedenken. — Es ist zwar nicht viel Dramatisches in diesem Act, aber es ist eine anmuthige Heldenidylle von guter Zeichnung und Farbe, nnr nicht immer gleichem Ton; das staldische Pathos wechselt mit nachlässiger Con- versation. Wie schlecht nehmen sich z. B. folgende Redensarten im Trimeter aus: „Wir scherzen, Halsdan reitet nur deu alten Witz" . . . „Damit die Mähr' zu steif nicht in den Beinen wird" n. s. w. — Der zweite Act spielt ein Menschen¬ alter später. Blom's Schiff ist in Amerika gestrandet, er ist aber von den Wilden ans Gründen, die näher zu erörtern überflüssig ist, als eine Art überirdisches Wesen aufgenommen und verehrt; sie kennen ihn unter dein Namen Qnetsalcoath. Ein neues Schiff aus Island lautet; er beschützt die Seefahrer gegen die Wuth der andringenden Wilden, begrüßt sie mit starken Reminiscenzen aus dem Philoktet von Sophokles, erfährt, daß Thorilde gleich im ersten Jahre uach seiner Abreise gestorben, daß mittlerweile im Nordland das Christenthum eingeführt sei, ohne durch diese Nachricht bekehrt zu werden, erhält jenen Ring seiner Geliebten zurück, und fordert seiue Landsleute auf, vorläufig, da sie gegen die Uebermacht der Ein- gebornen zu schwach seien, nach Hanse zu segeln, aber bald mit Verstärkung zurück¬ zukommen, um deu neuen Welttheil für Island zu erobern. Er selbst läßt sich ein steinernes Grab bauen: — So findet man nach vielen hundert Jahren noch Am Strand vielleicht den seltnen großen Runcnblock, Erstaunt, und gräbt man weiter, um zu finden mehr, Mein Bcingcrippe mit dem goldnen Ring am Arm Dann finden sie, ThorildeS Namen lesen sie: So wissen sie, daß Nordenheldcn dieses Land Entdeckt, eh' Andere kamen, und so reißen wir DicEhre, die nur uns gehört, aus fr em d er H a u d. — Ein größeres dramatisches Interesse erregt die Tragödie: Amleth"). Zwar versichert Oehlenschläger in der Vorrede, er habe, der Erzählung des Laxo 6rain- mcttieus folgend, einen ganz andern Gegenstand behandelt, als Shakespeare; wenn man sich aber dnrch das nordländische Costüm nicht täuschen läßt, so entdeckt man sehr bald einen tiefen Einfluß des britischen Dichters. Ehe wir darauf kommen, noch einiges Einzelne. Das Stück beginnt mit der Rückkehr des Königssohns Amleth von einer mehrjährigen Seefahrt. Er hat Schiffbruch gelitten. Ein befreundeter Stätte siudet ihn am Ufer und erzählt ihm, heilt Vater sei todt, wahrscheinlich durch seinen Bruder (Fengo) ermordet, der sich des Reichs bemächtigt und mit der Wittwe des Verstorbenen, G e rü es e, vermählt habe. Ich bemerke beiläufig, daß das nordische Costüm sehr seltsam mit der geschraubten Redeweise contrastirt, die mttnnter, wahrscheinlich durch eilte Reminiscenz, dazwischen fährt. Als z. B. der Stätte zu ^ In einer Schrift, auf die wir noch zurückkommen: Andeutungen zu einem System der Mythologie von F. Nork, ist auch die Sage von Hamlet zu einem wesentlich astronomischen, agrarischen Mythus gemacht. Wer sich dafür interessirt, möge daselbst i>. 253—8 selber nachlesen. 7-4"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/75>, abgerufen am 24.08.2024.