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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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schlagen, wie jetzt wegen der paar Dutzend Hingerichteten." Der harmlose Ver¬
sasser jener Reiseberichte eins dein östreichischen Oberlande wohnt zwei Häuser von
mir am Meeresstrande; wir treffen uns täglich; er sucht von nur Englisch,
ich von ihm Deutsch zu profitiren, und da erzählte er mir, er sei anch ein Ver¬
bannter, ein von Oestreich Verfolgter! Seine besten, vernünftigsten Bürger stößt
Oestreich übers Meer, und traut ihnen hinterdrein die Beschränktheit zu, einen
Haufen Brauerburscheu gegen eiuen alten Corporal zu Hetzen. Es ist doch gar
zu lächerlich, für deu Verstand eines Engländers unbegreiflich.

Jetzt zum Schluß uur wenige praktische Bemerkungen. Oestreich, so schreibt
man, hat für Haynan ans Satisfaction gedrungen, Oestreich, so meint Times
und Chronicle verblümt, hat ein Recht dazu, wenigstens ein ebenso großes,
wie Palmerston dein blokirten Griechenland gegenüber hatte. Der Vergleich ist
grundfalsch. Der englische Botschafter in Athen hatte vergebens bei der griechi¬
schen Negierung und den dortigen Behörden um Schadloshaltung für Pacisteo
angehalten. Sie wurde verweigert, oder vielmehr die Anfrage ganz ignorirt.
Dann erst griff der Staatssekretär d. A. zu Gewaltnlitteln. Wo Gerichte keine
Klage annehmen, schafft sich die Faust ihr Recht, wie in den Zeiten des vielge¬
lobten menschlichen Naturzustandes. Das ist bei uns in England doch nicht der
Fall. Lassen Sie den General Hayuau oder in seiner Abwesenheit den östreichi¬
schen Botschafter oder den ersten besten Advocaten für ihn eine Klage einreichen.
Sie wird angenommen werden; es wird einen ehrlichen Proceß geben, bei dein
zwei Advocaten Gelegenheit haben werden, ihren Witz zu zeigen. Wofern sich
aber nicht ein absichtliches rot, eine Felonie, ein prämeditirter Angriff erwei¬
sen läßt, da wird die Strafe der Schuldigen sehr unbedeutend sein. Haynan's,
als des Hauptzeugen, Gegenwart wird muthmaßlich von den Gerichten gefordert
werden. Wird er nach England kommen, um einen Proceß gegen Karrenführer
durchzufechten? -- Schwerlich. Und kann er bei uus eine Bevorzugung vor je¬
dem andern Privatmann fordern, weil er östreichische Epauletten trägt? Gewiß
niemals. -- Die Geuugthuuugsforderuug Oestreichs ist eine Force einem Staate
gegenüber, dessen Gerichte zu jeder billigen Untersuchung erbötig siud. -- Das
Einzige, wofern Haynan den Proceß nicht aufnimmt, bleibt Oestreich übrig: das
Bild unserer Königin zu zersäbelu und unschuldige englische Reisende zu prügeln.
Beides ist geschehen an me^oren glorwm der österreichischen Offiziere.

Anm. der Red. Die deutsche Presse hat doch Neckt in ihrem Urtheil über jene
Lynchjustiz, denn I) hat der Pöbel kein Urtheil darüber, ob Hayucm ein unmoralischer
Mensch ist, er empfindet nur, was die Londoner "Reibeisen" u. f. w., d. h. die Ca¬
naille der Presse ihm vorgesungen haben, 2) sind Barclaycr Brauer weder Richter noch
ExecMtoren. -- So gut wie Hayuau kann eine solche Lynchjustiz Jeden treffen, der
der Winkelpresse nicht convenire.




schlagen, wie jetzt wegen der paar Dutzend Hingerichteten." Der harmlose Ver¬
sasser jener Reiseberichte eins dein östreichischen Oberlande wohnt zwei Häuser von
mir am Meeresstrande; wir treffen uns täglich; er sucht von nur Englisch,
ich von ihm Deutsch zu profitiren, und da erzählte er mir, er sei anch ein Ver¬
bannter, ein von Oestreich Verfolgter! Seine besten, vernünftigsten Bürger stößt
Oestreich übers Meer, und traut ihnen hinterdrein die Beschränktheit zu, einen
Haufen Brauerburscheu gegen eiuen alten Corporal zu Hetzen. Es ist doch gar
zu lächerlich, für deu Verstand eines Engländers unbegreiflich.

Jetzt zum Schluß uur wenige praktische Bemerkungen. Oestreich, so schreibt
man, hat für Haynan ans Satisfaction gedrungen, Oestreich, so meint Times
und Chronicle verblümt, hat ein Recht dazu, wenigstens ein ebenso großes,
wie Palmerston dein blokirten Griechenland gegenüber hatte. Der Vergleich ist
grundfalsch. Der englische Botschafter in Athen hatte vergebens bei der griechi¬
schen Negierung und den dortigen Behörden um Schadloshaltung für Pacisteo
angehalten. Sie wurde verweigert, oder vielmehr die Anfrage ganz ignorirt.
Dann erst griff der Staatssekretär d. A. zu Gewaltnlitteln. Wo Gerichte keine
Klage annehmen, schafft sich die Faust ihr Recht, wie in den Zeiten des vielge¬
lobten menschlichen Naturzustandes. Das ist bei uns in England doch nicht der
Fall. Lassen Sie den General Hayuau oder in seiner Abwesenheit den östreichi¬
schen Botschafter oder den ersten besten Advocaten für ihn eine Klage einreichen.
Sie wird angenommen werden; es wird einen ehrlichen Proceß geben, bei dein
zwei Advocaten Gelegenheit haben werden, ihren Witz zu zeigen. Wofern sich
aber nicht ein absichtliches rot, eine Felonie, ein prämeditirter Angriff erwei¬
sen läßt, da wird die Strafe der Schuldigen sehr unbedeutend sein. Haynan's,
als des Hauptzeugen, Gegenwart wird muthmaßlich von den Gerichten gefordert
werden. Wird er nach England kommen, um einen Proceß gegen Karrenführer
durchzufechten? — Schwerlich. Und kann er bei uus eine Bevorzugung vor je¬
dem andern Privatmann fordern, weil er östreichische Epauletten trägt? Gewiß
niemals. — Die Geuugthuuugsforderuug Oestreichs ist eine Force einem Staate
gegenüber, dessen Gerichte zu jeder billigen Untersuchung erbötig siud. — Das
Einzige, wofern Haynan den Proceß nicht aufnimmt, bleibt Oestreich übrig: das
Bild unserer Königin zu zersäbelu und unschuldige englische Reisende zu prügeln.
Beides ist geschehen an me^oren glorwm der österreichischen Offiziere.

Anm. der Red. Die deutsche Presse hat doch Neckt in ihrem Urtheil über jene
Lynchjustiz, denn I) hat der Pöbel kein Urtheil darüber, ob Hayucm ein unmoralischer
Mensch ist, er empfindet nur, was die Londoner „Reibeisen" u. f. w., d. h. die Ca¬
naille der Presse ihm vorgesungen haben, 2) sind Barclaycr Brauer weder Richter noch
ExecMtoren. — So gut wie Hayuau kann eine solche Lynchjustiz Jeden treffen, der
der Winkelpresse nicht convenire.




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[0061] schlagen, wie jetzt wegen der paar Dutzend Hingerichteten." Der harmlose Ver¬ sasser jener Reiseberichte eins dein östreichischen Oberlande wohnt zwei Häuser von mir am Meeresstrande; wir treffen uns täglich; er sucht von nur Englisch, ich von ihm Deutsch zu profitiren, und da erzählte er mir, er sei anch ein Ver¬ bannter, ein von Oestreich Verfolgter! Seine besten, vernünftigsten Bürger stößt Oestreich übers Meer, und traut ihnen hinterdrein die Beschränktheit zu, einen Haufen Brauerburscheu gegen eiuen alten Corporal zu Hetzen. Es ist doch gar zu lächerlich, für deu Verstand eines Engländers unbegreiflich. Jetzt zum Schluß uur wenige praktische Bemerkungen. Oestreich, so schreibt man, hat für Haynan ans Satisfaction gedrungen, Oestreich, so meint Times und Chronicle verblümt, hat ein Recht dazu, wenigstens ein ebenso großes, wie Palmerston dein blokirten Griechenland gegenüber hatte. Der Vergleich ist grundfalsch. Der englische Botschafter in Athen hatte vergebens bei der griechi¬ schen Negierung und den dortigen Behörden um Schadloshaltung für Pacisteo angehalten. Sie wurde verweigert, oder vielmehr die Anfrage ganz ignorirt. Dann erst griff der Staatssekretär d. A. zu Gewaltnlitteln. Wo Gerichte keine Klage annehmen, schafft sich die Faust ihr Recht, wie in den Zeiten des vielge¬ lobten menschlichen Naturzustandes. Das ist bei uns in England doch nicht der Fall. Lassen Sie den General Hayuau oder in seiner Abwesenheit den östreichi¬ schen Botschafter oder den ersten besten Advocaten für ihn eine Klage einreichen. Sie wird angenommen werden; es wird einen ehrlichen Proceß geben, bei dein zwei Advocaten Gelegenheit haben werden, ihren Witz zu zeigen. Wofern sich aber nicht ein absichtliches rot, eine Felonie, ein prämeditirter Angriff erwei¬ sen läßt, da wird die Strafe der Schuldigen sehr unbedeutend sein. Haynan's, als des Hauptzeugen, Gegenwart wird muthmaßlich von den Gerichten gefordert werden. Wird er nach England kommen, um einen Proceß gegen Karrenführer durchzufechten? — Schwerlich. Und kann er bei uus eine Bevorzugung vor je¬ dem andern Privatmann fordern, weil er östreichische Epauletten trägt? Gewiß niemals. — Die Geuugthuuugsforderuug Oestreichs ist eine Force einem Staate gegenüber, dessen Gerichte zu jeder billigen Untersuchung erbötig siud. — Das Einzige, wofern Haynan den Proceß nicht aufnimmt, bleibt Oestreich übrig: das Bild unserer Königin zu zersäbelu und unschuldige englische Reisende zu prügeln. Beides ist geschehen an me^oren glorwm der österreichischen Offiziere. Anm. der Red. Die deutsche Presse hat doch Neckt in ihrem Urtheil über jene Lynchjustiz, denn I) hat der Pöbel kein Urtheil darüber, ob Hayucm ein unmoralischer Mensch ist, er empfindet nur, was die Londoner „Reibeisen" u. f. w., d. h. die Ca¬ naille der Presse ihm vorgesungen haben, 2) sind Barclaycr Brauer weder Richter noch ExecMtoren. — So gut wie Hayuau kann eine solche Lynchjustiz Jeden treffen, der der Winkelpresse nicht convenire.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/61>, abgerufen am 28.07.2024.