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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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über Summen, die nicht aus ihrem Beutel kamen, und vertraten Interessen, die
ihnen fremd, ja oft den ihrigen feindlich waren. Es hing also blos von dem
individuellen liberalen oder illiberalen, menschenfreundlichen oder egoistischen
Charakter des Beamten ab, ob das Volk drei Jahre hindurch gut regiert, tyran-
nisirt oder -- was noch schlechter -- vernachlässigt werde, um dann bei einer
neuen Wahl vielleicht uoch schlimmer mitgenommen zu werden. Ueberhaupt wur¬
den die Beamtenwahlen als rein politische Kämpfe der Parteien betrachtet, denn
andere Interessen hatten weder Wähler uoch Gewählte, als daß die Partei,
welche ihre Männer in die Bureaus brachte, durch drei Jahre das Comitat be¬
herrschte, mit Sicherheit ihre Kandidaten für den Reichstag, und mit Wahrschein¬
lichkeit ihre Parteimänner anch bei der nächsten Beamtenwahl durchzubringen hoffen
konnte. Hier wurde also nicht darauf gesehen, ob der Candidat zu dem Amte,
für welches er sich ausstellen ließ, genügende Sachkenntniß und Fähigkeiten habe,
sondern ob er auf diesem Posten die Interessen seiner Partei zu wahren und
geltend zu macheu wissen werde. So wurde z. B. bei der Wahl des Stuhl¬
richters, vou dem besonders das Wohl und Wehe des rechtlosen Volkes abhing,
vor Allem darauf reflectirt, ob der Candidat in seinem Kreise das Zutrauen des
Baneruadels, und das Talent, diesen für die Interessen der Partei zu bearbeiten,
besitze; mit einem Worte, ob er ein guter Korkes sei ^).

Um ein klares Bild von der Verfahrungsweise der Parteien bei den Beam¬
tenwahlen zu geben, wollen wir diesen Act des vormärzlich ungarischen constitu-
tionellen Lebens etwas näher betrachten.

Einige Wochen vor Ablauf des Beamtenmandatö kündigte der Obergespann
den Tag an, an welchem die Wahl der neuen Beamten (Nestallration) vorgenom¬
men werden soll. Damals oder noch früher begannen die Agitationen der Par¬
teien. Die hervorragenden Mitglieder derselben versammelten sich nämlich bei
dem Chef der Partei im Comitate, und berathschlagten über die Mittel und Wege,
welche man bei dem bevorstehenden Kampfe in Anwendung bringen soll. Hier
wurde vor Allem eine Liste der vorzuschlagenden Kandidaten verfertigt, lind in
allen Gegenden Männer beauftragt, die den Bauernadel für die Sache der Par¬
tei gewinnen sollten. Diese Männer standen meist selbst ans der Kandidatenliste,
oder ihre Erwählung wurde eben von dem Erfolg ihres Wirkens bedingt. Fer¬
ner wurde über das Aufbringen der Geldmittel berathen, welche zur Werbung
unumgänglich nothwendig waren, da hier Wein, Musik und directe Bestechung
bedeutende Rollen spielten. Das Geld wurde durch freiwillige Beiträge zusam¬
mengebracht, und dafür wurde mancher Neffe oder Vetter eines freigebigen Par-



Bekanntlich wurden in Ungarn bei den Deputaten- und Beamtenwahlcn förmlich
Stimmen geworben. Manche Landedelleute aus dem besitzenden und intelligenten, Ades,
welche die Fähigkeiten besaßen, den Bauernadel (llorles) zu gewinnen, wurden allgemein
alö vorzügliche Korkes bezeichnet.

über Summen, die nicht aus ihrem Beutel kamen, und vertraten Interessen, die
ihnen fremd, ja oft den ihrigen feindlich waren. Es hing also blos von dem
individuellen liberalen oder illiberalen, menschenfreundlichen oder egoistischen
Charakter des Beamten ab, ob das Volk drei Jahre hindurch gut regiert, tyran-
nisirt oder — was noch schlechter — vernachlässigt werde, um dann bei einer
neuen Wahl vielleicht uoch schlimmer mitgenommen zu werden. Ueberhaupt wur¬
den die Beamtenwahlen als rein politische Kämpfe der Parteien betrachtet, denn
andere Interessen hatten weder Wähler uoch Gewählte, als daß die Partei,
welche ihre Männer in die Bureaus brachte, durch drei Jahre das Comitat be¬
herrschte, mit Sicherheit ihre Kandidaten für den Reichstag, und mit Wahrschein¬
lichkeit ihre Parteimänner anch bei der nächsten Beamtenwahl durchzubringen hoffen
konnte. Hier wurde also nicht darauf gesehen, ob der Candidat zu dem Amte,
für welches er sich ausstellen ließ, genügende Sachkenntniß und Fähigkeiten habe,
sondern ob er auf diesem Posten die Interessen seiner Partei zu wahren und
geltend zu macheu wissen werde. So wurde z. B. bei der Wahl des Stuhl¬
richters, vou dem besonders das Wohl und Wehe des rechtlosen Volkes abhing,
vor Allem darauf reflectirt, ob der Candidat in seinem Kreise das Zutrauen des
Baneruadels, und das Talent, diesen für die Interessen der Partei zu bearbeiten,
besitze; mit einem Worte, ob er ein guter Korkes sei ^).

Um ein klares Bild von der Verfahrungsweise der Parteien bei den Beam¬
tenwahlen zu geben, wollen wir diesen Act des vormärzlich ungarischen constitu-
tionellen Lebens etwas näher betrachten.

Einige Wochen vor Ablauf des Beamtenmandatö kündigte der Obergespann
den Tag an, an welchem die Wahl der neuen Beamten (Nestallration) vorgenom¬
men werden soll. Damals oder noch früher begannen die Agitationen der Par¬
teien. Die hervorragenden Mitglieder derselben versammelten sich nämlich bei
dem Chef der Partei im Comitate, und berathschlagten über die Mittel und Wege,
welche man bei dem bevorstehenden Kampfe in Anwendung bringen soll. Hier
wurde vor Allem eine Liste der vorzuschlagenden Kandidaten verfertigt, lind in
allen Gegenden Männer beauftragt, die den Bauernadel für die Sache der Par¬
tei gewinnen sollten. Diese Männer standen meist selbst ans der Kandidatenliste,
oder ihre Erwählung wurde eben von dem Erfolg ihres Wirkens bedingt. Fer¬
ner wurde über das Aufbringen der Geldmittel berathen, welche zur Werbung
unumgänglich nothwendig waren, da hier Wein, Musik und directe Bestechung
bedeutende Rollen spielten. Das Geld wurde durch freiwillige Beiträge zusam¬
mengebracht, und dafür wurde mancher Neffe oder Vetter eines freigebigen Par-



Bekanntlich wurden in Ungarn bei den Deputaten- und Beamtenwahlcn förmlich
Stimmen geworben. Manche Landedelleute aus dem besitzenden und intelligenten, Ades,
welche die Fähigkeiten besaßen, den Bauernadel (llorles) zu gewinnen, wurden allgemein
alö vorzügliche Korkes bezeichnet.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/55>, abgerufen am 23.07.2024.