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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Sanction, so wurde der Gegenstand den übrigen Municipien mitgetheilt und dnrch
die Deputaten des Comitats als Beschwerde beim Reichstag vorgebracht.

g) Die Korrespondenz mit den übrigen Municipien des Landes, welche einen
bedeutenden Zweig des Mnnicipalwescns bildete, da die Motionen, welche in einem
Comitate gestellt und augenommen wurden, allen übrigen Municipien mitgetheilt,
und dadurch eine gewisse Einheit in den Reformbestrebungen und eine Solidarität
in der Opposition bewerkstelligt wurden. Wurde einem Comitate vou einem an¬
dern eine der politischen Gesinnung der Majorität zuwiderlaufende Motion einge¬
sendet, so wurden in einem Antwortschreiben dagegen Vorstellungen gemacht, oder
der Brief einfach aä acta gelegt.

K) Die Ueberwachung aller Verwaltungszweige des Muuicipiums, die Ein-
protveolliruug der Beschlüsse der etwa stattgehabten Particularcougregatiouen und
der jährliche Bericht über deu Zilstand des Coiuitatö an die königliche Statt-
halterei.

Endlich hielt nach Beendigung einer jeden Generalcongregation der oberste
Gerichtshof des Comitats seine Sitzungen.' Als Gerichtsstühle erster Instanz im
Comitate galten nämlich: die Patrimonialgerichte oder Herreustiihle der größern
Grundbesitzer; die Gerichtsstühle der mit einem geordneten Senat versehenen
Städte und Marktflecken (die königlichen Freistätte bildeten eigene Municipien und
gehörten also nicht hierher); der Stuhlrichter im Verein mit seinem Inrassor. Von
diesen Gerichtsstühlen wurden die Nechtöfälle größteutheils zum Conutate appellirt.
Der Gerichtshof des Comitats wurde seärm genannt und bestand aus den
TMabirö's, deu Comitatöfiöcalen, einigen Stuhlrichteru und Jnrassoren uuter
Vorsitz des Vicegespauus. Von hier ging die Appellation an die hohe königliche
Gerichtstafel und an die Septemviraltafel, welche beide zusammen die curia i-exia
bildeten.

Betrachten wir nnn das Ensemble dieser Verwaltungsform, so finden wir
darin alle Garantien eiues uach Freiheit und Ordnung zugleich strebenden Staats-
lebens. Das Municipinm darf keinem vom Reichstage auf constitutionellen Wege
gebrachten Gesetze die Ausführung versagen, oder gar dagegen handeln. Findet
das Municipinm sich durch ein solches Gesetz in seinen Rechtem oder seinen In¬
teressen gekränkt, so hat es das Recht, im kommenden Reichstag durch seiue De-
putirten dagegen zu reclamiren und auf Abänderung desselben anzutragen; aber
bis dahin muß das Gesetz in seiner vollen Kraft bestehen und gehandhabt wer¬
den. Nur gegen solche Verordnungen der Regierung, welche entweder offen den
Charakter von Ordonnanzen an sich tragen, oder in den bestehenden Gesetzen
keinen Berechtiguugsgruud haben, steht den Municipien das Recht der Gegen-
vorstellung und resp, der Auöübungverweigerung zu. Die innere Verwaltung
wird von Männern gehandhabt, die ans der Wahl des Volks hervorgegangen,
und als einheimische mit deu Localverhältnissen und deu Bedürfnissen der Ein-


Sanction, so wurde der Gegenstand den übrigen Municipien mitgetheilt und dnrch
die Deputaten des Comitats als Beschwerde beim Reichstag vorgebracht.

g) Die Korrespondenz mit den übrigen Municipien des Landes, welche einen
bedeutenden Zweig des Mnnicipalwescns bildete, da die Motionen, welche in einem
Comitate gestellt und augenommen wurden, allen übrigen Municipien mitgetheilt,
und dadurch eine gewisse Einheit in den Reformbestrebungen und eine Solidarität
in der Opposition bewerkstelligt wurden. Wurde einem Comitate vou einem an¬
dern eine der politischen Gesinnung der Majorität zuwiderlaufende Motion einge¬
sendet, so wurden in einem Antwortschreiben dagegen Vorstellungen gemacht, oder
der Brief einfach aä acta gelegt.

K) Die Ueberwachung aller Verwaltungszweige des Muuicipiums, die Ein-
protveolliruug der Beschlüsse der etwa stattgehabten Particularcougregatiouen und
der jährliche Bericht über deu Zilstand des Coiuitatö an die königliche Statt-
halterei.

Endlich hielt nach Beendigung einer jeden Generalcongregation der oberste
Gerichtshof des Comitats seine Sitzungen.' Als Gerichtsstühle erster Instanz im
Comitate galten nämlich: die Patrimonialgerichte oder Herreustiihle der größern
Grundbesitzer; die Gerichtsstühle der mit einem geordneten Senat versehenen
Städte und Marktflecken (die königlichen Freistätte bildeten eigene Municipien und
gehörten also nicht hierher); der Stuhlrichter im Verein mit seinem Inrassor. Von
diesen Gerichtsstühlen wurden die Nechtöfälle größteutheils zum Conutate appellirt.
Der Gerichtshof des Comitats wurde seärm genannt und bestand aus den
TMabirö's, deu Comitatöfiöcalen, einigen Stuhlrichteru und Jnrassoren uuter
Vorsitz des Vicegespauus. Von hier ging die Appellation an die hohe königliche
Gerichtstafel und an die Septemviraltafel, welche beide zusammen die curia i-exia
bildeten.

Betrachten wir nnn das Ensemble dieser Verwaltungsform, so finden wir
darin alle Garantien eiues uach Freiheit und Ordnung zugleich strebenden Staats-
lebens. Das Municipinm darf keinem vom Reichstage auf constitutionellen Wege
gebrachten Gesetze die Ausführung versagen, oder gar dagegen handeln. Findet
das Municipinm sich durch ein solches Gesetz in seinen Rechtem oder seinen In¬
teressen gekränkt, so hat es das Recht, im kommenden Reichstag durch seiue De-
putirten dagegen zu reclamiren und auf Abänderung desselben anzutragen; aber
bis dahin muß das Gesetz in seiner vollen Kraft bestehen und gehandhabt wer¬
den. Nur gegen solche Verordnungen der Regierung, welche entweder offen den
Charakter von Ordonnanzen an sich tragen, oder in den bestehenden Gesetzen
keinen Berechtiguugsgruud haben, steht den Municipien das Recht der Gegen-
vorstellung und resp, der Auöübungverweigerung zu. Die innere Verwaltung
wird von Männern gehandhabt, die ans der Wahl des Volks hervorgegangen,
und als einheimische mit deu Localverhältnissen und deu Bedürfnissen der Ein-


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[0053] Sanction, so wurde der Gegenstand den übrigen Municipien mitgetheilt und dnrch die Deputaten des Comitats als Beschwerde beim Reichstag vorgebracht. g) Die Korrespondenz mit den übrigen Municipien des Landes, welche einen bedeutenden Zweig des Mnnicipalwescns bildete, da die Motionen, welche in einem Comitate gestellt und augenommen wurden, allen übrigen Municipien mitgetheilt, und dadurch eine gewisse Einheit in den Reformbestrebungen und eine Solidarität in der Opposition bewerkstelligt wurden. Wurde einem Comitate vou einem an¬ dern eine der politischen Gesinnung der Majorität zuwiderlaufende Motion einge¬ sendet, so wurden in einem Antwortschreiben dagegen Vorstellungen gemacht, oder der Brief einfach aä acta gelegt. K) Die Ueberwachung aller Verwaltungszweige des Muuicipiums, die Ein- protveolliruug der Beschlüsse der etwa stattgehabten Particularcougregatiouen und der jährliche Bericht über deu Zilstand des Coiuitatö an die königliche Statt- halterei. Endlich hielt nach Beendigung einer jeden Generalcongregation der oberste Gerichtshof des Comitats seine Sitzungen.' Als Gerichtsstühle erster Instanz im Comitate galten nämlich: die Patrimonialgerichte oder Herreustiihle der größern Grundbesitzer; die Gerichtsstühle der mit einem geordneten Senat versehenen Städte und Marktflecken (die königlichen Freistätte bildeten eigene Municipien und gehörten also nicht hierher); der Stuhlrichter im Verein mit seinem Inrassor. Von diesen Gerichtsstühlen wurden die Nechtöfälle größteutheils zum Conutate appellirt. Der Gerichtshof des Comitats wurde seärm genannt und bestand aus den TMabirö's, deu Comitatöfiöcalen, einigen Stuhlrichteru und Jnrassoren uuter Vorsitz des Vicegespauus. Von hier ging die Appellation an die hohe königliche Gerichtstafel und an die Septemviraltafel, welche beide zusammen die curia i-exia bildeten. Betrachten wir nnn das Ensemble dieser Verwaltungsform, so finden wir darin alle Garantien eiues uach Freiheit und Ordnung zugleich strebenden Staats- lebens. Das Municipinm darf keinem vom Reichstage auf constitutionellen Wege gebrachten Gesetze die Ausführung versagen, oder gar dagegen handeln. Findet das Municipinm sich durch ein solches Gesetz in seinen Rechtem oder seinen In¬ teressen gekränkt, so hat es das Recht, im kommenden Reichstag durch seiue De- putirten dagegen zu reclamiren und auf Abänderung desselben anzutragen; aber bis dahin muß das Gesetz in seiner vollen Kraft bestehen und gehandhabt wer¬ den. Nur gegen solche Verordnungen der Regierung, welche entweder offen den Charakter von Ordonnanzen an sich tragen, oder in den bestehenden Gesetzen keinen Berechtiguugsgruud haben, steht den Municipien das Recht der Gegen- vorstellung und resp, der Auöübungverweigerung zu. Die innere Verwaltung wird von Männern gehandhabt, die ans der Wahl des Volks hervorgegangen, und als einheimische mit deu Localverhältnissen und deu Bedürfnissen der Ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/53>, abgerufen am 22.07.2024.