Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.Provinz kommen uns täglich derartige traurige Nachrichten zu, die nicht wenig Was soll ich vou unserem moralischen Jammer erzählen? Man will dem Dies soll uur eine schwache Schilderung von unseren Zuständen sein, wie sie Provinz kommen uns täglich derartige traurige Nachrichten zu, die nicht wenig Was soll ich vou unserem moralischen Jammer erzählen? Man will dem Dies soll uur eine schwache Schilderung von unseren Zuständen sein, wie sie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92793"/> <p xml:id="ID_1604" prev="#ID_1603"> Provinz kommen uns täglich derartige traurige Nachrichten zu, die nicht wenig<lb/> beitragen, den panischen Schrecken, der sich der hiesigen Ingend bemächtigt, zu ver¬<lb/> mehren, und wirklich standen in den letzten Tagen alle Gasthäuser und öffentlichen<lb/> Orte leer, da bei uns die Lust sehr gering ist, an dem Ruhme, welchen sich die<lb/> kroatischen Waffenbruder in Deutschland erwerben dürften, Theil zu nehmen, oder<lb/> Herrn Hassenpflug bei seinem Einzug in Kassel als Spalier zu dienen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1605"> Was soll ich vou unserem moralischen Jammer erzählen? Man will dem<lb/> ungarischen Volke nicht nur die nationale Ausbildung, sondern jede Bildung über¬<lb/> haupt unmöglich macheu. — Der seit Jahren bestandene, mit vielen Opfern er¬<lb/> haltene iMre^e8ülLt — Gewerbvcreiu — der besonders auf die gewerblichen<lb/> Klassen so wohlthätig wirkte, wurde — zum Hohn mit einer lächerlichen Motivirung —<lb/> aufgelöst, und die durch diesen Verein erhaltene Industrieschule, in welcher, trotzdem<lb/> daß sie ein nationales Institut war, die Wissenschaften in ungarischer und deutscher<lb/> Sprache gelehrt wurden, geschlossen. Jetzt ist nur noch eine derartige, von der<lb/> Gleichberechtigungsregierung gegründete Schule in Pesth; in dieser werdeu aber<lb/> die Gegenstände bos in deutscher Sprache vorgetragen. — In Klauseuburg, eiuer<lb/> ächt magyarischen Stadt Siebenbürgens, gab der Theaterdirector Friese in dem<lb/> von dem magyarischen Adel gestifteten»und erhaltenen Ständetheater deutsche<lb/> und ungarische Vorstellungen; die deutschen wurden nur vou deu Officieren der<lb/> Garnison und einigen Beamten besucht, während die magyarischen volle Häuser<lb/> machten. Dies gefiel dem aus der Kriegszeit durch seiue Niederlagen berühmt<lb/> gewordenen Commandanten, General Urban, uicht, und er stellte eiuen Ukas aus,<lb/> nach welchem das bisherigestäudische Theater, als „durch die Errungenschaften<lb/> der letzten Zeit in den Besitz der Stadt übergegangen" erklärt, und dieser<lb/> aufgetragen wird, dafür zu sorgen, daß die deutscheu Vorstellungen durch die „vou<lb/> feindlicher Gesinnung gegen das deutsche Element und also gegen die Regierung<lb/> zeugenden Demonstrationen" keine Störung erleiden mögen. Ferner werden dem<lb/> Theaterdirector Friese die contractmäßig von jeder Vorstellung zu zahlenden 4<lb/> Gulden Münze für die deutschen Vorstellungen erlassen, und die durch<lb/> den Rückstand dieser Taxe entstandene beträchtliche Schuld des Directors als getilgt<lb/> erklärt. Wie es heißt, wird der Herr General im Falle der Renitenz täglich<lb/> einen Theil der Klansenbnrger Bevölkerung in's Theater commandiren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1606"> Dies soll uur eine schwache Schilderung von unseren Zuständen sein, wie sie<lb/> am Ende des Jahres 1850 gestaltet waren; vollständig kann sie uur die unmit¬<lb/> telbare Anschauung geben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0504]
Provinz kommen uns täglich derartige traurige Nachrichten zu, die nicht wenig
beitragen, den panischen Schrecken, der sich der hiesigen Ingend bemächtigt, zu ver¬
mehren, und wirklich standen in den letzten Tagen alle Gasthäuser und öffentlichen
Orte leer, da bei uns die Lust sehr gering ist, an dem Ruhme, welchen sich die
kroatischen Waffenbruder in Deutschland erwerben dürften, Theil zu nehmen, oder
Herrn Hassenpflug bei seinem Einzug in Kassel als Spalier zu dienen.
Was soll ich vou unserem moralischen Jammer erzählen? Man will dem
ungarischen Volke nicht nur die nationale Ausbildung, sondern jede Bildung über¬
haupt unmöglich macheu. — Der seit Jahren bestandene, mit vielen Opfern er¬
haltene iMre^e8ülLt — Gewerbvcreiu — der besonders auf die gewerblichen
Klassen so wohlthätig wirkte, wurde — zum Hohn mit einer lächerlichen Motivirung —
aufgelöst, und die durch diesen Verein erhaltene Industrieschule, in welcher, trotzdem
daß sie ein nationales Institut war, die Wissenschaften in ungarischer und deutscher
Sprache gelehrt wurden, geschlossen. Jetzt ist nur noch eine derartige, von der
Gleichberechtigungsregierung gegründete Schule in Pesth; in dieser werdeu aber
die Gegenstände bos in deutscher Sprache vorgetragen. — In Klauseuburg, eiuer
ächt magyarischen Stadt Siebenbürgens, gab der Theaterdirector Friese in dem
von dem magyarischen Adel gestifteten»und erhaltenen Ständetheater deutsche
und ungarische Vorstellungen; die deutschen wurden nur vou deu Officieren der
Garnison und einigen Beamten besucht, während die magyarischen volle Häuser
machten. Dies gefiel dem aus der Kriegszeit durch seiue Niederlagen berühmt
gewordenen Commandanten, General Urban, uicht, und er stellte eiuen Ukas aus,
nach welchem das bisherigestäudische Theater, als „durch die Errungenschaften
der letzten Zeit in den Besitz der Stadt übergegangen" erklärt, und dieser
aufgetragen wird, dafür zu sorgen, daß die deutscheu Vorstellungen durch die „vou
feindlicher Gesinnung gegen das deutsche Element und also gegen die Regierung
zeugenden Demonstrationen" keine Störung erleiden mögen. Ferner werden dem
Theaterdirector Friese die contractmäßig von jeder Vorstellung zu zahlenden 4
Gulden Münze für die deutschen Vorstellungen erlassen, und die durch
den Rückstand dieser Taxe entstandene beträchtliche Schuld des Directors als getilgt
erklärt. Wie es heißt, wird der Herr General im Falle der Renitenz täglich
einen Theil der Klansenbnrger Bevölkerung in's Theater commandiren.
Dies soll uur eine schwache Schilderung von unseren Zuständen sein, wie sie
am Ende des Jahres 1850 gestaltet waren; vollständig kann sie uur die unmit¬
telbare Anschauung geben.
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