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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Vieh für den doppelten Preis zurückgekauft erhielt, als er es an den Kupetz
verkauft hatte. Nach drei Tagen kaufte ein Jude vou ihm ein Paar Häute für
4V Gulden Wiener Währung.

Um unseren Jammer vollständig zu machen, schickte uns die Vorsehung eine
Necnttiruug. Officiell wurden von den 76 Tausend Mann, welche aufgehoben
werden sollten, 16 Tausend ans das Kronland Ungarn repartirt; als Beispiel,
wie viel man eigentlich unter den 16 Tausend versteht, will ich nur die Stadt
Pesth anführen. Wenn wir in dem Kronlande 10,000,000 Einwohner annehmen,
so dürste dies das Maximum sein; repartiren wir die angegebenen 16,000 auf
diese Zahl, so ergibt sich ans einmal hunderttausend Einwohner -- Pesth hat
nach der neuesten Zählung nnr 87 Tausend -- die Zahl 160, und dennoch
müssen wir 240 Mann stellen. Aber auch damit begnügt man sich nicbt, sondern
hans't in dem unglücklichen Lande ganz nach russischer Methode. In dem Mini-
sterialbefehl wegen der Recrntenanshebnng war ausdrücklich darauf hingewiesen,
der gewesenen, und etwa uoch übrigen Houv^d besonders zu gedenken, und un¬
sere Gendarmen und Beamten sind in derartigen Dingen sehr zuverlässig. Alle
Komoruer Capitulauteu, oder solche Individuen, die während des'Krieges in ir¬
gend einer Festung, oder gegen Ranzen nuk Walachen Natioualgardeudieuste gethan
haben, werden aus den Armen ihrer Familien gerissen, und zur "großen Armee"
entsendet. Daß aber selbst ganz schuldlose Individuen nicht sicher sind, kann
folgende hier stadtkundige Thatsache bezeugen. Vor einigen Tagen gehen zwei
Gehilfen eines hiesigen bekannten Großhaudluugöhauses von einem öffentlichen
Belnstignngsorte, wo sie ihr Abendbrod eingenommen hatten, nach ihrer Woh¬
nung. Auf dein Wege -- es war noch nicht 10 Uhr Abends -- werden sie
von einer Rotte Gendarmen angehalten, ohne alle Umstände nach einem gewissen
Amte abgeführt und -- erscheinen des Morgens nicht wieder in dem Comptoir
ihres Herrn. Dieser, in der Meinung, seine Leute wären vielleicht wegen eines
polizeilichen Vergehens -- und dessen kauu man sich jetzt bei uns durch Pfeifen,
Singen, ja durch ungebührliches Husten oder Niesen sehr leicht schuldig
machen -- eingesteckt worden, stellte alle diesfällige Erkundigungen an, doch sie
waren fruchtlos, und der Herr wie die Anverwandten der jungen Leute betrachteten
diese schon als Opfer eines bei uns gar nicht seltenen Nanbanfalls auf offener
Straße, als der Haudlnngsherr nach einigen Tagen ans einer nördlichen Grenzstadt
ein kleines mit Bleistift geschriebenes Briefchen erhält, in welchem einer der Ver¬
lorenen ihm anzeigt, daß es ihm gelungen sei, trotz der strengsten Ueberwachung
sich die Gelegenheit zur Ausfertigung dieses Schreibens zu verschaffen. Ans dem
fernern Inhalt erfährt der Haudluugsherr, daß seiue Bediensteten bereits assen-
tirt, und auf dem Transport nach Italien begriffen seien, wo sie ihren resp.
Regimentern eingereiht werdeu sollen. Die besagten Individuen haben sich we¬
der mit den Waffen noch sonstwie an der Revolution betheiligt. Auch aus der


Vieh für den doppelten Preis zurückgekauft erhielt, als er es an den Kupetz
verkauft hatte. Nach drei Tagen kaufte ein Jude vou ihm ein Paar Häute für
4V Gulden Wiener Währung.

Um unseren Jammer vollständig zu machen, schickte uns die Vorsehung eine
Necnttiruug. Officiell wurden von den 76 Tausend Mann, welche aufgehoben
werden sollten, 16 Tausend ans das Kronland Ungarn repartirt; als Beispiel,
wie viel man eigentlich unter den 16 Tausend versteht, will ich nur die Stadt
Pesth anführen. Wenn wir in dem Kronlande 10,000,000 Einwohner annehmen,
so dürste dies das Maximum sein; repartiren wir die angegebenen 16,000 auf
diese Zahl, so ergibt sich ans einmal hunderttausend Einwohner — Pesth hat
nach der neuesten Zählung nnr 87 Tausend — die Zahl 160, und dennoch
müssen wir 240 Mann stellen. Aber auch damit begnügt man sich nicbt, sondern
hans't in dem unglücklichen Lande ganz nach russischer Methode. In dem Mini-
sterialbefehl wegen der Recrntenanshebnng war ausdrücklich darauf hingewiesen,
der gewesenen, und etwa uoch übrigen Houv^d besonders zu gedenken, und un¬
sere Gendarmen und Beamten sind in derartigen Dingen sehr zuverlässig. Alle
Komoruer Capitulauteu, oder solche Individuen, die während des'Krieges in ir¬
gend einer Festung, oder gegen Ranzen nuk Walachen Natioualgardeudieuste gethan
haben, werden aus den Armen ihrer Familien gerissen, und zur „großen Armee"
entsendet. Daß aber selbst ganz schuldlose Individuen nicht sicher sind, kann
folgende hier stadtkundige Thatsache bezeugen. Vor einigen Tagen gehen zwei
Gehilfen eines hiesigen bekannten Großhaudluugöhauses von einem öffentlichen
Belnstignngsorte, wo sie ihr Abendbrod eingenommen hatten, nach ihrer Woh¬
nung. Auf dein Wege — es war noch nicht 10 Uhr Abends — werden sie
von einer Rotte Gendarmen angehalten, ohne alle Umstände nach einem gewissen
Amte abgeführt und — erscheinen des Morgens nicht wieder in dem Comptoir
ihres Herrn. Dieser, in der Meinung, seine Leute wären vielleicht wegen eines
polizeilichen Vergehens — und dessen kauu man sich jetzt bei uns durch Pfeifen,
Singen, ja durch ungebührliches Husten oder Niesen sehr leicht schuldig
machen — eingesteckt worden, stellte alle diesfällige Erkundigungen an, doch sie
waren fruchtlos, und der Herr wie die Anverwandten der jungen Leute betrachteten
diese schon als Opfer eines bei uns gar nicht seltenen Nanbanfalls auf offener
Straße, als der Haudlnngsherr nach einigen Tagen ans einer nördlichen Grenzstadt
ein kleines mit Bleistift geschriebenes Briefchen erhält, in welchem einer der Ver¬
lorenen ihm anzeigt, daß es ihm gelungen sei, trotz der strengsten Ueberwachung
sich die Gelegenheit zur Ausfertigung dieses Schreibens zu verschaffen. Ans dem
fernern Inhalt erfährt der Haudluugsherr, daß seiue Bediensteten bereits assen-
tirt, und auf dem Transport nach Italien begriffen seien, wo sie ihren resp.
Regimentern eingereiht werdeu sollen. Die besagten Individuen haben sich we¬
der mit den Waffen noch sonstwie an der Revolution betheiligt. Auch aus der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/503>, abgerufen am 22.07.2024.