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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Die Beamtenschaft des Comitats bestand aus folgenden Individuen:

1) Ein Obergespann, der in manchen Comitaten stets das älteste Mitglied
einer gewissen Familie oder der Träger einer gewissen Würde war, in den meisten
aber von dem Könige ans lebenslänglich ernannt wurde. Dieser bildete das Ver-
bindnngsorgan zwischen der Negierung und dem Municipinm. An ihn wurden
die der Comitatsversammlnng vorzulegenden Negiernngsrescripte entsendet; er
präsidirte bei diesen Versammlungen, und legte bei den Wahlen die Candidaten-
listen vor. Dieses Amt wurde durch den Umstand, daß die Obergespänne nur
gering besoldet waren (150l) Gulden jährlich) und die dazu ernannten hohen
Aristokraten meist andere, ihre Thätigkeit in Auspruch nehmende Aemter beklei¬
deten, zu einer den Besitzer hochehrenden, aber ihm wenig Macht verleihenden
Würde.

2) Der erste und zweite Vicegespann. Der erste Vicegespann war die
eigentliche Seele des Comitats. Er vertrat in Abwesenheit des Obergespanns
vollkommen dessen Stelle, war Präses des obersten Gerichtshofs des Comitats
und hatte die oberste Leitung aller Verwaltungszweige. Nur der Vicegespann
konnte Reisepässe in die kaiserlichen Erbländer ertheilen.

3) Die Ober- und Uuterstuhlrichler, welche uach der Größe des Comitats
und dessen Eintheilung in Sessionen (lar-is) je 4--6 an der Zahl waren. Diese
konnten mit Recht die Lebensadern des Municipalkörpers genannt werden, denn
durch sie gingen die Verordnungen und Satzungen der Comitatsversammlnng in
das Leben des Volkes über, und kamen die Anforderungen und Beschwerden von
da wieder zurück. Zum Amte des Stnhlrichters gehörten: .2) die Befehle der
Statthalterci und der Comitatsversammlungen currentiren zu lassen und über
deren Befolgung vou Seiten der Ortsvorsteher und der Bevölkerung zu wachen;
b) Die Volksconscription, so wie die Conscription der wahlfähigen adeligen Ein¬
wohner des Comitats; e) die Aufsicht über die Repartirnng der vom Comitate
ans einzelne Ortschaften ausgeworfenen Steuersummen unter den einzelnen Ein¬
wohnern; d) die Eincassirnng der vom Landtage bestimmten freiwilligen Subsidien
des Adels für die Regierung; e) die Aufsicht über Brücken-, Straßen- und Dämme¬
bau; f) das Sarnath- und Polizeiwesen, wozu auch das Ertheiler von Pässen für
das Inland gehörte; x) Verpflegung und Einquartierung der Soldaten.

Dem Stuhlrichter wurde ein Adjunct unter dem Namen Inrassor (esKiM)
beigefügt, der ihn in seinem schweren Amte unterstützte, und mit diesem bildete
der Stuhlrichter in gewissen Rechtsakten einen Gerichtshof erster Instanz; beide
nahmen Theil an den Patrimonialgerichtssitznngen (Herrenstühle) und wurden über¬
haupt in Criminal- und audern Untersuchungen als beglaubigte Personen be¬
trachtet.

4) Zwei Ober- und mehrere Unterstenereinnehmer, welche die Abgaben des
steuerpflichtigen Volkes einzucassiren hatten.


Die Beamtenschaft des Comitats bestand aus folgenden Individuen:

1) Ein Obergespann, der in manchen Comitaten stets das älteste Mitglied
einer gewissen Familie oder der Träger einer gewissen Würde war, in den meisten
aber von dem Könige ans lebenslänglich ernannt wurde. Dieser bildete das Ver-
bindnngsorgan zwischen der Negierung und dem Municipinm. An ihn wurden
die der Comitatsversammlnng vorzulegenden Negiernngsrescripte entsendet; er
präsidirte bei diesen Versammlungen, und legte bei den Wahlen die Candidaten-
listen vor. Dieses Amt wurde durch den Umstand, daß die Obergespänne nur
gering besoldet waren (150l) Gulden jährlich) und die dazu ernannten hohen
Aristokraten meist andere, ihre Thätigkeit in Auspruch nehmende Aemter beklei¬
deten, zu einer den Besitzer hochehrenden, aber ihm wenig Macht verleihenden
Würde.

2) Der erste und zweite Vicegespann. Der erste Vicegespann war die
eigentliche Seele des Comitats. Er vertrat in Abwesenheit des Obergespanns
vollkommen dessen Stelle, war Präses des obersten Gerichtshofs des Comitats
und hatte die oberste Leitung aller Verwaltungszweige. Nur der Vicegespann
konnte Reisepässe in die kaiserlichen Erbländer ertheilen.

3) Die Ober- und Uuterstuhlrichler, welche uach der Größe des Comitats
und dessen Eintheilung in Sessionen (lar-is) je 4—6 an der Zahl waren. Diese
konnten mit Recht die Lebensadern des Municipalkörpers genannt werden, denn
durch sie gingen die Verordnungen und Satzungen der Comitatsversammlnng in
das Leben des Volkes über, und kamen die Anforderungen und Beschwerden von
da wieder zurück. Zum Amte des Stnhlrichters gehörten: .2) die Befehle der
Statthalterci und der Comitatsversammlungen currentiren zu lassen und über
deren Befolgung vou Seiten der Ortsvorsteher und der Bevölkerung zu wachen;
b) Die Volksconscription, so wie die Conscription der wahlfähigen adeligen Ein¬
wohner des Comitats; e) die Aufsicht über die Repartirnng der vom Comitate
ans einzelne Ortschaften ausgeworfenen Steuersummen unter den einzelnen Ein¬
wohnern; d) die Eincassirnng der vom Landtage bestimmten freiwilligen Subsidien
des Adels für die Regierung; e) die Aufsicht über Brücken-, Straßen- und Dämme¬
bau; f) das Sarnath- und Polizeiwesen, wozu auch das Ertheiler von Pässen für
das Inland gehörte; x) Verpflegung und Einquartierung der Soldaten.

Dem Stuhlrichter wurde ein Adjunct unter dem Namen Inrassor (esKiM)
beigefügt, der ihn in seinem schweren Amte unterstützte, und mit diesem bildete
der Stuhlrichter in gewissen Rechtsakten einen Gerichtshof erster Instanz; beide
nahmen Theil an den Patrimonialgerichtssitznngen (Herrenstühle) und wurden über¬
haupt in Criminal- und audern Untersuchungen als beglaubigte Personen be¬
trachtet.

4) Zwei Ober- und mehrere Unterstenereinnehmer, welche die Abgaben des
steuerpflichtigen Volkes einzucassiren hatten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/50>, abgerufen am 22.07.2024.