Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

im Felde, ja selbst im schmutzigsten Bivouak, erscheint der preußische Soldat so
reinlich und ordentlich wie möglich, so daß er hierin im Allgemeinen die Truppen
aller übrigen deutschen Kontingente ohne Ausnahme weit übertrifft. Und dabei
ist in Preußen die Löhnung verhältnißmäßig die niedrigste in ganz Deutschland,
und der Soldat dieses Staates, mit Ausnahme der Stabsofsicierstelleu, die ganz
unverhältnißmäßig hoch bezahlt werden, erhält weniger als in den meisten andern
Staaten. Das sehr gesteigerte Ehrgefühl bewirkt anch, daß man, abgesehen von
aller politischen Ab- oder Zuneigung, die preußischen Soldaten am Liebsten als
Einquartierung nimmt, die sich als solche stets das beste Lob erwerben. Ueberall
in ganz Deutschland, in Schleswig-Holstein wie in Sachsen und Baden, wird
man im Allgemeinen, denn vielfache Ausnahmen kommen natürlich vor, den preu¬
ßische" Soldaten das Prädikat, daß sie die angenehmste, am Leichtesten zufriedenzu¬
stellende Einquartierung siud, gerne ertheilen. Ist man gegen dieselben von
Seiten der Wirthsleute nur artig und höflich, denn darauf sehen sie viel, so sind
sie mit Allem zufrieden und begnügen sich gerne mit sehr mäßigen Quartieren
und Speisen, sobald sie sehen, daß ihnen die Umstände keine besseren gestatten.
Die Abneigung, die früher in Süddeutschland so häusig gegen Preußen herrschte,
und vou demokratischer, wie ultramontaner Seite noch künstlich gesteigert wurde,
ist in all den Gegenden, wo preußische Truppen längere Zeit gestanden haben,
grade in Folge des Betragens derselben, wesentlich vermindert. Daß bisweilen
dies gerechte Ehr- und Selbstgefühl des preußischen Soldaten in unangenehme, ja
sogar unleidliche Selbstüberschätzung ausartet, ist uicht zu leugnen. So halten
die preußischen Truppen wegen dieser Selbstüberschätzung nicht selten schlechte
Kameradschaft mit alleu ü rigen Deutschen und tragen gewöhnlich die Haupt¬
schuld darau. Wollte ein großen Theil deö preußischen Heeres, und gar
der Officiere desselben, seine unleugbar großen Vorzüge nicht selbst so übermä¬
ßig loben und rühmen, man wäre in ganz Deutschland viel geneigter, dies zu
thun, als es jetzt oft uoch geschieht. Dies Nuhmredeu, in welches der preußische
Soldat aller Grade häufig verfällt, ist entschieden sein größter Fehler. Wir
haben in Holstein wie in Baden vielfache Gelegenheit gehabt, uus von der
Nichtigkeit dieser Behauptung zu überzeugen.

Daß mau, wie bei den Soldaten, so anch bei den Unterofficieren und Offi-
cieren, in Preußen Alles anwendet, um ihr Ehrgefühl zu steigern, läßt sich deu¬
ten. Die Unterofficiere werden nur mäßig bezahlt und sehr angestrengt, aber
sonst anständig behandelt und uach 10- (?) jähriger tadelloser Dienstzeit größten¬
teils in Civilstcllen versorgt. Es herrscht viel Bildung, Gesittung und nament¬
lich äußerer Anstand uuter denselben, und mau trifft besouders in neuerer Zeit
viele so geistig gebildete und anständige Männer in der Classe der gewöhnlichen
Unterofficiere, daß sie für jeden Gesellschaftskreis passen würden. Zu Officiers-
stellen der Linie wurden früher Unterofficiere, die nicht schon gleich von vorn-


Grenzboten. IV. 1850. 124

im Felde, ja selbst im schmutzigsten Bivouak, erscheint der preußische Soldat so
reinlich und ordentlich wie möglich, so daß er hierin im Allgemeinen die Truppen
aller übrigen deutschen Kontingente ohne Ausnahme weit übertrifft. Und dabei
ist in Preußen die Löhnung verhältnißmäßig die niedrigste in ganz Deutschland,
und der Soldat dieses Staates, mit Ausnahme der Stabsofsicierstelleu, die ganz
unverhältnißmäßig hoch bezahlt werden, erhält weniger als in den meisten andern
Staaten. Das sehr gesteigerte Ehrgefühl bewirkt anch, daß man, abgesehen von
aller politischen Ab- oder Zuneigung, die preußischen Soldaten am Liebsten als
Einquartierung nimmt, die sich als solche stets das beste Lob erwerben. Ueberall
in ganz Deutschland, in Schleswig-Holstein wie in Sachsen und Baden, wird
man im Allgemeinen, denn vielfache Ausnahmen kommen natürlich vor, den preu¬
ßische« Soldaten das Prädikat, daß sie die angenehmste, am Leichtesten zufriedenzu¬
stellende Einquartierung siud, gerne ertheilen. Ist man gegen dieselben von
Seiten der Wirthsleute nur artig und höflich, denn darauf sehen sie viel, so sind
sie mit Allem zufrieden und begnügen sich gerne mit sehr mäßigen Quartieren
und Speisen, sobald sie sehen, daß ihnen die Umstände keine besseren gestatten.
Die Abneigung, die früher in Süddeutschland so häusig gegen Preußen herrschte,
und vou demokratischer, wie ultramontaner Seite noch künstlich gesteigert wurde,
ist in all den Gegenden, wo preußische Truppen längere Zeit gestanden haben,
grade in Folge des Betragens derselben, wesentlich vermindert. Daß bisweilen
dies gerechte Ehr- und Selbstgefühl des preußischen Soldaten in unangenehme, ja
sogar unleidliche Selbstüberschätzung ausartet, ist uicht zu leugnen. So halten
die preußischen Truppen wegen dieser Selbstüberschätzung nicht selten schlechte
Kameradschaft mit alleu ü rigen Deutschen und tragen gewöhnlich die Haupt¬
schuld darau. Wollte ein großen Theil deö preußischen Heeres, und gar
der Officiere desselben, seine unleugbar großen Vorzüge nicht selbst so übermä¬
ßig loben und rühmen, man wäre in ganz Deutschland viel geneigter, dies zu
thun, als es jetzt oft uoch geschieht. Dies Nuhmredeu, in welches der preußische
Soldat aller Grade häufig verfällt, ist entschieden sein größter Fehler. Wir
haben in Holstein wie in Baden vielfache Gelegenheit gehabt, uus von der
Nichtigkeit dieser Behauptung zu überzeugen.

Daß mau, wie bei den Soldaten, so anch bei den Unterofficieren und Offi-
cieren, in Preußen Alles anwendet, um ihr Ehrgefühl zu steigern, läßt sich deu¬
ten. Die Unterofficiere werden nur mäßig bezahlt und sehr angestrengt, aber
sonst anständig behandelt und uach 10- (?) jähriger tadelloser Dienstzeit größten¬
teils in Civilstcllen versorgt. Es herrscht viel Bildung, Gesittung und nament¬
lich äußerer Anstand uuter denselben, und mau trifft besouders in neuerer Zeit
viele so geistig gebildete und anständige Männer in der Classe der gewöhnlichen
Unterofficiere, daß sie für jeden Gesellschaftskreis passen würden. Zu Officiers-
stellen der Linie wurden früher Unterofficiere, die nicht schon gleich von vorn-


Grenzboten. IV. 1850. 124
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0473" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92762"/>
          <p xml:id="ID_1525" prev="#ID_1524"> im Felde, ja selbst im schmutzigsten Bivouak, erscheint der preußische Soldat so<lb/>
reinlich und ordentlich wie möglich, so daß er hierin im Allgemeinen die Truppen<lb/>
aller übrigen deutschen Kontingente ohne Ausnahme weit übertrifft.  Und dabei<lb/>
ist in Preußen die Löhnung verhältnißmäßig die niedrigste in ganz Deutschland,<lb/>
und der Soldat dieses Staates, mit Ausnahme der Stabsofsicierstelleu, die ganz<lb/>
unverhältnißmäßig hoch bezahlt werden, erhält weniger als in den meisten andern<lb/>
Staaten.  Das sehr gesteigerte Ehrgefühl bewirkt anch, daß man, abgesehen von<lb/>
aller politischen Ab- oder Zuneigung, die preußischen Soldaten am Liebsten als<lb/>
Einquartierung nimmt, die sich als solche stets das beste Lob erwerben. Ueberall<lb/>
in ganz Deutschland, in Schleswig-Holstein wie in Sachsen und Baden, wird<lb/>
man im Allgemeinen, denn vielfache Ausnahmen kommen natürlich vor, den preu¬<lb/>
ßische« Soldaten das Prädikat, daß sie die angenehmste, am Leichtesten zufriedenzu¬<lb/>
stellende Einquartierung siud, gerne ertheilen.  Ist man gegen dieselben von<lb/>
Seiten der Wirthsleute nur artig und höflich, denn darauf sehen sie viel, so sind<lb/>
sie mit Allem zufrieden und begnügen sich gerne mit sehr mäßigen Quartieren<lb/>
und Speisen, sobald sie sehen, daß ihnen die Umstände keine besseren gestatten.<lb/>
Die Abneigung, die früher in Süddeutschland so häusig gegen Preußen herrschte,<lb/>
und vou demokratischer, wie ultramontaner Seite noch künstlich gesteigert wurde,<lb/>
ist in all den Gegenden, wo preußische Truppen längere Zeit gestanden haben,<lb/>
grade in Folge des Betragens derselben, wesentlich vermindert.  Daß bisweilen<lb/>
dies gerechte Ehr- und Selbstgefühl des preußischen Soldaten in unangenehme, ja<lb/>
sogar unleidliche Selbstüberschätzung ausartet, ist uicht zu leugnen.  So halten<lb/>
die preußischen Truppen wegen dieser Selbstüberschätzung nicht selten schlechte<lb/>
Kameradschaft mit alleu ü rigen Deutschen und tragen gewöhnlich die Haupt¬<lb/>
schuld darau.  Wollte ein großen Theil deö preußischen Heeres, und gar<lb/>
der Officiere desselben, seine unleugbar großen Vorzüge nicht selbst so übermä¬<lb/>
ßig loben und rühmen, man wäre in ganz Deutschland viel geneigter, dies zu<lb/>
thun, als es jetzt oft uoch geschieht. Dies Nuhmredeu, in welches der preußische<lb/>
Soldat aller Grade häufig verfällt, ist entschieden sein größter Fehler. Wir<lb/>
haben in Holstein wie in Baden vielfache Gelegenheit gehabt, uus von der<lb/>
Nichtigkeit dieser Behauptung zu überzeugen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1526" next="#ID_1527"> Daß mau, wie bei den Soldaten, so anch bei den Unterofficieren und Offi-<lb/>
cieren, in Preußen Alles anwendet, um ihr Ehrgefühl zu steigern, läßt sich deu¬<lb/>
ten. Die Unterofficiere werden nur mäßig bezahlt und sehr angestrengt, aber<lb/>
sonst anständig behandelt und uach 10- (?) jähriger tadelloser Dienstzeit größten¬<lb/>
teils in Civilstcllen versorgt. Es herrscht viel Bildung, Gesittung und nament¬<lb/>
lich äußerer Anstand uuter denselben, und mau trifft besouders in neuerer Zeit<lb/>
viele so geistig gebildete und anständige Männer in der Classe der gewöhnlichen<lb/>
Unterofficiere, daß sie für jeden Gesellschaftskreis passen würden. Zu Officiers-<lb/>
stellen der Linie wurden früher Unterofficiere, die nicht schon gleich von vorn-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV. 1850. 124</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0473] im Felde, ja selbst im schmutzigsten Bivouak, erscheint der preußische Soldat so reinlich und ordentlich wie möglich, so daß er hierin im Allgemeinen die Truppen aller übrigen deutschen Kontingente ohne Ausnahme weit übertrifft. Und dabei ist in Preußen die Löhnung verhältnißmäßig die niedrigste in ganz Deutschland, und der Soldat dieses Staates, mit Ausnahme der Stabsofsicierstelleu, die ganz unverhältnißmäßig hoch bezahlt werden, erhält weniger als in den meisten andern Staaten. Das sehr gesteigerte Ehrgefühl bewirkt anch, daß man, abgesehen von aller politischen Ab- oder Zuneigung, die preußischen Soldaten am Liebsten als Einquartierung nimmt, die sich als solche stets das beste Lob erwerben. Ueberall in ganz Deutschland, in Schleswig-Holstein wie in Sachsen und Baden, wird man im Allgemeinen, denn vielfache Ausnahmen kommen natürlich vor, den preu¬ ßische« Soldaten das Prädikat, daß sie die angenehmste, am Leichtesten zufriedenzu¬ stellende Einquartierung siud, gerne ertheilen. Ist man gegen dieselben von Seiten der Wirthsleute nur artig und höflich, denn darauf sehen sie viel, so sind sie mit Allem zufrieden und begnügen sich gerne mit sehr mäßigen Quartieren und Speisen, sobald sie sehen, daß ihnen die Umstände keine besseren gestatten. Die Abneigung, die früher in Süddeutschland so häusig gegen Preußen herrschte, und vou demokratischer, wie ultramontaner Seite noch künstlich gesteigert wurde, ist in all den Gegenden, wo preußische Truppen längere Zeit gestanden haben, grade in Folge des Betragens derselben, wesentlich vermindert. Daß bisweilen dies gerechte Ehr- und Selbstgefühl des preußischen Soldaten in unangenehme, ja sogar unleidliche Selbstüberschätzung ausartet, ist uicht zu leugnen. So halten die preußischen Truppen wegen dieser Selbstüberschätzung nicht selten schlechte Kameradschaft mit alleu ü rigen Deutschen und tragen gewöhnlich die Haupt¬ schuld darau. Wollte ein großen Theil deö preußischen Heeres, und gar der Officiere desselben, seine unleugbar großen Vorzüge nicht selbst so übermä¬ ßig loben und rühmen, man wäre in ganz Deutschland viel geneigter, dies zu thun, als es jetzt oft uoch geschieht. Dies Nuhmredeu, in welches der preußische Soldat aller Grade häufig verfällt, ist entschieden sein größter Fehler. Wir haben in Holstein wie in Baden vielfache Gelegenheit gehabt, uus von der Nichtigkeit dieser Behauptung zu überzeugen. Daß mau, wie bei den Soldaten, so anch bei den Unterofficieren und Offi- cieren, in Preußen Alles anwendet, um ihr Ehrgefühl zu steigern, läßt sich deu¬ ten. Die Unterofficiere werden nur mäßig bezahlt und sehr angestrengt, aber sonst anständig behandelt und uach 10- (?) jähriger tadelloser Dienstzeit größten¬ teils in Civilstcllen versorgt. Es herrscht viel Bildung, Gesittung und nament¬ lich äußerer Anstand uuter denselben, und mau trifft besouders in neuerer Zeit viele so geistig gebildete und anständige Männer in der Classe der gewöhnlichen Unterofficiere, daß sie für jeden Gesellschaftskreis passen würden. Zu Officiers- stellen der Linie wurden früher Unterofficiere, die nicht schon gleich von vorn- Grenzboten. IV. 1850. 124

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/473
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/473>, abgerufen am 22.07.2024.