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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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die befohlene Anrede jedes Soldaten ohne Ausnahme mit "Sie" zählen. Schon
in jener Zeit, wo außer in der französischen Armee der Stock in allen Heeren
Europa's herrschte, ward in Preußen jede körperliche Strafe der unbescholtenen
Gemeinen aufgehoben. Der preußische Soldat darf weder geschlagen noch sonst
mit einer körperlichen Strafe oder Mißhandlung belegt, ja selbst nach einem
strengen Gebot der letzten Zeit mit keinem Schimpf- oder Fluchworte mehr belei-
digt werden. Wenn ein Officier selbst im Eifer des Exercirens den ungeschickten
Recruten etwa mit "Schafskopf" oder ähnlichem Schimpfworte demeuree, oder ihn
gar unsanft anfaßte, so würde er auf Anzeige davon ganz entschieden mit einem
sehr strengen Verweis, ja sogar mit Arrest bestraft werden.

Die Strafen, welche den Soldaten treffen dürfen, siud Verweis uuter vier
Augen, oder wenn schärfer, vor seineu Kameraden, nachexerciren, Strafwachen,
häufiges Erscheinen mit gepaltem Tornister, Kasernenarrest, Mittelarrest und end¬
lich strenger Arrest in dunkelem Local und abwechselnd bei Wasser und Brod.
Wer wegen grober gemeiner Vergehen durch ein Kriegsgericht in die zweite Classe
des Soldatenstandes versetzt ist, kaun erforderlichen Falls dann später zu körper¬
lichen Strafen verurtheilt werdeu. Aeußerlich unterscheidet sich der Soldat II.
Classe übrigens von seinen Kameraden dadurch, daß ihm die preußische Cocarde,
die jeder Soldat an seiner Kopfbedeckung trägt, fehlt. Eine Versetzung aus der
II. Classe in die I. zurück, kann nur erfolgen, wenn der Degradirte durch mchr-
monatliches musterhaftes Betragen seine Besserung zeigt, und seiue Kameraden
von der Compagnie, Batterie oder Schwadron, dnrch eine förmliche Bitte darum
nachsuchen, daß er wieder ganz zu ihnen gehören dürfe. Aber auch auf jede
mögliche audere Weise wird darauf hingearbeitet, das Ehrgefühl des Soldaten zu
erhöhen und ihm Achtung vor seinem Stande einzuflößen. Alle Roheiten
und Excesse der Soldaten werden äußerst strenge bestraft, ja in deu meisten
preußischen Regimentern wachen die Leute nnter sich selbst darüber, daß keine Ro¬
heiten vorkommen und bestrafen jede Übertretung davon nnter sich auf sehr em¬
pfindliche Weise. Wissen wir doch zum Beispiel, daß, als ein preußische,
Soldat in trunkenem Zustand ein Glas in einem Wirthshause entzweigeschlagen hatte,
seiue Kameraden am anderen Tage eigens zu dem Wirthe gingen, um Ent¬
schuldigung baten, deu Schaden bezahlten und sagten, der Thäter sei dadurch be¬
straft, daß Keiner vou ihnen einen ganzen Monat auch nur ein Wort mit ihm
sprechen würde. Auf äußeren Anstand, und namentlich ordentliche, reinliche ja
selbst zierliche Kleidung wird der preußische Soldat viel halten und schon seine
Kameraden werden im Interesse ihres Regiments nicht dulden, daß Einer der
ihren sich grobe VerUachlässiguug hierin zu Schulden kommen lasse. Der ärmste
Recrut wird so lauge sparen und lieber trockenes Brod essen, bis er sich ein paar
lederne weiße Handschuhe zum sonntäglichen Spaziergang, ein gutes Taschentuch
und wo möglich eine seine Halsbinde angeschafft hat.?" Auch auf denk Marsche,


die befohlene Anrede jedes Soldaten ohne Ausnahme mit „Sie" zählen. Schon
in jener Zeit, wo außer in der französischen Armee der Stock in allen Heeren
Europa's herrschte, ward in Preußen jede körperliche Strafe der unbescholtenen
Gemeinen aufgehoben. Der preußische Soldat darf weder geschlagen noch sonst
mit einer körperlichen Strafe oder Mißhandlung belegt, ja selbst nach einem
strengen Gebot der letzten Zeit mit keinem Schimpf- oder Fluchworte mehr belei-
digt werden. Wenn ein Officier selbst im Eifer des Exercirens den ungeschickten
Recruten etwa mit „Schafskopf" oder ähnlichem Schimpfworte demeuree, oder ihn
gar unsanft anfaßte, so würde er auf Anzeige davon ganz entschieden mit einem
sehr strengen Verweis, ja sogar mit Arrest bestraft werden.

Die Strafen, welche den Soldaten treffen dürfen, siud Verweis uuter vier
Augen, oder wenn schärfer, vor seineu Kameraden, nachexerciren, Strafwachen,
häufiges Erscheinen mit gepaltem Tornister, Kasernenarrest, Mittelarrest und end¬
lich strenger Arrest in dunkelem Local und abwechselnd bei Wasser und Brod.
Wer wegen grober gemeiner Vergehen durch ein Kriegsgericht in die zweite Classe
des Soldatenstandes versetzt ist, kaun erforderlichen Falls dann später zu körper¬
lichen Strafen verurtheilt werdeu. Aeußerlich unterscheidet sich der Soldat II.
Classe übrigens von seinen Kameraden dadurch, daß ihm die preußische Cocarde,
die jeder Soldat an seiner Kopfbedeckung trägt, fehlt. Eine Versetzung aus der
II. Classe in die I. zurück, kann nur erfolgen, wenn der Degradirte durch mchr-
monatliches musterhaftes Betragen seine Besserung zeigt, und seiue Kameraden
von der Compagnie, Batterie oder Schwadron, dnrch eine förmliche Bitte darum
nachsuchen, daß er wieder ganz zu ihnen gehören dürfe. Aber auch auf jede
mögliche audere Weise wird darauf hingearbeitet, das Ehrgefühl des Soldaten zu
erhöhen und ihm Achtung vor seinem Stande einzuflößen. Alle Roheiten
und Excesse der Soldaten werden äußerst strenge bestraft, ja in deu meisten
preußischen Regimentern wachen die Leute nnter sich selbst darüber, daß keine Ro¬
heiten vorkommen und bestrafen jede Übertretung davon nnter sich auf sehr em¬
pfindliche Weise. Wissen wir doch zum Beispiel, daß, als ein preußische,
Soldat in trunkenem Zustand ein Glas in einem Wirthshause entzweigeschlagen hatte,
seiue Kameraden am anderen Tage eigens zu dem Wirthe gingen, um Ent¬
schuldigung baten, deu Schaden bezahlten und sagten, der Thäter sei dadurch be¬
straft, daß Keiner vou ihnen einen ganzen Monat auch nur ein Wort mit ihm
sprechen würde. Auf äußeren Anstand, und namentlich ordentliche, reinliche ja
selbst zierliche Kleidung wird der preußische Soldat viel halten und schon seine
Kameraden werden im Interesse ihres Regiments nicht dulden, daß Einer der
ihren sich grobe VerUachlässiguug hierin zu Schulden kommen lasse. Der ärmste
Recrut wird so lauge sparen und lieber trockenes Brod essen, bis er sich ein paar
lederne weiße Handschuhe zum sonntäglichen Spaziergang, ein gutes Taschentuch
und wo möglich eine seine Halsbinde angeschafft hat.?" Auch auf denk Marsche,


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[0472] die befohlene Anrede jedes Soldaten ohne Ausnahme mit „Sie" zählen. Schon in jener Zeit, wo außer in der französischen Armee der Stock in allen Heeren Europa's herrschte, ward in Preußen jede körperliche Strafe der unbescholtenen Gemeinen aufgehoben. Der preußische Soldat darf weder geschlagen noch sonst mit einer körperlichen Strafe oder Mißhandlung belegt, ja selbst nach einem strengen Gebot der letzten Zeit mit keinem Schimpf- oder Fluchworte mehr belei- digt werden. Wenn ein Officier selbst im Eifer des Exercirens den ungeschickten Recruten etwa mit „Schafskopf" oder ähnlichem Schimpfworte demeuree, oder ihn gar unsanft anfaßte, so würde er auf Anzeige davon ganz entschieden mit einem sehr strengen Verweis, ja sogar mit Arrest bestraft werden. Die Strafen, welche den Soldaten treffen dürfen, siud Verweis uuter vier Augen, oder wenn schärfer, vor seineu Kameraden, nachexerciren, Strafwachen, häufiges Erscheinen mit gepaltem Tornister, Kasernenarrest, Mittelarrest und end¬ lich strenger Arrest in dunkelem Local und abwechselnd bei Wasser und Brod. Wer wegen grober gemeiner Vergehen durch ein Kriegsgericht in die zweite Classe des Soldatenstandes versetzt ist, kaun erforderlichen Falls dann später zu körper¬ lichen Strafen verurtheilt werdeu. Aeußerlich unterscheidet sich der Soldat II. Classe übrigens von seinen Kameraden dadurch, daß ihm die preußische Cocarde, die jeder Soldat an seiner Kopfbedeckung trägt, fehlt. Eine Versetzung aus der II. Classe in die I. zurück, kann nur erfolgen, wenn der Degradirte durch mchr- monatliches musterhaftes Betragen seine Besserung zeigt, und seiue Kameraden von der Compagnie, Batterie oder Schwadron, dnrch eine förmliche Bitte darum nachsuchen, daß er wieder ganz zu ihnen gehören dürfe. Aber auch auf jede mögliche audere Weise wird darauf hingearbeitet, das Ehrgefühl des Soldaten zu erhöhen und ihm Achtung vor seinem Stande einzuflößen. Alle Roheiten und Excesse der Soldaten werden äußerst strenge bestraft, ja in deu meisten preußischen Regimentern wachen die Leute nnter sich selbst darüber, daß keine Ro¬ heiten vorkommen und bestrafen jede Übertretung davon nnter sich auf sehr em¬ pfindliche Weise. Wissen wir doch zum Beispiel, daß, als ein preußische, Soldat in trunkenem Zustand ein Glas in einem Wirthshause entzweigeschlagen hatte, seiue Kameraden am anderen Tage eigens zu dem Wirthe gingen, um Ent¬ schuldigung baten, deu Schaden bezahlten und sagten, der Thäter sei dadurch be¬ straft, daß Keiner vou ihnen einen ganzen Monat auch nur ein Wort mit ihm sprechen würde. Auf äußeren Anstand, und namentlich ordentliche, reinliche ja selbst zierliche Kleidung wird der preußische Soldat viel halten und schon seine Kameraden werden im Interesse ihres Regiments nicht dulden, daß Einer der ihren sich grobe VerUachlässiguug hierin zu Schulden kommen lasse. Der ärmste Recrut wird so lauge sparen und lieber trockenes Brod essen, bis er sich ein paar lederne weiße Handschuhe zum sonntäglichen Spaziergang, ein gutes Taschentuch und wo möglich eine seine Halsbinde angeschafft hat.?" Auch auf denk Marsche,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/472>, abgerufen am 22.07.2024.