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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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wer mit wachenden Augen diesen Jammer mit ansah, war stumpf dagegen und
versank bald wieder in sein stilles Brüten.

Als endlich der neue Tag anbrach, da lag ein Schmerz auf all den bleichen
fahlen Gesichtern, wie ich ihn noch nie gesehen. Alle Hoffnung war verschwunden,
man verlor fast deu Glauben an die Sache, da ein leicht erachtetes Unternehmen
einen so unglücklichen Erfolg gehabt hatte. Nur ein Mann war hier, der seinen
Muth bewahrt hatte, auf dessen Gesicht man zwar auch Kummer und Schmerz,
aber zugleich Kraft und Vertrauen lesen konnte, es war -- Heinrich von Gagern,
der umherging und in seiner freundlichen Weise sich an die einzelnen Soldaten
wandte und ihre Leiden anhörte. Schon hatten wir unsere brüllenden Kameraden
von gestern, die beiden 24-Pfüuder nach rückwärts an uns vorüberziehen sehen,
und kein anderes Gefühl war ihnen gefolgt, als die Hoffnung, daß auch wir bald
die warmen Quartiere des Dorfs aufsuchen dürften. Und als wir diesen Befehl
endlich erhielten, da ward auch uicht gezögert, souderu bald waren wir im Dorfe.
Manche warfen doch noch einen Blick rückwärts ans Friedrichstadt. Der Nebel
hatte steh dort eben verzogen, das Feuer war erloschen, aber das Herz wollte
einem brechen über dem traurigen Anblick, den die gestern noch so freundlich im
Sonnenschein glänzende Stadt jetzt darbot. Eine Kirche stand noch, aber ringsum
starrten häßliche, schwarze Mauerreste, selbst diese waren nicht überall, mitten
durch waren große Lücken gebrannt und geschossen, dnrch welche man das freie
Feld hinter der Stadt erblickte.




Ueber die preußische Armee.
Von einem nicht-preußischen Militär.

Die allgemeine Militärpflicht, die Jeden ohne Ausnahme zum Kriegsdienst
verpflichtet, ist ein Hauptvorzug der preußischen Armee. Das Soldatenkleid
ist hier ein Ehrenrock, den anch der Vornehmste steh nicht zu tragen schämt,
während da, wo die Stellvertretung erlaubt ist, und fast uur Individuen ans
den untersten Ständen ihn tragen, die Montur wenig Achtung im bürgerlichen
Leben genießt. Der Recrut ans dem Bauern- oder niedern Handwerkerstand
fühlt sich geehrt, wenn er sieht, daß der Sohn des Grafen oder reichen
Banquiers mit gleichem Nock und gleichen Rechten und Pflichten in Reih und
Glied ueben ihm steht. Seinem gebildeten, äußerlich gesitteten Kameraden mög¬
lichst in Gesittung und Anstand gleich zu kommeu, ist sein eifrigstes Bestrebe".
Aus solchem Wettstreit geht das anständige, ehrenhafte Betragen hervor, das
die preußischen Soldaten so rühmlich auszeichnet. Die Zeit der Dienstpflicht


wer mit wachenden Augen diesen Jammer mit ansah, war stumpf dagegen und
versank bald wieder in sein stilles Brüten.

Als endlich der neue Tag anbrach, da lag ein Schmerz auf all den bleichen
fahlen Gesichtern, wie ich ihn noch nie gesehen. Alle Hoffnung war verschwunden,
man verlor fast deu Glauben an die Sache, da ein leicht erachtetes Unternehmen
einen so unglücklichen Erfolg gehabt hatte. Nur ein Mann war hier, der seinen
Muth bewahrt hatte, auf dessen Gesicht man zwar auch Kummer und Schmerz,
aber zugleich Kraft und Vertrauen lesen konnte, es war — Heinrich von Gagern,
der umherging und in seiner freundlichen Weise sich an die einzelnen Soldaten
wandte und ihre Leiden anhörte. Schon hatten wir unsere brüllenden Kameraden
von gestern, die beiden 24-Pfüuder nach rückwärts an uns vorüberziehen sehen,
und kein anderes Gefühl war ihnen gefolgt, als die Hoffnung, daß auch wir bald
die warmen Quartiere des Dorfs aufsuchen dürften. Und als wir diesen Befehl
endlich erhielten, da ward auch uicht gezögert, souderu bald waren wir im Dorfe.
Manche warfen doch noch einen Blick rückwärts ans Friedrichstadt. Der Nebel
hatte steh dort eben verzogen, das Feuer war erloschen, aber das Herz wollte
einem brechen über dem traurigen Anblick, den die gestern noch so freundlich im
Sonnenschein glänzende Stadt jetzt darbot. Eine Kirche stand noch, aber ringsum
starrten häßliche, schwarze Mauerreste, selbst diese waren nicht überall, mitten
durch waren große Lücken gebrannt und geschossen, dnrch welche man das freie
Feld hinter der Stadt erblickte.




Ueber die preußische Armee.
Von einem nicht-preußischen Militär.

Die allgemeine Militärpflicht, die Jeden ohne Ausnahme zum Kriegsdienst
verpflichtet, ist ein Hauptvorzug der preußischen Armee. Das Soldatenkleid
ist hier ein Ehrenrock, den anch der Vornehmste steh nicht zu tragen schämt,
während da, wo die Stellvertretung erlaubt ist, und fast uur Individuen ans
den untersten Ständen ihn tragen, die Montur wenig Achtung im bürgerlichen
Leben genießt. Der Recrut ans dem Bauern- oder niedern Handwerkerstand
fühlt sich geehrt, wenn er sieht, daß der Sohn des Grafen oder reichen
Banquiers mit gleichem Nock und gleichen Rechten und Pflichten in Reih und
Glied ueben ihm steht. Seinem gebildeten, äußerlich gesitteten Kameraden mög¬
lichst in Gesittung und Anstand gleich zu kommeu, ist sein eifrigstes Bestrebe».
Aus solchem Wettstreit geht das anständige, ehrenhafte Betragen hervor, das
die preußischen Soldaten so rühmlich auszeichnet. Die Zeit der Dienstpflicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/470>, abgerufen am 22.07.2024.