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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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hier durch einen Einstich, der bis auf die Sohle unseres Grabens ging nud vou
diesem mit Wasser gefüllt war, durchschnitten, und so war'uus auch diese Hoff¬
nung genommen. Ohne Brückenmatcrial und ohne ein anderes Hilfsmittel,
diesen Graben zu passiren, hatten wir uur die Wahl, entweder hier zu bleiben,
um einen möglichen Ausfall der Dänen an dieser Seite zu verhindern, oder
zurückzugehen und um eine Verwendung an andere" Orten zu bitten. Beide
Meinungen wurden aus dem Haufen, der mit der militärischen Marschordnung
auch die Disciplin verloren zu haben schien, vorgebracht, und schou erhob sich
mitten unter den pfeifenden Kugeln eine Debatte, als der Commandeur sie durch
den Befehl zum Zurückgehen abschnitt.

Hinter der Schanze, in der wir am Tage gelegen hatten, sammelte und
ordnete sich unser Zug wieder. Dort merkten wir aus den unzufriedenen Gesichten:
und einzelnen Aeußerungen der höheren Ofstciere, wie die Sache nicht den erwarte¬
ten Erfolg habe, wie auf dem linken Flügel die Sturmcolouueu weit größere
Schwierigkeiten! getroffen, als mau erwartet, und wie deshalb die anderen Sturm-
colonnen auf der Chaussee und dem Threeuedeich uoch gar uicht augegriffen hät¬
ten. Wir erfuhren auch, daß die anderen Abtheilungen unseres Corps auf ähn¬
liche Hindernisse gestoßen seien, sich mit den Sturmcolonnen verbunden und schon
bedeutende Verluste erlitten hätten. Vor Allem erzählte man von dem Tode oder
der schweren Verwundung eiues unserer Officiere, des Lieblings der Compagnie,
welcher als eiuer der ersten auf der feindlichen Schauze, dort "Schleswig-Hol¬
stein" anstimmte, bis ihn eine feindliche Kugel niederstreckte. Da trieb es auch
uus, die wir uoch nichts gethan hatten, vorwärts aus dem sichern Versteck, und
mit Freuden empfangen wir die Nachricht, daß wir wiederum vorgehen sollten,
daß das Brückeumaterial, welches für uus bestimmt gewesen sei, durch die Aengst>
lichkeit der fahrenden Bauern hinten stehen geblieben und die uns beygegebene
Pionierablheiluug ebenfalls falsch dirigirt worden, daß aber jetzt für beides Ab¬
hilfe getroffen sei. "Also wieder vorwärts, nud jetzt müssen wir hinein."

Schnell wurde die Strecke, die wir schou vorher zurückgelegt hatten, auf
dem uns jetzt bekannten Wege passirt, und bald standen wir wieder vor dem gro¬
ßen Graben. Jetzt zeigte sich, daß das Brückenmaterial nur aus wenigen, uoch
dazu durch große Nägel fast ungangbar gewordenen Balken bestand, die kaum
für zwei Uebergänge hinreichten, die nur vou Einzelnen mit Vorsicht zu Passiren
waren, und daß die Pioniere sich auch bald wieder verloren hatten. Die Brücken
konnten nicht anders fertig werden, als daß Einzelne von uns bis an den Leib
in's Wasser gingen und mit dem ungeheuersten Kraftaufwande die Balken zurecht
legten. Das verzweifelte Mittel von Ferdinand Cortez mußten auch wir, freilich
aus anderen Gründen, benutzen, wir nahmen die Balken hinter uns weg, um sie
bei dem nächsten Graben wieder zu benutzen. So hatten wir wieder einige Gräben
passirt, als ein neues-Hinderniß uns in den Weg kam, ein noch breiterer Graben,


Grenzboten. IV. 1850. 123

hier durch einen Einstich, der bis auf die Sohle unseres Grabens ging nud vou
diesem mit Wasser gefüllt war, durchschnitten, und so war'uus auch diese Hoff¬
nung genommen. Ohne Brückenmatcrial und ohne ein anderes Hilfsmittel,
diesen Graben zu passiren, hatten wir uur die Wahl, entweder hier zu bleiben,
um einen möglichen Ausfall der Dänen an dieser Seite zu verhindern, oder
zurückzugehen und um eine Verwendung an andere» Orten zu bitten. Beide
Meinungen wurden aus dem Haufen, der mit der militärischen Marschordnung
auch die Disciplin verloren zu haben schien, vorgebracht, und schou erhob sich
mitten unter den pfeifenden Kugeln eine Debatte, als der Commandeur sie durch
den Befehl zum Zurückgehen abschnitt.

Hinter der Schanze, in der wir am Tage gelegen hatten, sammelte und
ordnete sich unser Zug wieder. Dort merkten wir aus den unzufriedenen Gesichten:
und einzelnen Aeußerungen der höheren Ofstciere, wie die Sache nicht den erwarte¬
ten Erfolg habe, wie auf dem linken Flügel die Sturmcolouueu weit größere
Schwierigkeiten! getroffen, als mau erwartet, und wie deshalb die anderen Sturm-
colonnen auf der Chaussee und dem Threeuedeich uoch gar uicht augegriffen hät¬
ten. Wir erfuhren auch, daß die anderen Abtheilungen unseres Corps auf ähn¬
liche Hindernisse gestoßen seien, sich mit den Sturmcolonnen verbunden und schon
bedeutende Verluste erlitten hätten. Vor Allem erzählte man von dem Tode oder
der schweren Verwundung eiues unserer Officiere, des Lieblings der Compagnie,
welcher als eiuer der ersten auf der feindlichen Schauze, dort „Schleswig-Hol¬
stein" anstimmte, bis ihn eine feindliche Kugel niederstreckte. Da trieb es auch
uus, die wir uoch nichts gethan hatten, vorwärts aus dem sichern Versteck, und
mit Freuden empfangen wir die Nachricht, daß wir wiederum vorgehen sollten,
daß das Brückeumaterial, welches für uus bestimmt gewesen sei, durch die Aengst>
lichkeit der fahrenden Bauern hinten stehen geblieben und die uns beygegebene
Pionierablheiluug ebenfalls falsch dirigirt worden, daß aber jetzt für beides Ab¬
hilfe getroffen sei. „Also wieder vorwärts, nud jetzt müssen wir hinein."

Schnell wurde die Strecke, die wir schou vorher zurückgelegt hatten, auf
dem uns jetzt bekannten Wege passirt, und bald standen wir wieder vor dem gro¬
ßen Graben. Jetzt zeigte sich, daß das Brückenmaterial nur aus wenigen, uoch
dazu durch große Nägel fast ungangbar gewordenen Balken bestand, die kaum
für zwei Uebergänge hinreichten, die nur vou Einzelnen mit Vorsicht zu Passiren
waren, und daß die Pioniere sich auch bald wieder verloren hatten. Die Brücken
konnten nicht anders fertig werden, als daß Einzelne von uns bis an den Leib
in's Wasser gingen und mit dem ungeheuersten Kraftaufwande die Balken zurecht
legten. Das verzweifelte Mittel von Ferdinand Cortez mußten auch wir, freilich
aus anderen Gründen, benutzen, wir nahmen die Balken hinter uns weg, um sie
bei dem nächsten Graben wieder zu benutzen. So hatten wir wieder einige Gräben
passirt, als ein neues-Hinderniß uns in den Weg kam, ein noch breiterer Graben,


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[0465] hier durch einen Einstich, der bis auf die Sohle unseres Grabens ging nud vou diesem mit Wasser gefüllt war, durchschnitten, und so war'uus auch diese Hoff¬ nung genommen. Ohne Brückenmatcrial und ohne ein anderes Hilfsmittel, diesen Graben zu passiren, hatten wir uur die Wahl, entweder hier zu bleiben, um einen möglichen Ausfall der Dänen an dieser Seite zu verhindern, oder zurückzugehen und um eine Verwendung an andere» Orten zu bitten. Beide Meinungen wurden aus dem Haufen, der mit der militärischen Marschordnung auch die Disciplin verloren zu haben schien, vorgebracht, und schou erhob sich mitten unter den pfeifenden Kugeln eine Debatte, als der Commandeur sie durch den Befehl zum Zurückgehen abschnitt. Hinter der Schanze, in der wir am Tage gelegen hatten, sammelte und ordnete sich unser Zug wieder. Dort merkten wir aus den unzufriedenen Gesichten: und einzelnen Aeußerungen der höheren Ofstciere, wie die Sache nicht den erwarte¬ ten Erfolg habe, wie auf dem linken Flügel die Sturmcolouueu weit größere Schwierigkeiten! getroffen, als mau erwartet, und wie deshalb die anderen Sturm- colonnen auf der Chaussee und dem Threeuedeich uoch gar uicht augegriffen hät¬ ten. Wir erfuhren auch, daß die anderen Abtheilungen unseres Corps auf ähn¬ liche Hindernisse gestoßen seien, sich mit den Sturmcolonnen verbunden und schon bedeutende Verluste erlitten hätten. Vor Allem erzählte man von dem Tode oder der schweren Verwundung eiues unserer Officiere, des Lieblings der Compagnie, welcher als eiuer der ersten auf der feindlichen Schauze, dort „Schleswig-Hol¬ stein" anstimmte, bis ihn eine feindliche Kugel niederstreckte. Da trieb es auch uus, die wir uoch nichts gethan hatten, vorwärts aus dem sichern Versteck, und mit Freuden empfangen wir die Nachricht, daß wir wiederum vorgehen sollten, daß das Brückeumaterial, welches für uus bestimmt gewesen sei, durch die Aengst> lichkeit der fahrenden Bauern hinten stehen geblieben und die uns beygegebene Pionierablheiluug ebenfalls falsch dirigirt worden, daß aber jetzt für beides Ab¬ hilfe getroffen sei. „Also wieder vorwärts, nud jetzt müssen wir hinein." Schnell wurde die Strecke, die wir schou vorher zurückgelegt hatten, auf dem uns jetzt bekannten Wege passirt, und bald standen wir wieder vor dem gro¬ ßen Graben. Jetzt zeigte sich, daß das Brückenmaterial nur aus wenigen, uoch dazu durch große Nägel fast ungangbar gewordenen Balken bestand, die kaum für zwei Uebergänge hinreichten, die nur vou Einzelnen mit Vorsicht zu Passiren waren, und daß die Pioniere sich auch bald wieder verloren hatten. Die Brücken konnten nicht anders fertig werden, als daß Einzelne von uns bis an den Leib in's Wasser gingen und mit dem ungeheuersten Kraftaufwande die Balken zurecht legten. Das verzweifelte Mittel von Ferdinand Cortez mußten auch wir, freilich aus anderen Gründen, benutzen, wir nahmen die Balken hinter uns weg, um sie bei dem nächsten Graben wieder zu benutzen. So hatten wir wieder einige Gräben passirt, als ein neues-Hinderniß uns in den Weg kam, ein noch breiterer Graben, Grenzboten. IV. 1850. 123

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/465>, abgerufen am 22.07.2024.