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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Seiten des Bundes Anspruch machen dürfen; eine Garantie, die der Todes¬
streich für Preußens unabhängige Politik sein würde. -- Sollte Oestreich dafür
von Preußen zum Ersah deu Wiederaustritt seiner östlichen Provinzen verlangen
-- was nicht wahrscheinlich ist, denn die Aufnahme derselben beruht auf Bun-
deötagsbcschlüssen -- so sehe ich keinen erheblichen Grund, dieser Forderung ent¬
gegenzutreten. Preußen bleibt doch immer der erste deutsche Staat, auch unter
östreichischen Präsidium.

Nicht der größere oder geringere Antheil an der Neichspolizei, der ihm vom
Bunde übertragen wird, ist der entsprechende Ausdruck für diese seine Stellung,
soudern sein Vorangehen in den realen Interessen der Nation. Der Zollverein
konnte aus zwei Gründen nicht genügen, soviel Gutes auch schou durch ihn ge¬
wirkt ist. Einmal fehlte ihm die richtige geographische Basis. Ein Verein von
Staaten, von dem sich alle Uferstaaten ausschlossen, von dem sie sich ihren natür¬
lichen Interessen uach ausschließen mußten, konnte keine selbstständige Handels¬
politik treiben, konnte mit England, Holland und Belgien keine nützlichen Ver¬
träge schließen; er konnte es ebensowenig als Preußen für sich allein. Sodann
machte seine Form eine progressistische, consequente Politik unmöglich; es war
kein Mittel gegeben, der Majorität eiuen Ausdruck zu finden. -- Die Union
litt an denselben Fehlern und außerdem noch an einer unverkennbaren Unbestimmt¬
heit in ihren Zwecken. -- Preußen kann nur dadurch eine reale Politik sich
aneignen, wenn es sich an Hannover und den Norddeutschen Steuer¬
verein anschließt: sich anschließt, auch um den Preis von augenblicklichen
materiellen Opfern. Ein solcher Verein muß ein Organ finden, in welchem über
Zoll- und Handelsgesctzgebuug, über Garantie des Staatöpapiergeldes, die
Beschickung der Konsulate und ähnliche materielle Interessen bestimmt wird. Ich
meine nicht ein Parlament, sondern einen von den Regierungen eingesetzten Kon¬
greß, in welchem aber das Stimmenverhältnis^ dem Gewicht der einzelnen Staaten
entspricht. An der Spitze eines solchen Vereins wird Preußen seinen natürlichen
Verbündeten, England und den Niederlanden, die Hand bieten, es wird sich eine
Flotte schaffen, sich der Holsteinischen Angelegenheit annehmen, und, was das Wich¬
tigste ist, sich von Oestreich emancipiren, ohne den Frieden und die Territorial-
Einheit des heiligen Römischen Reichs zu gefährden.




Seiten des Bundes Anspruch machen dürfen; eine Garantie, die der Todes¬
streich für Preußens unabhängige Politik sein würde. — Sollte Oestreich dafür
von Preußen zum Ersah deu Wiederaustritt seiner östlichen Provinzen verlangen
— was nicht wahrscheinlich ist, denn die Aufnahme derselben beruht auf Bun-
deötagsbcschlüssen — so sehe ich keinen erheblichen Grund, dieser Forderung ent¬
gegenzutreten. Preußen bleibt doch immer der erste deutsche Staat, auch unter
östreichischen Präsidium.

Nicht der größere oder geringere Antheil an der Neichspolizei, der ihm vom
Bunde übertragen wird, ist der entsprechende Ausdruck für diese seine Stellung,
soudern sein Vorangehen in den realen Interessen der Nation. Der Zollverein
konnte aus zwei Gründen nicht genügen, soviel Gutes auch schou durch ihn ge¬
wirkt ist. Einmal fehlte ihm die richtige geographische Basis. Ein Verein von
Staaten, von dem sich alle Uferstaaten ausschlossen, von dem sie sich ihren natür¬
lichen Interessen uach ausschließen mußten, konnte keine selbstständige Handels¬
politik treiben, konnte mit England, Holland und Belgien keine nützlichen Ver¬
träge schließen; er konnte es ebensowenig als Preußen für sich allein. Sodann
machte seine Form eine progressistische, consequente Politik unmöglich; es war
kein Mittel gegeben, der Majorität eiuen Ausdruck zu finden. — Die Union
litt an denselben Fehlern und außerdem noch an einer unverkennbaren Unbestimmt¬
heit in ihren Zwecken. — Preußen kann nur dadurch eine reale Politik sich
aneignen, wenn es sich an Hannover und den Norddeutschen Steuer¬
verein anschließt: sich anschließt, auch um den Preis von augenblicklichen
materiellen Opfern. Ein solcher Verein muß ein Organ finden, in welchem über
Zoll- und Handelsgesctzgebuug, über Garantie des Staatöpapiergeldes, die
Beschickung der Konsulate und ähnliche materielle Interessen bestimmt wird. Ich
meine nicht ein Parlament, sondern einen von den Regierungen eingesetzten Kon¬
greß, in welchem aber das Stimmenverhältnis^ dem Gewicht der einzelnen Staaten
entspricht. An der Spitze eines solchen Vereins wird Preußen seinen natürlichen
Verbündeten, England und den Niederlanden, die Hand bieten, es wird sich eine
Flotte schaffen, sich der Holsteinischen Angelegenheit annehmen, und, was das Wich¬
tigste ist, sich von Oestreich emancipiren, ohne den Frieden und die Territorial-
Einheit des heiligen Römischen Reichs zu gefährden.




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[0456] Seiten des Bundes Anspruch machen dürfen; eine Garantie, die der Todes¬ streich für Preußens unabhängige Politik sein würde. — Sollte Oestreich dafür von Preußen zum Ersah deu Wiederaustritt seiner östlichen Provinzen verlangen — was nicht wahrscheinlich ist, denn die Aufnahme derselben beruht auf Bun- deötagsbcschlüssen — so sehe ich keinen erheblichen Grund, dieser Forderung ent¬ gegenzutreten. Preußen bleibt doch immer der erste deutsche Staat, auch unter östreichischen Präsidium. Nicht der größere oder geringere Antheil an der Neichspolizei, der ihm vom Bunde übertragen wird, ist der entsprechende Ausdruck für diese seine Stellung, soudern sein Vorangehen in den realen Interessen der Nation. Der Zollverein konnte aus zwei Gründen nicht genügen, soviel Gutes auch schou durch ihn ge¬ wirkt ist. Einmal fehlte ihm die richtige geographische Basis. Ein Verein von Staaten, von dem sich alle Uferstaaten ausschlossen, von dem sie sich ihren natür¬ lichen Interessen uach ausschließen mußten, konnte keine selbstständige Handels¬ politik treiben, konnte mit England, Holland und Belgien keine nützlichen Ver¬ träge schließen; er konnte es ebensowenig als Preußen für sich allein. Sodann machte seine Form eine progressistische, consequente Politik unmöglich; es war kein Mittel gegeben, der Majorität eiuen Ausdruck zu finden. — Die Union litt an denselben Fehlern und außerdem noch an einer unverkennbaren Unbestimmt¬ heit in ihren Zwecken. — Preußen kann nur dadurch eine reale Politik sich aneignen, wenn es sich an Hannover und den Norddeutschen Steuer¬ verein anschließt: sich anschließt, auch um den Preis von augenblicklichen materiellen Opfern. Ein solcher Verein muß ein Organ finden, in welchem über Zoll- und Handelsgesctzgebuug, über Garantie des Staatöpapiergeldes, die Beschickung der Konsulate und ähnliche materielle Interessen bestimmt wird. Ich meine nicht ein Parlament, sondern einen von den Regierungen eingesetzten Kon¬ greß, in welchem aber das Stimmenverhältnis^ dem Gewicht der einzelnen Staaten entspricht. An der Spitze eines solchen Vereins wird Preußen seinen natürlichen Verbündeten, England und den Niederlanden, die Hand bieten, es wird sich eine Flotte schaffen, sich der Holsteinischen Angelegenheit annehmen, und, was das Wich¬ tigste ist, sich von Oestreich emancipiren, ohne den Frieden und die Territorial- Einheit des heiligen Römischen Reichs zu gefährden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/456>, abgerufen am 22.07.2024.