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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Denn schon seit einem Jahre hat der größere Theil unserer Partei nur noch mit
Widerstreben an den Fetzen der Union festgehalten, weil die Partei als solche
sich einmal engagirt hatte. Diese Union war nicht lebensfähig. Ein Parla¬
ment, ans Preußen und 12--13 Duodezstaaten zusammengesetzt, neben einem
preußischen Parlament; eine lose politische Union, die gar keine geographischen
Grundlagen hat, neben dem Zollverein, und neben dem deutschen Bund, das
ist ein Messer ohne Klinge, an dem der Stiel fehlt; ein Kleinod, dessen Besitz
es wahrhaftig nicht werth war, seinetwegen unsere natürlichen Verbündeten --
Hannover und Sachsen -- in die Reihen unserer Feinde zu treiben. Wenn wir
dennoch darau festhielten, so geschah es in der Aussicht, es werde dadurch im
Drang der Ereignisse jener ernsthafte Conflict hervorgebracht werden, der zu
etwas Weiterem führen müßte, als zu einem Duodez-Kleindentschland. Da aber
davon uicht mehr die Rede ist, so können wir uns der Gothaer Uniform mit
großer Befriedigung entledigen.

Wenn wir uus durch eine so offene Erklärung einen neuen Spott von Seiten
der Kreuzritter und der Demokraten zuziehen, so können wir uns das gefallen
lassen. Die mit dem Olmützer Vertrag geschlossene Periode gehört der Geschichte
an; die Geschichte wird darüber richten, welche Partei im Lauf der letzten unglück¬
seligen Jahre die meisten Thorheiten begangen hat. Gott behüte uns vor der
Anmaßung, tadellos dastehen zu wollen.

Was die Demokratie betrifft, so ist es wieder ein nicht genug zu schätzendes
Resultat der gegenwärtigen Krisis, daß ein Bündnis; mit derselben, welches wie
eine unheimliche Wetterwolke über unsern Häuptern drohte, glücklich abgewendet ist.
Ich muß der Nationalzeitung den Ruhm lassen, daß sie sich offen und ehrlich
darüber allsgesprochen hat.

Die Unmöglichkeit eines Bündnisses mit der Demokratie liegt nicht darin,
daß wir früher Gegner waren. Denn es kann geschehen, daß ehrliche Männer
in einer bestimmten Zeit das Wohl des Vaterlandes auf verschiedenen Wegen
suchen, und dennoch später, uuter ganz veränderten Umständen, auf den nämlichen
W^g gewiesen werden.

Sie hat anch nicht in den verschiedenen Zwecken ihren Grund. Denn was
die eigentlichen Demokraten (sehr zu unterscheiden von den Republikanern,
Anarchisten, Socialisten u. s. w., die sie ja beständig desavouiren) eigentlich wollen,
scheinen uur zwei Blätter zu wissen: die Nationalzeitnng und die Kreuzzeitung.
Die erste plaudert nichts ans, und der letzten ist nicht zu trauen. Wir wissen
nicht, was die Demokraten wollen, also auch nicht, in welchem Verhältnisse ihre
Absichten zu den unsern stehen.

Aber wir dürfen nur ein beliebiges demokratisches Blatt in die Hand nehmen,
um uus vollkommen zu überzeugen, daß es ein wesentlich verschiedenes Publicum
von dem der constitutionellen Presse haben muß. Diese Leute denken anders,


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Denn schon seit einem Jahre hat der größere Theil unserer Partei nur noch mit
Widerstreben an den Fetzen der Union festgehalten, weil die Partei als solche
sich einmal engagirt hatte. Diese Union war nicht lebensfähig. Ein Parla¬
ment, ans Preußen und 12—13 Duodezstaaten zusammengesetzt, neben einem
preußischen Parlament; eine lose politische Union, die gar keine geographischen
Grundlagen hat, neben dem Zollverein, und neben dem deutschen Bund, das
ist ein Messer ohne Klinge, an dem der Stiel fehlt; ein Kleinod, dessen Besitz
es wahrhaftig nicht werth war, seinetwegen unsere natürlichen Verbündeten —
Hannover und Sachsen — in die Reihen unserer Feinde zu treiben. Wenn wir
dennoch darau festhielten, so geschah es in der Aussicht, es werde dadurch im
Drang der Ereignisse jener ernsthafte Conflict hervorgebracht werden, der zu
etwas Weiterem führen müßte, als zu einem Duodez-Kleindentschland. Da aber
davon uicht mehr die Rede ist, so können wir uns der Gothaer Uniform mit
großer Befriedigung entledigen.

Wenn wir uus durch eine so offene Erklärung einen neuen Spott von Seiten
der Kreuzritter und der Demokraten zuziehen, so können wir uns das gefallen
lassen. Die mit dem Olmützer Vertrag geschlossene Periode gehört der Geschichte
an; die Geschichte wird darüber richten, welche Partei im Lauf der letzten unglück¬
seligen Jahre die meisten Thorheiten begangen hat. Gott behüte uns vor der
Anmaßung, tadellos dastehen zu wollen.

Was die Demokratie betrifft, so ist es wieder ein nicht genug zu schätzendes
Resultat der gegenwärtigen Krisis, daß ein Bündnis; mit derselben, welches wie
eine unheimliche Wetterwolke über unsern Häuptern drohte, glücklich abgewendet ist.
Ich muß der Nationalzeitung den Ruhm lassen, daß sie sich offen und ehrlich
darüber allsgesprochen hat.

Die Unmöglichkeit eines Bündnisses mit der Demokratie liegt nicht darin,
daß wir früher Gegner waren. Denn es kann geschehen, daß ehrliche Männer
in einer bestimmten Zeit das Wohl des Vaterlandes auf verschiedenen Wegen
suchen, und dennoch später, uuter ganz veränderten Umständen, auf den nämlichen
W^g gewiesen werden.

Sie hat anch nicht in den verschiedenen Zwecken ihren Grund. Denn was
die eigentlichen Demokraten (sehr zu unterscheiden von den Republikanern,
Anarchisten, Socialisten u. s. w., die sie ja beständig desavouiren) eigentlich wollen,
scheinen uur zwei Blätter zu wissen: die Nationalzeitnng und die Kreuzzeitung.
Die erste plaudert nichts ans, und der letzten ist nicht zu trauen. Wir wissen
nicht, was die Demokraten wollen, also auch nicht, in welchem Verhältnisse ihre
Absichten zu den unsern stehen.

Aber wir dürfen nur ein beliebiges demokratisches Blatt in die Hand nehmen,
um uus vollkommen zu überzeugen, daß es ein wesentlich verschiedenes Publicum
von dem der constitutionellen Presse haben muß. Diese Leute denken anders,


121*
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[0451] Denn schon seit einem Jahre hat der größere Theil unserer Partei nur noch mit Widerstreben an den Fetzen der Union festgehalten, weil die Partei als solche sich einmal engagirt hatte. Diese Union war nicht lebensfähig. Ein Parla¬ ment, ans Preußen und 12—13 Duodezstaaten zusammengesetzt, neben einem preußischen Parlament; eine lose politische Union, die gar keine geographischen Grundlagen hat, neben dem Zollverein, und neben dem deutschen Bund, das ist ein Messer ohne Klinge, an dem der Stiel fehlt; ein Kleinod, dessen Besitz es wahrhaftig nicht werth war, seinetwegen unsere natürlichen Verbündeten — Hannover und Sachsen — in die Reihen unserer Feinde zu treiben. Wenn wir dennoch darau festhielten, so geschah es in der Aussicht, es werde dadurch im Drang der Ereignisse jener ernsthafte Conflict hervorgebracht werden, der zu etwas Weiterem führen müßte, als zu einem Duodez-Kleindentschland. Da aber davon uicht mehr die Rede ist, so können wir uns der Gothaer Uniform mit großer Befriedigung entledigen. Wenn wir uus durch eine so offene Erklärung einen neuen Spott von Seiten der Kreuzritter und der Demokraten zuziehen, so können wir uns das gefallen lassen. Die mit dem Olmützer Vertrag geschlossene Periode gehört der Geschichte an; die Geschichte wird darüber richten, welche Partei im Lauf der letzten unglück¬ seligen Jahre die meisten Thorheiten begangen hat. Gott behüte uns vor der Anmaßung, tadellos dastehen zu wollen. Was die Demokratie betrifft, so ist es wieder ein nicht genug zu schätzendes Resultat der gegenwärtigen Krisis, daß ein Bündnis; mit derselben, welches wie eine unheimliche Wetterwolke über unsern Häuptern drohte, glücklich abgewendet ist. Ich muß der Nationalzeitung den Ruhm lassen, daß sie sich offen und ehrlich darüber allsgesprochen hat. Die Unmöglichkeit eines Bündnisses mit der Demokratie liegt nicht darin, daß wir früher Gegner waren. Denn es kann geschehen, daß ehrliche Männer in einer bestimmten Zeit das Wohl des Vaterlandes auf verschiedenen Wegen suchen, und dennoch später, uuter ganz veränderten Umständen, auf den nämlichen W^g gewiesen werden. Sie hat anch nicht in den verschiedenen Zwecken ihren Grund. Denn was die eigentlichen Demokraten (sehr zu unterscheiden von den Republikanern, Anarchisten, Socialisten u. s. w., die sie ja beständig desavouiren) eigentlich wollen, scheinen uur zwei Blätter zu wissen: die Nationalzeitnng und die Kreuzzeitung. Die erste plaudert nichts ans, und der letzten ist nicht zu trauen. Wir wissen nicht, was die Demokraten wollen, also auch nicht, in welchem Verhältnisse ihre Absichten zu den unsern stehen. Aber wir dürfen nur ein beliebiges demokratisches Blatt in die Hand nehmen, um uus vollkommen zu überzeugen, daß es ein wesentlich verschiedenes Publicum von dem der constitutionellen Presse haben muß. Diese Leute denken anders, 121*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/451>, abgerufen am 22.07.2024.