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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Im größten Amtseifer saß ich und war eben im Begriff, das Facit einer
langen Addition in Sicherheit zu bringen, als es an die Thür klopfte. Ein
unbekannter Herr in Civil trat ein mit vielen Verbeugungen, welche so geziert
waren, daß ich ihn für einen Barbier hielt und mich steif hinsetzte, um ihn die
Serviette unter mein Kinn stecken zu lassen. Indeß er blieb stehen und ich hatte
Muße, ihn und seine Attitüde zu mustern. Es war ein kleiner rothbäckiger schä¬
biger Herr, in bnntkarrirteu Hosen, ältlichen, schwarzem Sammtrock', roth und
blau gestreiftem Halstuch und einer mächtig großen funkelnden Tnchnadel von
falschen Steinen. Der Hut war zerknittert, die Haarfrisur sichtlich gebrannt, die
Wangen so rosafarben, daß ich sie im Verdacht hatte, durch Schmücke verschont
zu sein, dieselbe Farbe aber an der Nasenspitze war Natur. Er erhob majestätisch
die Hand: Habe ich ich die Ehre Herrn n. s. w. -- Der bin ich, was ist Ihr
Wunsch? -- "Der heiße Drang, Schleswig-Holsteins glorreichem Heldenkampfe
gegen fremde blutdürstige Tyrannen meinen Arm, meinen Muth zu widmen, führt
mich aus Deutschlands fernstem Gaue hierher; ich verlange in die tapfern Reihen
des unüberwindlichen Heeres einzutreten," sprach er mit ernstem Pathos und
rollenden Augen, indem er über mir weg nach der Decke sah. -- Viel Ehre für
unsere Armee, ich erlaube mir aber, Ihnen zu bemerken, daß ich mit dein Ein¬
tritt der Freiwilligen nichts zu schaffen habe, wenden Sie sich an Herrn v. N.
-- Ich habe Sie auch nur aufgesucht, um Ihre gütige Hilfe als Kriegskamerad
zu erbitten. Fräulein Elise Z., mit der ich zuletzt in Bamberg ein halbes Jahr
engagirt war, hat mir viele Grüße an Sie aufgetragen. -- Richtig, es war ein
fahrender Schauspieler und die junge Dame, deren Grüße er mir brachte, eine
von den Bekanntschaften früherer Zeit, an die man sich erinnert, ohne stolz zu
werden. -- Der schäbige Herr aber fuhr fort: Mein Name ist Breuhahn, wenn
ich mir mit Recht schmeicheln darf, nicht unehrenvoll bekannt. Sie werden ver¬
muthlich scholl von mir gehört haben. -- Ich bedauerte kühl mit dem deutschen
Theater sehr unbekannt zu sein. Wenn er aber als Freiwilliger eintreten wolle,
habe das keine Schwierigkeiten. -- "Wie, mein Herr?" sprach der unbekannte
Künstler entrüstet, "Sie glauben doch wohl nicht, daß ich mich so weit erniedrigen
kann, als gemeiner Soldat einzutreten?" -- Wenn Sie früher bereits gedient
und gute Papiere haben, können Sie vielleicht auch Unterofficier werden. -- Das
war dem Besitzer der Tnchnadel zuviel. Er faßte leidenschaftlich in den zer¬
knitterten Hut, legte seinen Oberleib zurück und fuhr mit der Hand empört
zwischen die Knöpfe seines Sammtrockes, da, wo ein Knopf fehlte. "Mein Herr!
Lieutenant ist das wenigste, worauf ich Anspruch zu machen berechtigt bin." --
Wenn Sie uicht früher Officier in eiuer deutschen Armee gewesen sind, und nicht
einen ehrenvollen Abschied vorzuzeigen haben, ist das unmöglich. -- Die Frisur des
schäbigen Herrn sträubte sich, der Sammtrock wurde widerhaarig, die Glätte des
Hutes verwandelte sich in struppige Wildheit und die Tnchnadel zwinkerte rach-


Im größten Amtseifer saß ich und war eben im Begriff, das Facit einer
langen Addition in Sicherheit zu bringen, als es an die Thür klopfte. Ein
unbekannter Herr in Civil trat ein mit vielen Verbeugungen, welche so geziert
waren, daß ich ihn für einen Barbier hielt und mich steif hinsetzte, um ihn die
Serviette unter mein Kinn stecken zu lassen. Indeß er blieb stehen und ich hatte
Muße, ihn und seine Attitüde zu mustern. Es war ein kleiner rothbäckiger schä¬
biger Herr, in bnntkarrirteu Hosen, ältlichen, schwarzem Sammtrock', roth und
blau gestreiftem Halstuch und einer mächtig großen funkelnden Tnchnadel von
falschen Steinen. Der Hut war zerknittert, die Haarfrisur sichtlich gebrannt, die
Wangen so rosafarben, daß ich sie im Verdacht hatte, durch Schmücke verschont
zu sein, dieselbe Farbe aber an der Nasenspitze war Natur. Er erhob majestätisch
die Hand: Habe ich ich die Ehre Herrn n. s. w. — Der bin ich, was ist Ihr
Wunsch? — „Der heiße Drang, Schleswig-Holsteins glorreichem Heldenkampfe
gegen fremde blutdürstige Tyrannen meinen Arm, meinen Muth zu widmen, führt
mich aus Deutschlands fernstem Gaue hierher; ich verlange in die tapfern Reihen
des unüberwindlichen Heeres einzutreten," sprach er mit ernstem Pathos und
rollenden Augen, indem er über mir weg nach der Decke sah. — Viel Ehre für
unsere Armee, ich erlaube mir aber, Ihnen zu bemerken, daß ich mit dein Ein¬
tritt der Freiwilligen nichts zu schaffen habe, wenden Sie sich an Herrn v. N.
— Ich habe Sie auch nur aufgesucht, um Ihre gütige Hilfe als Kriegskamerad
zu erbitten. Fräulein Elise Z., mit der ich zuletzt in Bamberg ein halbes Jahr
engagirt war, hat mir viele Grüße an Sie aufgetragen. — Richtig, es war ein
fahrender Schauspieler und die junge Dame, deren Grüße er mir brachte, eine
von den Bekanntschaften früherer Zeit, an die man sich erinnert, ohne stolz zu
werden. — Der schäbige Herr aber fuhr fort: Mein Name ist Breuhahn, wenn
ich mir mit Recht schmeicheln darf, nicht unehrenvoll bekannt. Sie werden ver¬
muthlich scholl von mir gehört haben. — Ich bedauerte kühl mit dem deutschen
Theater sehr unbekannt zu sein. Wenn er aber als Freiwilliger eintreten wolle,
habe das keine Schwierigkeiten. — „Wie, mein Herr?" sprach der unbekannte
Künstler entrüstet, „Sie glauben doch wohl nicht, daß ich mich so weit erniedrigen
kann, als gemeiner Soldat einzutreten?" — Wenn Sie früher bereits gedient
und gute Papiere haben, können Sie vielleicht auch Unterofficier werden. — Das
war dem Besitzer der Tnchnadel zuviel. Er faßte leidenschaftlich in den zer¬
knitterten Hut, legte seinen Oberleib zurück und fuhr mit der Hand empört
zwischen die Knöpfe seines Sammtrockes, da, wo ein Knopf fehlte. „Mein Herr!
Lieutenant ist das wenigste, worauf ich Anspruch zu machen berechtigt bin." —
Wenn Sie uicht früher Officier in eiuer deutschen Armee gewesen sind, und nicht
einen ehrenvollen Abschied vorzuzeigen haben, ist das unmöglich. — Die Frisur des
schäbigen Herrn sträubte sich, der Sammtrock wurde widerhaarig, die Glätte des
Hutes verwandelte sich in struppige Wildheit und die Tnchnadel zwinkerte rach-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/412>, abgerufen am 23.07.2024.