Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

er einen großen Theil des Tages im befreundeten Familienkreise Pulszky's zu.
Cobden's englisch stilles Haus mag dein lärmenden Alten nicht recht zugesagt haben.
Der Contrast mit einer ungarischen Wirthschaft ist auch gar zu fühlbar. Der
Löwe will -- seit er im heimathlichen Ständehause seiue ehrenwerthen Kollegen
nicht mehr durch die Gewalt seiner Stimme niederdonnern kann -- wenigstens
Raum zum Knurren haben. Das thut er ehrlich, aber mit wirklich rührender Ge¬
müthlichkeit. Was ist ihm Großbritannien mit seiner ehrwürdigen Schleppe ameri¬
kanischer, asiatischer und australischer Kolonien gegen sein geliebtes Ungarland?
Was ist London gegen Debreczin? Was ist Wellington gegen Damjanich? --
Der englischen Sonne bohrt er Eselsohren, den Nebel lacht er ans, den Mond
spukt er an; er wäre im Stande, für ein ungarisches Heidepferd gegen einen
englischen Nenner zu wetten, und eine Fischerbarke der Theiß gegen ein britisches
Linienschiff in den Kampf zu schicken. "Wird vielleicht zusammengeschossen werden,
aber wird sich wehren wie der Teufel." -- -- Daß auch dieser alte Herr mit
all den tausend Erinnerungen aus dem ungarischen Boden herausgerissen wurde'
ist wahrhaft tragisch. Jüngere können sich leichter darau gewöhnen, das blutige
Roastbeef der Verbannung mit den heuchlerische!! Thränen von Barclay's Porter^
flaschen hinabzuwürgen. Den alten Löwen aber erinnert jeder Lufthauch an die
Ebenen seines Vaterlandes.

Uuter deu hier lebenden, früher in der Diplomatie verwendeten Magyaren
ist noch Graf Julius Andrassy zu erwähnen^), ein junger Elegant, nicht
ohne Talent, der einige Zeit als Ngeut der ungarischen Regierung in Constantinopel
fungirte, von dort nach London kam und den Herbst bei seiner Mutter in Ostende
zubrachte.

Sein Leidensgefährte und zeitweiliger College am Hofe des Sultans, Baron
Spleuyi, konnte nur kurze Zeit in London bleiben. Ohne eigenes Vermögen und
ohne Unterstützung vom Hause, konnte er weder in England noch in Fraukreich
ein nahrhaftes Oelblatt in der Sündfluth der allgemeinen Noth finden. Er
wandte fiel) an Lord Palmerston. Dieser fand an seinem chevaleresken Außern
Gefallen, versah ihn mit Empfehlungsbriefen an Sir Stratford Canning nach
Constantinopel, und es ist wahrscheinlich, daß er durch dessen Verwendung irgeud
eine Bedieustuug der hohen Pforte erhielt, oder doch erhalten wird. Ob
administrativer oder militärischer Natur -- gleichviel. Spleuyi war lauge genug
Officier im östreichisch),! Heere, um eine türkische Hauptmauusstelle genügend
ausfüllen zu können, andererseits hat sich das savoir lairo des Franzosen, die
Natur des italienischen <rventuriere und die Noblesse des ungarischen Cavaliers



In einem Artikel über die ungarische Emigration, welcher von der ostdeutschen Post
in andere deutsche Blätter überging, wurde Paris trrthümlich als der Aufenthaltsort des
Gr. Andrassy angegeben. Dieser Irrthum, mit noch andern, die sich in jenen Aufsatz ein-
geschlichen, senden in Folgendem ihre Berichtigung.
114*

er einen großen Theil des Tages im befreundeten Familienkreise Pulszky's zu.
Cobden's englisch stilles Haus mag dein lärmenden Alten nicht recht zugesagt haben.
Der Contrast mit einer ungarischen Wirthschaft ist auch gar zu fühlbar. Der
Löwe will — seit er im heimathlichen Ständehause seiue ehrenwerthen Kollegen
nicht mehr durch die Gewalt seiner Stimme niederdonnern kann — wenigstens
Raum zum Knurren haben. Das thut er ehrlich, aber mit wirklich rührender Ge¬
müthlichkeit. Was ist ihm Großbritannien mit seiner ehrwürdigen Schleppe ameri¬
kanischer, asiatischer und australischer Kolonien gegen sein geliebtes Ungarland?
Was ist London gegen Debreczin? Was ist Wellington gegen Damjanich? —
Der englischen Sonne bohrt er Eselsohren, den Nebel lacht er ans, den Mond
spukt er an; er wäre im Stande, für ein ungarisches Heidepferd gegen einen
englischen Nenner zu wetten, und eine Fischerbarke der Theiß gegen ein britisches
Linienschiff in den Kampf zu schicken. „Wird vielleicht zusammengeschossen werden,
aber wird sich wehren wie der Teufel." — — Daß auch dieser alte Herr mit
all den tausend Erinnerungen aus dem ungarischen Boden herausgerissen wurde'
ist wahrhaft tragisch. Jüngere können sich leichter darau gewöhnen, das blutige
Roastbeef der Verbannung mit den heuchlerische!! Thränen von Barclay's Porter^
flaschen hinabzuwürgen. Den alten Löwen aber erinnert jeder Lufthauch an die
Ebenen seines Vaterlandes.

Uuter deu hier lebenden, früher in der Diplomatie verwendeten Magyaren
ist noch Graf Julius Andrassy zu erwähnen^), ein junger Elegant, nicht
ohne Talent, der einige Zeit als Ngeut der ungarischen Regierung in Constantinopel
fungirte, von dort nach London kam und den Herbst bei seiner Mutter in Ostende
zubrachte.

Sein Leidensgefährte und zeitweiliger College am Hofe des Sultans, Baron
Spleuyi, konnte nur kurze Zeit in London bleiben. Ohne eigenes Vermögen und
ohne Unterstützung vom Hause, konnte er weder in England noch in Fraukreich
ein nahrhaftes Oelblatt in der Sündfluth der allgemeinen Noth finden. Er
wandte fiel) an Lord Palmerston. Dieser fand an seinem chevaleresken Außern
Gefallen, versah ihn mit Empfehlungsbriefen an Sir Stratford Canning nach
Constantinopel, und es ist wahrscheinlich, daß er durch dessen Verwendung irgeud
eine Bedieustuug der hohen Pforte erhielt, oder doch erhalten wird. Ob
administrativer oder militärischer Natur — gleichviel. Spleuyi war lauge genug
Officier im östreichisch),! Heere, um eine türkische Hauptmauusstelle genügend
ausfüllen zu können, andererseits hat sich das savoir lairo des Franzosen, die
Natur des italienischen <rventuriere und die Noblesse des ungarischen Cavaliers



In einem Artikel über die ungarische Emigration, welcher von der ostdeutschen Post
in andere deutsche Blätter überging, wurde Paris trrthümlich als der Aufenthaltsort des
Gr. Andrassy angegeben. Dieser Irrthum, mit noch andern, die sich in jenen Aufsatz ein-
geschlichen, senden in Folgendem ihre Berichtigung.
114*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0395" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92684"/>
          <p xml:id="ID_1275" prev="#ID_1274"> er einen großen Theil des Tages im befreundeten Familienkreise Pulszky's zu.<lb/>
Cobden's englisch stilles Haus mag dein lärmenden Alten nicht recht zugesagt haben.<lb/>
Der Contrast mit einer ungarischen Wirthschaft ist auch gar zu fühlbar. Der<lb/>
Löwe will &#x2014; seit er im heimathlichen Ständehause seiue ehrenwerthen Kollegen<lb/>
nicht mehr durch die Gewalt seiner Stimme niederdonnern kann &#x2014; wenigstens<lb/>
Raum zum Knurren haben. Das thut er ehrlich, aber mit wirklich rührender Ge¬<lb/>
müthlichkeit. Was ist ihm Großbritannien mit seiner ehrwürdigen Schleppe ameri¬<lb/>
kanischer, asiatischer und australischer Kolonien gegen sein geliebtes Ungarland?<lb/>
Was ist London gegen Debreczin? Was ist Wellington gegen Damjanich? &#x2014;<lb/>
Der englischen Sonne bohrt er Eselsohren, den Nebel lacht er ans, den Mond<lb/>
spukt er an; er wäre im Stande, für ein ungarisches Heidepferd gegen einen<lb/>
englischen Nenner zu wetten, und eine Fischerbarke der Theiß gegen ein britisches<lb/>
Linienschiff in den Kampf zu schicken. &#x201E;Wird vielleicht zusammengeschossen werden,<lb/>
aber wird sich wehren wie der Teufel." &#x2014; &#x2014; Daß auch dieser alte Herr mit<lb/>
all den tausend Erinnerungen aus dem ungarischen Boden herausgerissen wurde'<lb/>
ist wahrhaft tragisch. Jüngere können sich leichter darau gewöhnen, das blutige<lb/>
Roastbeef der Verbannung mit den heuchlerische!! Thränen von Barclay's Porter^<lb/>
flaschen hinabzuwürgen. Den alten Löwen aber erinnert jeder Lufthauch an die<lb/>
Ebenen seines Vaterlandes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1276"> Uuter deu hier lebenden, früher in der Diplomatie verwendeten Magyaren<lb/>
ist noch Graf Julius Andrassy zu erwähnen^), ein junger Elegant, nicht<lb/>
ohne Talent, der einige Zeit als Ngeut der ungarischen Regierung in Constantinopel<lb/>
fungirte, von dort nach London kam und den Herbst bei seiner Mutter in Ostende<lb/>
zubrachte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1277" next="#ID_1278"> Sein Leidensgefährte und zeitweiliger College am Hofe des Sultans, Baron<lb/>
Spleuyi, konnte nur kurze Zeit in London bleiben. Ohne eigenes Vermögen und<lb/>
ohne Unterstützung vom Hause, konnte er weder in England noch in Fraukreich<lb/>
ein nahrhaftes Oelblatt in der Sündfluth der allgemeinen Noth finden. Er<lb/>
wandte fiel) an Lord Palmerston. Dieser fand an seinem chevaleresken Außern<lb/>
Gefallen, versah ihn mit Empfehlungsbriefen an Sir Stratford Canning nach<lb/>
Constantinopel, und es ist wahrscheinlich, daß er durch dessen Verwendung irgeud<lb/>
eine Bedieustuug der hohen Pforte erhielt, oder doch erhalten wird. Ob<lb/>
administrativer oder militärischer Natur &#x2014; gleichviel. Spleuyi war lauge genug<lb/>
Officier im östreichisch),! Heere, um eine türkische Hauptmauusstelle genügend<lb/>
ausfüllen zu können, andererseits hat sich das savoir lairo des Franzosen, die<lb/>
Natur des italienischen &lt;rventuriere und die Noblesse des ungarischen Cavaliers</p><lb/>
          <note xml:id="FID_41" place="foot"> In einem Artikel über die ungarische Emigration, welcher von der ostdeutschen Post<lb/>
in andere deutsche Blätter überging, wurde Paris trrthümlich als der Aufenthaltsort des<lb/>
Gr. Andrassy angegeben. Dieser Irrthum, mit noch andern, die sich in jenen Aufsatz ein-<lb/>
geschlichen, senden in Folgendem ihre Berichtigung.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 114*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0395] er einen großen Theil des Tages im befreundeten Familienkreise Pulszky's zu. Cobden's englisch stilles Haus mag dein lärmenden Alten nicht recht zugesagt haben. Der Contrast mit einer ungarischen Wirthschaft ist auch gar zu fühlbar. Der Löwe will — seit er im heimathlichen Ständehause seiue ehrenwerthen Kollegen nicht mehr durch die Gewalt seiner Stimme niederdonnern kann — wenigstens Raum zum Knurren haben. Das thut er ehrlich, aber mit wirklich rührender Ge¬ müthlichkeit. Was ist ihm Großbritannien mit seiner ehrwürdigen Schleppe ameri¬ kanischer, asiatischer und australischer Kolonien gegen sein geliebtes Ungarland? Was ist London gegen Debreczin? Was ist Wellington gegen Damjanich? — Der englischen Sonne bohrt er Eselsohren, den Nebel lacht er ans, den Mond spukt er an; er wäre im Stande, für ein ungarisches Heidepferd gegen einen englischen Nenner zu wetten, und eine Fischerbarke der Theiß gegen ein britisches Linienschiff in den Kampf zu schicken. „Wird vielleicht zusammengeschossen werden, aber wird sich wehren wie der Teufel." — — Daß auch dieser alte Herr mit all den tausend Erinnerungen aus dem ungarischen Boden herausgerissen wurde' ist wahrhaft tragisch. Jüngere können sich leichter darau gewöhnen, das blutige Roastbeef der Verbannung mit den heuchlerische!! Thränen von Barclay's Porter^ flaschen hinabzuwürgen. Den alten Löwen aber erinnert jeder Lufthauch an die Ebenen seines Vaterlandes. Uuter deu hier lebenden, früher in der Diplomatie verwendeten Magyaren ist noch Graf Julius Andrassy zu erwähnen^), ein junger Elegant, nicht ohne Talent, der einige Zeit als Ngeut der ungarischen Regierung in Constantinopel fungirte, von dort nach London kam und den Herbst bei seiner Mutter in Ostende zubrachte. Sein Leidensgefährte und zeitweiliger College am Hofe des Sultans, Baron Spleuyi, konnte nur kurze Zeit in London bleiben. Ohne eigenes Vermögen und ohne Unterstützung vom Hause, konnte er weder in England noch in Fraukreich ein nahrhaftes Oelblatt in der Sündfluth der allgemeinen Noth finden. Er wandte fiel) an Lord Palmerston. Dieser fand an seinem chevaleresken Außern Gefallen, versah ihn mit Empfehlungsbriefen an Sir Stratford Canning nach Constantinopel, und es ist wahrscheinlich, daß er durch dessen Verwendung irgeud eine Bedieustuug der hohen Pforte erhielt, oder doch erhalten wird. Ob administrativer oder militärischer Natur — gleichviel. Spleuyi war lauge genug Officier im östreichisch),! Heere, um eine türkische Hauptmauusstelle genügend ausfüllen zu können, andererseits hat sich das savoir lairo des Franzosen, die Natur des italienischen <rventuriere und die Noblesse des ungarischen Cavaliers In einem Artikel über die ungarische Emigration, welcher von der ostdeutschen Post in andere deutsche Blätter überging, wurde Paris trrthümlich als der Aufenthaltsort des Gr. Andrassy angegeben. Dieser Irrthum, mit noch andern, die sich in jenen Aufsatz ein- geschlichen, senden in Folgendem ihre Berichtigung. 114*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/395
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/395>, abgerufen am 22.07.2024.