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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Seite eine echte Wachtmeister-Physiognomie ans Wallensteins Lager; große Stirn, lachende
Angen, gebändigter Bartwuchs, stramme, derbe Figur und eine abgeschlossene, joviale,
sichere Art und Weise in Rede und Bewegung, wie sie einem ganzen Officiercorps als
Muster vorgehalten werden könnte.

Als wir wieder in's Freie traten, wurden 4 dänische Gefangene eingebracht. Von
sern gesehen, machen die blauen Hosen sie deu Holsteinern sehr ähnlich; erst nahebei treten
die einzelnen Verschiedenheiten mehr hervor, und besonders machen die östreichischen oder
französischen Käppies, starke, hohe Mützen mit geradem Schirm, den Dänen kenntlich.
Der Waffenrock ist sonst ähnlicher Lange. Man lernt den FeiiH im Kriege leicht an
den geringsten Kennzeichen vom Freunde unterscheiden; sonst müßten in diesem Kriege
viele Verwechselungen vorfallen. Die Holsteiner bekommen indessen allmälig sämmtlich,
statt der blauen, die grauen preußischen Beinkleider und sind dann ganz auf gleichem
Fuß mit der preußischen Armee. -- Die Gefangenen waren aus verschiedenen Alters¬
klassen, schienen mit der Veränderung ihres Schicksals ganz zufrieden und konnten auch
schon die ruhige Haltung, welche ihnen gegenüber die müßigen Zuschauer beobachteten,
für ein Zeichen hinnehmen, daß Holstein kein Pendant zu dem Kopenhagener Pöbel zu
liefern im Stande ist.




L i t e r a t u r V l a t t.
Neue Schriften über Oestreich.

Schlachttcldcrblüthen ans Ungarn. Novellen nach wahren Kriegsfällen. Pesth
und Leipzig, H. Geibel. -- Die meisten dieser Novellen sind von Sajü, einem der be¬
liebtesten ungarischen Publicisten. Die Darstellung ist lebhaft und anschaulich, obgleich
wir eigentlich nicht sagen können, daß es uns angenehm berührt, die Schaudcrthaten, die
wir ein Jahr vorher als entsetzliche Wirklichkeit in den Zeitungen gelesen, so kurze Zeit
darauf als anmuthigen Nomanstoff verarbeitet zu sehen.

KcKcnntnijse eines CiviUsien. Nicht von Q. E--es. Leipzig, Costenoble und
Remmelmann. -- Natürlich eine Entgegnungschrift auf die "Bekenntnisse eines Soldaten"
(Wien, Jasper, Hügel und Manz), die in Oestreich so viel Aussehen gemacht und auch
in diesen Blättern mehrfach eine Besprechung gefunden haben. Der "Civilist" ist durch die
absolutistischen Paradoxien des "Soldaten", den er als einen Ausfluß der altconservativen
Partei in Ungarn, wenn auch nicht gerade als den Repräsentanten derselben anzusehen
geneigt ist, so ausgebracht, daß er die liberale Partei zu einer unbedingten Unterstützung
des vergleichungsweise wenigstens "liberalen" Ministeriums auffordert. Als Kuriosität
für unsere preußischen Leser theilen wir folgende Stelle mit: "Bei uns sind die Verhält¬
nisse anders als in Preußen. In Preußen ist ein, wenn auch nicht sehr großer Theil
des Bürger- und Bauernthums wirklich aus Ueberzeugung reactionär. Bei uns ist es
nnr ein kleiner Bruchtheil des Heeres und des Adels. Bei uus fehlen die Stahls und
Gerlachs, und wir wollen hoffen, auch die Odins (O!ü). Uns fehlt der finstere mncke-
rische, protestantische Pietismus, gegen den die katholische Bigotterie Freigeisterei ist." --
Daß der "Civilist" in seinem Eifer gegen den Major Barbarczy so weit geht, seine Be-


Seite eine echte Wachtmeister-Physiognomie ans Wallensteins Lager; große Stirn, lachende
Angen, gebändigter Bartwuchs, stramme, derbe Figur und eine abgeschlossene, joviale,
sichere Art und Weise in Rede und Bewegung, wie sie einem ganzen Officiercorps als
Muster vorgehalten werden könnte.

Als wir wieder in's Freie traten, wurden 4 dänische Gefangene eingebracht. Von
sern gesehen, machen die blauen Hosen sie deu Holsteinern sehr ähnlich; erst nahebei treten
die einzelnen Verschiedenheiten mehr hervor, und besonders machen die östreichischen oder
französischen Käppies, starke, hohe Mützen mit geradem Schirm, den Dänen kenntlich.
Der Waffenrock ist sonst ähnlicher Lange. Man lernt den FeiiH im Kriege leicht an
den geringsten Kennzeichen vom Freunde unterscheiden; sonst müßten in diesem Kriege
viele Verwechselungen vorfallen. Die Holsteiner bekommen indessen allmälig sämmtlich,
statt der blauen, die grauen preußischen Beinkleider und sind dann ganz auf gleichem
Fuß mit der preußischen Armee. — Die Gefangenen waren aus verschiedenen Alters¬
klassen, schienen mit der Veränderung ihres Schicksals ganz zufrieden und konnten auch
schon die ruhige Haltung, welche ihnen gegenüber die müßigen Zuschauer beobachteten,
für ein Zeichen hinnehmen, daß Holstein kein Pendant zu dem Kopenhagener Pöbel zu
liefern im Stande ist.




L i t e r a t u r V l a t t.
Neue Schriften über Oestreich.

Schlachttcldcrblüthen ans Ungarn. Novellen nach wahren Kriegsfällen. Pesth
und Leipzig, H. Geibel. — Die meisten dieser Novellen sind von Sajü, einem der be¬
liebtesten ungarischen Publicisten. Die Darstellung ist lebhaft und anschaulich, obgleich
wir eigentlich nicht sagen können, daß es uns angenehm berührt, die Schaudcrthaten, die
wir ein Jahr vorher als entsetzliche Wirklichkeit in den Zeitungen gelesen, so kurze Zeit
darauf als anmuthigen Nomanstoff verarbeitet zu sehen.

KcKcnntnijse eines CiviUsien. Nicht von Q. E—es. Leipzig, Costenoble und
Remmelmann. — Natürlich eine Entgegnungschrift auf die „Bekenntnisse eines Soldaten"
(Wien, Jasper, Hügel und Manz), die in Oestreich so viel Aussehen gemacht und auch
in diesen Blättern mehrfach eine Besprechung gefunden haben. Der „Civilist" ist durch die
absolutistischen Paradoxien des „Soldaten", den er als einen Ausfluß der altconservativen
Partei in Ungarn, wenn auch nicht gerade als den Repräsentanten derselben anzusehen
geneigt ist, so ausgebracht, daß er die liberale Partei zu einer unbedingten Unterstützung
des vergleichungsweise wenigstens „liberalen" Ministeriums auffordert. Als Kuriosität
für unsere preußischen Leser theilen wir folgende Stelle mit: „Bei uns sind die Verhält¬
nisse anders als in Preußen. In Preußen ist ein, wenn auch nicht sehr großer Theil
des Bürger- und Bauernthums wirklich aus Ueberzeugung reactionär. Bei uns ist es
nnr ein kleiner Bruchtheil des Heeres und des Adels. Bei uus fehlen die Stahls und
Gerlachs, und wir wollen hoffen, auch die Odins (O!ü). Uns fehlt der finstere mncke-
rische, protestantische Pietismus, gegen den die katholische Bigotterie Freigeisterei ist." —
Daß der „Civilist" in seinem Eifer gegen den Major Barbarczy so weit geht, seine Be-


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[0365] Seite eine echte Wachtmeister-Physiognomie ans Wallensteins Lager; große Stirn, lachende Angen, gebändigter Bartwuchs, stramme, derbe Figur und eine abgeschlossene, joviale, sichere Art und Weise in Rede und Bewegung, wie sie einem ganzen Officiercorps als Muster vorgehalten werden könnte. Als wir wieder in's Freie traten, wurden 4 dänische Gefangene eingebracht. Von sern gesehen, machen die blauen Hosen sie deu Holsteinern sehr ähnlich; erst nahebei treten die einzelnen Verschiedenheiten mehr hervor, und besonders machen die östreichischen oder französischen Käppies, starke, hohe Mützen mit geradem Schirm, den Dänen kenntlich. Der Waffenrock ist sonst ähnlicher Lange. Man lernt den FeiiH im Kriege leicht an den geringsten Kennzeichen vom Freunde unterscheiden; sonst müßten in diesem Kriege viele Verwechselungen vorfallen. Die Holsteiner bekommen indessen allmälig sämmtlich, statt der blauen, die grauen preußischen Beinkleider und sind dann ganz auf gleichem Fuß mit der preußischen Armee. — Die Gefangenen waren aus verschiedenen Alters¬ klassen, schienen mit der Veränderung ihres Schicksals ganz zufrieden und konnten auch schon die ruhige Haltung, welche ihnen gegenüber die müßigen Zuschauer beobachteten, für ein Zeichen hinnehmen, daß Holstein kein Pendant zu dem Kopenhagener Pöbel zu liefern im Stande ist. L i t e r a t u r V l a t t. Neue Schriften über Oestreich. Schlachttcldcrblüthen ans Ungarn. Novellen nach wahren Kriegsfällen. Pesth und Leipzig, H. Geibel. — Die meisten dieser Novellen sind von Sajü, einem der be¬ liebtesten ungarischen Publicisten. Die Darstellung ist lebhaft und anschaulich, obgleich wir eigentlich nicht sagen können, daß es uns angenehm berührt, die Schaudcrthaten, die wir ein Jahr vorher als entsetzliche Wirklichkeit in den Zeitungen gelesen, so kurze Zeit darauf als anmuthigen Nomanstoff verarbeitet zu sehen. KcKcnntnijse eines CiviUsien. Nicht von Q. E—es. Leipzig, Costenoble und Remmelmann. — Natürlich eine Entgegnungschrift auf die „Bekenntnisse eines Soldaten" (Wien, Jasper, Hügel und Manz), die in Oestreich so viel Aussehen gemacht und auch in diesen Blättern mehrfach eine Besprechung gefunden haben. Der „Civilist" ist durch die absolutistischen Paradoxien des „Soldaten", den er als einen Ausfluß der altconservativen Partei in Ungarn, wenn auch nicht gerade als den Repräsentanten derselben anzusehen geneigt ist, so ausgebracht, daß er die liberale Partei zu einer unbedingten Unterstützung des vergleichungsweise wenigstens „liberalen" Ministeriums auffordert. Als Kuriosität für unsere preußischen Leser theilen wir folgende Stelle mit: „Bei uns sind die Verhält¬ nisse anders als in Preußen. In Preußen ist ein, wenn auch nicht sehr großer Theil des Bürger- und Bauernthums wirklich aus Ueberzeugung reactionär. Bei uns ist es nnr ein kleiner Bruchtheil des Heeres und des Adels. Bei uus fehlen die Stahls und Gerlachs, und wir wollen hoffen, auch die Odins (O!ü). Uns fehlt der finstere mncke- rische, protestantische Pietismus, gegen den die katholische Bigotterie Freigeisterei ist." — Daß der „Civilist" in seinem Eifer gegen den Major Barbarczy so weit geht, seine Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/365>, abgerufen am 22.07.2024.