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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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In diesem Satz liegt auch die Antwort auf Ihre Frage, wie der Kaiser sich
im Fall eines Krieges zwischen Oestreich und Preußen verhalten wird. Ich kann
Ihnen nichts anders geben, als meine eigene Ansicht. Ich habe aber die Ansicht,
daß wir uns beobachtend verhalten werden, so lange der Krieg nnr von deutschen ^
Mächten geführt wird; daß der Kaiser mit Genugthuung sehen wird, wenn
Preußen kleine Demüthigungen erfährt, trotzdem aber der Regierung des Fürsten
Schwarzenberg uicht gestatten kann, Preußen aufzureiben, und daß ferner, falls
Preußen mit seinen Waffen glücklicher sein sollte, als wir erwarten, sein erster
großer Sieg der Anfang einer Reihe von kurzen Warnungen sein wird, gleich
jenen, welche das preußische Heer vou Jütland vertrieben haben. -- In Peters-
burg oder in Warschau werden auf der Karte vou Deutschland die Nadeln ein¬
gesteckt werden, bis zu welchen Ihre deutschen Armeen vorrücken dürfen.

Das ist unbequem für Ihren Patriotismus, aber es ist nicht zu ändern.
Fester als je steht die Herrschaft des Kaisers über Ihre Länder, sie wird stehen,
so lange als der Gegensatz zwischen Preußen und Oestreich dauert, und dieser
Gegensatz wird dauern, so lange beide Staaten bestehen. Wünscht aber deshalb
der Unwille Ihrer Demokraten beide Staaten zu vernichten, so ist das vollends
thöricht, denn dann sind wir in die lästige Nothwendigkeit versetzt, die zertrüm¬
merten deutschen Staaten etwa bis zur Elbe und Böhmen zu besetzen, den Fran¬
zosen die Rheinländer zu lassen und dem englischen Interesse die Nordseestaaten
anzubieten. Auch das Rußland nach uns wird diese Nothwendigkeit sehr beklagen,
denn sie würde unsern Schwerpunkt verrücken. Wir können Ihren Idealismus
nicht gebrauchen.

Jetzt werden Sie begreifen, warum uns Russen Ihr Parlament in Frank-
furt mit seinen Vergößeruugöpläueu so ungereimt erschien. Ihre besten Patrioten
vergaßen, daß weder sie selbst noch ihre Fürsten die Macht hatten, frei in Ihrem
eignen Gebiet zu herrschen, und sie wollten noch fremdes dazu erobern! -- Ihre
plötzliche Revolution hat die natürliche Folge gehabt, unser Protectorat zu He¬
festigen, freilich auch Ihren Fürsten und Volk'ern auffälliger zu macheu. In
ruhigen Zeiten wird man es weniger merken. -- Ihre Liberalen fordern ein Bündniß
mit England, ja Krieg gegen Nußland. -- Nußland ist sehr groß, es hat wenig
Küstenland und Polen ist nicht mehr gefährlich. Wollen Ihre liberalen Politiker
einer russischen Armee von 200,000 Mann das Vergügen machen, die Scheuern
und Viehställe der alten preußischen Provinzen aufzuessen? Aber Sie werden
uns schlagen, deun Sie haben Begeisterung, unsere Soldaten sind arme Teufel.
Wozu wollen Sie uns schlagen? Wollen Sie in Polen einrücken, das Land in-
surgiren, uns auf Moskau zurücktreiben? Wissen Sie, was das alte Polen ist/?
Eine Leiche; Sie werden höchstens einige galvanische Zuckungen hervorbringen;
alle nützliche Kraft in Polen gehört uns; Ihr Polen hat weder Getreide, noch
Geld, noch Waffen, noch Menschen., Eine Armee von 100,000 Preußen in


Grenzboten. IV. 1850. 110

In diesem Satz liegt auch die Antwort auf Ihre Frage, wie der Kaiser sich
im Fall eines Krieges zwischen Oestreich und Preußen verhalten wird. Ich kann
Ihnen nichts anders geben, als meine eigene Ansicht. Ich habe aber die Ansicht,
daß wir uns beobachtend verhalten werden, so lange der Krieg nnr von deutschen ^
Mächten geführt wird; daß der Kaiser mit Genugthuung sehen wird, wenn
Preußen kleine Demüthigungen erfährt, trotzdem aber der Regierung des Fürsten
Schwarzenberg uicht gestatten kann, Preußen aufzureiben, und daß ferner, falls
Preußen mit seinen Waffen glücklicher sein sollte, als wir erwarten, sein erster
großer Sieg der Anfang einer Reihe von kurzen Warnungen sein wird, gleich
jenen, welche das preußische Heer vou Jütland vertrieben haben. — In Peters-
burg oder in Warschau werden auf der Karte vou Deutschland die Nadeln ein¬
gesteckt werden, bis zu welchen Ihre deutschen Armeen vorrücken dürfen.

Das ist unbequem für Ihren Patriotismus, aber es ist nicht zu ändern.
Fester als je steht die Herrschaft des Kaisers über Ihre Länder, sie wird stehen,
so lange als der Gegensatz zwischen Preußen und Oestreich dauert, und dieser
Gegensatz wird dauern, so lange beide Staaten bestehen. Wünscht aber deshalb
der Unwille Ihrer Demokraten beide Staaten zu vernichten, so ist das vollends
thöricht, denn dann sind wir in die lästige Nothwendigkeit versetzt, die zertrüm¬
merten deutschen Staaten etwa bis zur Elbe und Böhmen zu besetzen, den Fran¬
zosen die Rheinländer zu lassen und dem englischen Interesse die Nordseestaaten
anzubieten. Auch das Rußland nach uns wird diese Nothwendigkeit sehr beklagen,
denn sie würde unsern Schwerpunkt verrücken. Wir können Ihren Idealismus
nicht gebrauchen.

Jetzt werden Sie begreifen, warum uns Russen Ihr Parlament in Frank-
furt mit seinen Vergößeruugöpläueu so ungereimt erschien. Ihre besten Patrioten
vergaßen, daß weder sie selbst noch ihre Fürsten die Macht hatten, frei in Ihrem
eignen Gebiet zu herrschen, und sie wollten noch fremdes dazu erobern! — Ihre
plötzliche Revolution hat die natürliche Folge gehabt, unser Protectorat zu He¬
festigen, freilich auch Ihren Fürsten und Volk'ern auffälliger zu macheu. In
ruhigen Zeiten wird man es weniger merken. — Ihre Liberalen fordern ein Bündniß
mit England, ja Krieg gegen Nußland. — Nußland ist sehr groß, es hat wenig
Küstenland und Polen ist nicht mehr gefährlich. Wollen Ihre liberalen Politiker
einer russischen Armee von 200,000 Mann das Vergügen machen, die Scheuern
und Viehställe der alten preußischen Provinzen aufzuessen? Aber Sie werden
uns schlagen, deun Sie haben Begeisterung, unsere Soldaten sind arme Teufel.
Wozu wollen Sie uns schlagen? Wollen Sie in Polen einrücken, das Land in-
surgiren, uns auf Moskau zurücktreiben? Wissen Sie, was das alte Polen ist/?
Eine Leiche; Sie werden höchstens einige galvanische Zuckungen hervorbringen;
alle nützliche Kraft in Polen gehört uns; Ihr Polen hat weder Getreide, noch
Geld, noch Waffen, noch Menschen., Eine Armee von 100,000 Preußen in


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[0361] In diesem Satz liegt auch die Antwort auf Ihre Frage, wie der Kaiser sich im Fall eines Krieges zwischen Oestreich und Preußen verhalten wird. Ich kann Ihnen nichts anders geben, als meine eigene Ansicht. Ich habe aber die Ansicht, daß wir uns beobachtend verhalten werden, so lange der Krieg nnr von deutschen ^ Mächten geführt wird; daß der Kaiser mit Genugthuung sehen wird, wenn Preußen kleine Demüthigungen erfährt, trotzdem aber der Regierung des Fürsten Schwarzenberg uicht gestatten kann, Preußen aufzureiben, und daß ferner, falls Preußen mit seinen Waffen glücklicher sein sollte, als wir erwarten, sein erster großer Sieg der Anfang einer Reihe von kurzen Warnungen sein wird, gleich jenen, welche das preußische Heer vou Jütland vertrieben haben. — In Peters- burg oder in Warschau werden auf der Karte vou Deutschland die Nadeln ein¬ gesteckt werden, bis zu welchen Ihre deutschen Armeen vorrücken dürfen. Das ist unbequem für Ihren Patriotismus, aber es ist nicht zu ändern. Fester als je steht die Herrschaft des Kaisers über Ihre Länder, sie wird stehen, so lange als der Gegensatz zwischen Preußen und Oestreich dauert, und dieser Gegensatz wird dauern, so lange beide Staaten bestehen. Wünscht aber deshalb der Unwille Ihrer Demokraten beide Staaten zu vernichten, so ist das vollends thöricht, denn dann sind wir in die lästige Nothwendigkeit versetzt, die zertrüm¬ merten deutschen Staaten etwa bis zur Elbe und Böhmen zu besetzen, den Fran¬ zosen die Rheinländer zu lassen und dem englischen Interesse die Nordseestaaten anzubieten. Auch das Rußland nach uns wird diese Nothwendigkeit sehr beklagen, denn sie würde unsern Schwerpunkt verrücken. Wir können Ihren Idealismus nicht gebrauchen. Jetzt werden Sie begreifen, warum uns Russen Ihr Parlament in Frank- furt mit seinen Vergößeruugöpläueu so ungereimt erschien. Ihre besten Patrioten vergaßen, daß weder sie selbst noch ihre Fürsten die Macht hatten, frei in Ihrem eignen Gebiet zu herrschen, und sie wollten noch fremdes dazu erobern! — Ihre plötzliche Revolution hat die natürliche Folge gehabt, unser Protectorat zu He¬ festigen, freilich auch Ihren Fürsten und Volk'ern auffälliger zu macheu. In ruhigen Zeiten wird man es weniger merken. — Ihre Liberalen fordern ein Bündniß mit England, ja Krieg gegen Nußland. — Nußland ist sehr groß, es hat wenig Küstenland und Polen ist nicht mehr gefährlich. Wollen Ihre liberalen Politiker einer russischen Armee von 200,000 Mann das Vergügen machen, die Scheuern und Viehställe der alten preußischen Provinzen aufzuessen? Aber Sie werden uns schlagen, deun Sie haben Begeisterung, unsere Soldaten sind arme Teufel. Wozu wollen Sie uns schlagen? Wollen Sie in Polen einrücken, das Land in- surgiren, uns auf Moskau zurücktreiben? Wissen Sie, was das alte Polen ist/? Eine Leiche; Sie werden höchstens einige galvanische Zuckungen hervorbringen; alle nützliche Kraft in Polen gehört uns; Ihr Polen hat weder Getreide, noch Geld, noch Waffen, noch Menschen., Eine Armee von 100,000 Preußen in Grenzboten. IV. 1850. 110

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/361>, abgerufen am 22.07.2024.