Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ten, dafür aber die Verbindlichkeit auflegten, nnr für die Kolonie und Niemand
sonst zu arbeiten. Statt die Wolle zu dem billigen Preise zu verkaufen, zu wel¬
chem man sie im Allgemeinen den Engländern überließ, verkauften jetzt diese Colo-
nien die Tuche zu dem hohen Preise, den die Engländer dafür forderten, und
machten so begreiflicherweise Schollen Gewinn.

Darauf machten anch einige polnische Edelleute dieselbe Speculation und vor
mehrern Jahren eine kluge Frau von Dalkowska, eine geborne Französin, welche
an der Weichsel nahe den berühmten Czartoryöki'schen Gütern zwei Dörfer besitzt.
Durch einen Verwandten in preußischem Staatsdienst wurde es ihr leicht, eine
Anzahl voll Tuchwebern ans ihre Herrschaft zu ziehen. Jedem derselben verkaufte
sie eine Hütte mit Scherer und einem Acker Landes dergestalt, daß jedes Recht
auf diese Gegeustände ihrerseits für ewige Zeiten erlosch. Die Tuchweber waren
freie Eigenthümer ihrer Wirthschaften. Der Kansbetrag einer jeden Wirthschaft
war M) Gulden oder 150 Thaler. Diesen Betrag sollten die Käufer entweder
baar entrichten oder durch Arbeiten für die Grnndherrin allmälig tilgen. Durch
gerichtliche Kaufcoutracte wurde dies festgesetzt und daneben folgende gerichtliche
Geschäftscontracte abgeschlossen. Alle Käufer mußten die Verpflichtung eingehen,
die Wollvorrätbe der Gruudherriu zu weben, und zwar zu einem Preise, über
welchen alljährlich ans's Neue eine Einigung zwischen den Arbeitern und der
Arbeitgeberin stattfinden sollte, und ferner eine zweite Verpflichtung, uicht eher
Wollen von andern Personen zur Verarbeitung anzunehmen, bis die Wollvor¬
räthe der Gruudherriu völlig erschöpft seien. Außerdem hatten sie alljährlich
wenigstens zwei Knaben voll den bäurischen Unterthanen, der Gruudherriu in die
Webereien als Lehrlinge aufzunehmen.

Die meisten der Tuchweber entrichteten sogleich ganz oder zum Theil die Kauf-
summe, nach Verlauf voll vier Jahren aber waren alle schuldenfrei und nach dem
Vertrag im ganzen Umfange Eigenthümer ihrer Wirthschaften. Schon in dieser
Zeit hatte die Freundschaft zwischen den Webern und der Gruudherriu einen
Stoß erlitten. Die Gruudherriil schien diese freien Besitzer von ihrer Herrschaft
gern wieder los werden zu wollen, da sie bereits uuter ihren eingeborenen Unter¬
thanen einige Leute besaß, welche die Weberei verstanden. Ans verschiedene Weise
suchte sie den Webern den Anfenthalt lästig zu machen, ohne dadurch mehr zu
erreichen, als daß jene ihr den Arbeitspreis höher trieben. Da versuchte die
Dame einen Gewaltschritt.

Nach der Schur war die Einigung wegen des Weltpreises ans's Neue zu
Stande gekommen. Aber Fran von D. ließ diesmal ungewöhnlich kleine Woll¬
quanta all die Arbeiter verabreiche und, nachdem etwa die Hälfte ihrer Wolle
verarbeitet war, nichts mehr liefern. Wiederholten Bitten und Mahnungen voll
Seite der deutscheu Weber wurde in eiuer Weise entgegnet, daß diese sahen, die
Herrin störe absichtlich die Arbeit dnrch Vorenthaltung des Materials. Drei


ten, dafür aber die Verbindlichkeit auflegten, nnr für die Kolonie und Niemand
sonst zu arbeiten. Statt die Wolle zu dem billigen Preise zu verkaufen, zu wel¬
chem man sie im Allgemeinen den Engländern überließ, verkauften jetzt diese Colo-
nien die Tuche zu dem hohen Preise, den die Engländer dafür forderten, und
machten so begreiflicherweise Schollen Gewinn.

Darauf machten anch einige polnische Edelleute dieselbe Speculation und vor
mehrern Jahren eine kluge Frau von Dalkowska, eine geborne Französin, welche
an der Weichsel nahe den berühmten Czartoryöki'schen Gütern zwei Dörfer besitzt.
Durch einen Verwandten in preußischem Staatsdienst wurde es ihr leicht, eine
Anzahl voll Tuchwebern ans ihre Herrschaft zu ziehen. Jedem derselben verkaufte
sie eine Hütte mit Scherer und einem Acker Landes dergestalt, daß jedes Recht
auf diese Gegeustände ihrerseits für ewige Zeiten erlosch. Die Tuchweber waren
freie Eigenthümer ihrer Wirthschaften. Der Kansbetrag einer jeden Wirthschaft
war M) Gulden oder 150 Thaler. Diesen Betrag sollten die Käufer entweder
baar entrichten oder durch Arbeiten für die Grnndherrin allmälig tilgen. Durch
gerichtliche Kaufcoutracte wurde dies festgesetzt und daneben folgende gerichtliche
Geschäftscontracte abgeschlossen. Alle Käufer mußten die Verpflichtung eingehen,
die Wollvorrätbe der Gruudherriu zu weben, und zwar zu einem Preise, über
welchen alljährlich ans's Neue eine Einigung zwischen den Arbeitern und der
Arbeitgeberin stattfinden sollte, und ferner eine zweite Verpflichtung, uicht eher
Wollen von andern Personen zur Verarbeitung anzunehmen, bis die Wollvor¬
räthe der Gruudherriu völlig erschöpft seien. Außerdem hatten sie alljährlich
wenigstens zwei Knaben voll den bäurischen Unterthanen, der Gruudherriu in die
Webereien als Lehrlinge aufzunehmen.

Die meisten der Tuchweber entrichteten sogleich ganz oder zum Theil die Kauf-
summe, nach Verlauf voll vier Jahren aber waren alle schuldenfrei und nach dem
Vertrag im ganzen Umfange Eigenthümer ihrer Wirthschaften. Schon in dieser
Zeit hatte die Freundschaft zwischen den Webern und der Gruudherriu einen
Stoß erlitten. Die Gruudherriil schien diese freien Besitzer von ihrer Herrschaft
gern wieder los werden zu wollen, da sie bereits uuter ihren eingeborenen Unter¬
thanen einige Leute besaß, welche die Weberei verstanden. Ans verschiedene Weise
suchte sie den Webern den Anfenthalt lästig zu machen, ohne dadurch mehr zu
erreichen, als daß jene ihr den Arbeitspreis höher trieben. Da versuchte die
Dame einen Gewaltschritt.

Nach der Schur war die Einigung wegen des Weltpreises ans's Neue zu
Stande gekommen. Aber Fran von D. ließ diesmal ungewöhnlich kleine Woll¬
quanta all die Arbeiter verabreiche und, nachdem etwa die Hälfte ihrer Wolle
verarbeitet war, nichts mehr liefern. Wiederholten Bitten und Mahnungen voll
Seite der deutscheu Weber wurde in eiuer Weise entgegnet, daß diese sahen, die
Herrin störe absichtlich die Arbeit dnrch Vorenthaltung des Materials. Drei


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92639"/>
          <p xml:id="ID_1113" prev="#ID_1112"> ten, dafür aber die Verbindlichkeit auflegten, nnr für die Kolonie und Niemand<lb/>
sonst zu arbeiten. Statt die Wolle zu dem billigen Preise zu verkaufen, zu wel¬<lb/>
chem man sie im Allgemeinen den Engländern überließ, verkauften jetzt diese Colo-<lb/>
nien die Tuche zu dem hohen Preise, den die Engländer dafür forderten, und<lb/>
machten so begreiflicherweise Schollen Gewinn.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1114"> Darauf machten anch einige polnische Edelleute dieselbe Speculation und vor<lb/>
mehrern Jahren eine kluge Frau von Dalkowska, eine geborne Französin, welche<lb/>
an der Weichsel nahe den berühmten Czartoryöki'schen Gütern zwei Dörfer besitzt.<lb/>
Durch einen Verwandten in preußischem Staatsdienst wurde es ihr leicht, eine<lb/>
Anzahl voll Tuchwebern ans ihre Herrschaft zu ziehen. Jedem derselben verkaufte<lb/>
sie eine Hütte mit Scherer und einem Acker Landes dergestalt, daß jedes Recht<lb/>
auf diese Gegeustände ihrerseits für ewige Zeiten erlosch. Die Tuchweber waren<lb/>
freie Eigenthümer ihrer Wirthschaften. Der Kansbetrag einer jeden Wirthschaft<lb/>
war M) Gulden oder 150 Thaler. Diesen Betrag sollten die Käufer entweder<lb/>
baar entrichten oder durch Arbeiten für die Grnndherrin allmälig tilgen. Durch<lb/>
gerichtliche Kaufcoutracte wurde dies festgesetzt und daneben folgende gerichtliche<lb/>
Geschäftscontracte abgeschlossen. Alle Käufer mußten die Verpflichtung eingehen,<lb/>
die Wollvorrätbe der Gruudherriu zu weben, und zwar zu einem Preise, über<lb/>
welchen alljährlich ans's Neue eine Einigung zwischen den Arbeitern und der<lb/>
Arbeitgeberin stattfinden sollte, und ferner eine zweite Verpflichtung, uicht eher<lb/>
Wollen von andern Personen zur Verarbeitung anzunehmen, bis die Wollvor¬<lb/>
räthe der Gruudherriu völlig erschöpft seien. Außerdem hatten sie alljährlich<lb/>
wenigstens zwei Knaben voll den bäurischen Unterthanen, der Gruudherriu in die<lb/>
Webereien als Lehrlinge aufzunehmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1115"> Die meisten der Tuchweber entrichteten sogleich ganz oder zum Theil die Kauf-<lb/>
summe, nach Verlauf voll vier Jahren aber waren alle schuldenfrei und nach dem<lb/>
Vertrag im ganzen Umfange Eigenthümer ihrer Wirthschaften. Schon in dieser<lb/>
Zeit hatte die Freundschaft zwischen den Webern und der Gruudherriu einen<lb/>
Stoß erlitten. Die Gruudherriil schien diese freien Besitzer von ihrer Herrschaft<lb/>
gern wieder los werden zu wollen, da sie bereits uuter ihren eingeborenen Unter¬<lb/>
thanen einige Leute besaß, welche die Weberei verstanden. Ans verschiedene Weise<lb/>
suchte sie den Webern den Anfenthalt lästig zu machen, ohne dadurch mehr zu<lb/>
erreichen, als daß jene ihr den Arbeitspreis höher trieben. Da versuchte die<lb/>
Dame einen Gewaltschritt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1116" next="#ID_1117"> Nach der Schur war die Einigung wegen des Weltpreises ans's Neue zu<lb/>
Stande gekommen. Aber Fran von D. ließ diesmal ungewöhnlich kleine Woll¬<lb/>
quanta all die Arbeiter verabreiche und, nachdem etwa die Hälfte ihrer Wolle<lb/>
verarbeitet war, nichts mehr liefern. Wiederholten Bitten und Mahnungen voll<lb/>
Seite der deutscheu Weber wurde in eiuer Weise entgegnet, daß diese sahen, die<lb/>
Herrin störe absichtlich die Arbeit dnrch Vorenthaltung des Materials. Drei</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0350] ten, dafür aber die Verbindlichkeit auflegten, nnr für die Kolonie und Niemand sonst zu arbeiten. Statt die Wolle zu dem billigen Preise zu verkaufen, zu wel¬ chem man sie im Allgemeinen den Engländern überließ, verkauften jetzt diese Colo- nien die Tuche zu dem hohen Preise, den die Engländer dafür forderten, und machten so begreiflicherweise Schollen Gewinn. Darauf machten anch einige polnische Edelleute dieselbe Speculation und vor mehrern Jahren eine kluge Frau von Dalkowska, eine geborne Französin, welche an der Weichsel nahe den berühmten Czartoryöki'schen Gütern zwei Dörfer besitzt. Durch einen Verwandten in preußischem Staatsdienst wurde es ihr leicht, eine Anzahl voll Tuchwebern ans ihre Herrschaft zu ziehen. Jedem derselben verkaufte sie eine Hütte mit Scherer und einem Acker Landes dergestalt, daß jedes Recht auf diese Gegeustände ihrerseits für ewige Zeiten erlosch. Die Tuchweber waren freie Eigenthümer ihrer Wirthschaften. Der Kansbetrag einer jeden Wirthschaft war M) Gulden oder 150 Thaler. Diesen Betrag sollten die Käufer entweder baar entrichten oder durch Arbeiten für die Grnndherrin allmälig tilgen. Durch gerichtliche Kaufcoutracte wurde dies festgesetzt und daneben folgende gerichtliche Geschäftscontracte abgeschlossen. Alle Käufer mußten die Verpflichtung eingehen, die Wollvorrätbe der Gruudherriu zu weben, und zwar zu einem Preise, über welchen alljährlich ans's Neue eine Einigung zwischen den Arbeitern und der Arbeitgeberin stattfinden sollte, und ferner eine zweite Verpflichtung, uicht eher Wollen von andern Personen zur Verarbeitung anzunehmen, bis die Wollvor¬ räthe der Gruudherriu völlig erschöpft seien. Außerdem hatten sie alljährlich wenigstens zwei Knaben voll den bäurischen Unterthanen, der Gruudherriu in die Webereien als Lehrlinge aufzunehmen. Die meisten der Tuchweber entrichteten sogleich ganz oder zum Theil die Kauf- summe, nach Verlauf voll vier Jahren aber waren alle schuldenfrei und nach dem Vertrag im ganzen Umfange Eigenthümer ihrer Wirthschaften. Schon in dieser Zeit hatte die Freundschaft zwischen den Webern und der Gruudherriu einen Stoß erlitten. Die Gruudherriil schien diese freien Besitzer von ihrer Herrschaft gern wieder los werden zu wollen, da sie bereits uuter ihren eingeborenen Unter¬ thanen einige Leute besaß, welche die Weberei verstanden. Ans verschiedene Weise suchte sie den Webern den Anfenthalt lästig zu machen, ohne dadurch mehr zu erreichen, als daß jene ihr den Arbeitspreis höher trieben. Da versuchte die Dame einen Gewaltschritt. Nach der Schur war die Einigung wegen des Weltpreises ans's Neue zu Stande gekommen. Aber Fran von D. ließ diesmal ungewöhnlich kleine Woll¬ quanta all die Arbeiter verabreiche und, nachdem etwa die Hälfte ihrer Wolle verarbeitet war, nichts mehr liefern. Wiederholten Bitten und Mahnungen voll Seite der deutscheu Weber wurde in eiuer Weise entgegnet, daß diese sahen, die Herrin störe absichtlich die Arbeit dnrch Vorenthaltung des Materials. Drei

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/350
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/350>, abgerufen am 25.07.2024.