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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Stubaier, die wie sie mit schwarz-roth-goldenem Banner ausgezogen. Diese hatten
auch einen liberalen Feldcaplan, den Hilfspriester Anton Eberle, der später ihre
Geschicke aufschrieb, und seines freien Sinnes halber viel Bitteres vom Brixener
Consistorium erleiden mußte. Vou Trient aus führte beide mit einer Abtheilung
Militär und andern Schützen ans Zillerthal, Thaure und Sterzing General, oder
wie ihn schon früher seine Kaiserjäger zutraulich nannten, "Vater" Roßbach, dem
nunmehr das Obercommando der Schützen anvertraut war, und zum Gedeihen
ihrer Züge auch bis zum Ende blieb. Er beabsichtigte einen Streifzug in's Val-
sugana zur Herstellung der Verbindung mit dem über Feltre anrückenden Umgend
und reinigte vorerst mit einer Abtheilung das Seitenthal Caldonazzo von einem
Hansen Insurgenten, die den Aufstand östlich von Trient verbreiten sollten. Sie
stoben, obgleich mit zwei Bergkanonen versehen und um vieles stärker, als ihre
Angreifer, in so wilder Flucht auseinander, daß diese noch ihren warmen Kaffee
tranken; um nichts ihren alten Rechten zu vergeben, wollten aber dieTvroler die
Verfolgung nicht über die Landesgrenze ausdehnen. Einen Haufen von 2V0
wälschen Freischärlern führten drei Frati an und commaudirten mit dem Crucifix
in der Hand. Dergleichen Beispiele von geistlichen! Heroismus waren keine
seltenen. Dieselben Stubaier fanden sich bald nachher bei einem Ausfall aus
Primolano vom dortigen Pfarrer mit wohlgemeinten Schüssen begrüßt, die er
unter dem Regenschirm seiner Haushälterin eifrig über ihre Köpfe pfeifen ließ;
ein anderer Priester führte im Chorrock die Lanciers von Ampezzo an, und erlag
trotz dieser geweihten Armatur eiuer profanen Kugel, wie mancher Andere, der das
Kreuz auf die Brust geheftet hatte, das "unüberwindliche", wie Tomascr meinte.
Erwünscht waren aber solche Vorfälle auch diesseits uicht, denn der tyroler Baller
unterschied null unwillkürlich zwischeu dem wälschen Clerus und seinem "alten wahren
Glauben."

Nach diesem kleinen Ausflug ging es unmittelbar auf die Thalmündung von
Primolano los, die jedoch bei der starken feindlichen Verschanzung und dem Mallgel
äußerer Hilfe eine Zeit lang gesperrt blieb. Die Stubaier bildeten nebst einer
Compagnie Linientruppen die äußerste Vorhut in Tezze, erwiederten die Neckereien
der Aufständischen mit gutgezielten Kugeln, und verteilten ihnen bei einem Hand¬
streich auf die Anhöhe unter ihrem tapfern Hauptmann Pfnrtscheller einen Sechs-
pfünder, deu sie über die Felsen uicht mitzuschleppen vermochten. Nach ihrem
Abzüge wirkten die Innsbrucker Akademiker bei dem Unternehmen auf deu Paß
Covelo mit, wobei ihnen von den in die Flucht gejagten Insurgenten ein neapo¬
litanischer Dreipfünder in die Hände siel, dessen Eigenthum sie als Siegestrophäe
erhielten. Eine Ehrenrettung ihres Hauptmannes Aigner in der Schützenzeitung
gegen die Verleumdung der Grödeer, daß es nur eine versandete Kanone gewesen,
machte natürlich Aergerniß. Die zweite Compagnie der Innsbrucks Studenten
streifte anfangs ebenfalls durch's Thal von Caldonazzo, versah dann den lästigen


Grenzboten. IV. 1850. 104

Stubaier, die wie sie mit schwarz-roth-goldenem Banner ausgezogen. Diese hatten
auch einen liberalen Feldcaplan, den Hilfspriester Anton Eberle, der später ihre
Geschicke aufschrieb, und seines freien Sinnes halber viel Bitteres vom Brixener
Consistorium erleiden mußte. Vou Trient aus führte beide mit einer Abtheilung
Militär und andern Schützen ans Zillerthal, Thaure und Sterzing General, oder
wie ihn schon früher seine Kaiserjäger zutraulich nannten, „Vater" Roßbach, dem
nunmehr das Obercommando der Schützen anvertraut war, und zum Gedeihen
ihrer Züge auch bis zum Ende blieb. Er beabsichtigte einen Streifzug in's Val-
sugana zur Herstellung der Verbindung mit dem über Feltre anrückenden Umgend
und reinigte vorerst mit einer Abtheilung das Seitenthal Caldonazzo von einem
Hansen Insurgenten, die den Aufstand östlich von Trient verbreiten sollten. Sie
stoben, obgleich mit zwei Bergkanonen versehen und um vieles stärker, als ihre
Angreifer, in so wilder Flucht auseinander, daß diese noch ihren warmen Kaffee
tranken; um nichts ihren alten Rechten zu vergeben, wollten aber dieTvroler die
Verfolgung nicht über die Landesgrenze ausdehnen. Einen Haufen von 2V0
wälschen Freischärlern führten drei Frati an und commaudirten mit dem Crucifix
in der Hand. Dergleichen Beispiele von geistlichen! Heroismus waren keine
seltenen. Dieselben Stubaier fanden sich bald nachher bei einem Ausfall aus
Primolano vom dortigen Pfarrer mit wohlgemeinten Schüssen begrüßt, die er
unter dem Regenschirm seiner Haushälterin eifrig über ihre Köpfe pfeifen ließ;
ein anderer Priester führte im Chorrock die Lanciers von Ampezzo an, und erlag
trotz dieser geweihten Armatur eiuer profanen Kugel, wie mancher Andere, der das
Kreuz auf die Brust geheftet hatte, das „unüberwindliche", wie Tomascr meinte.
Erwünscht waren aber solche Vorfälle auch diesseits uicht, denn der tyroler Baller
unterschied null unwillkürlich zwischeu dem wälschen Clerus und seinem „alten wahren
Glauben."

Nach diesem kleinen Ausflug ging es unmittelbar auf die Thalmündung von
Primolano los, die jedoch bei der starken feindlichen Verschanzung und dem Mallgel
äußerer Hilfe eine Zeit lang gesperrt blieb. Die Stubaier bildeten nebst einer
Compagnie Linientruppen die äußerste Vorhut in Tezze, erwiederten die Neckereien
der Aufständischen mit gutgezielten Kugeln, und verteilten ihnen bei einem Hand¬
streich auf die Anhöhe unter ihrem tapfern Hauptmann Pfnrtscheller einen Sechs-
pfünder, deu sie über die Felsen uicht mitzuschleppen vermochten. Nach ihrem
Abzüge wirkten die Innsbrucker Akademiker bei dem Unternehmen auf deu Paß
Covelo mit, wobei ihnen von den in die Flucht gejagten Insurgenten ein neapo¬
litanischer Dreipfünder in die Hände siel, dessen Eigenthum sie als Siegestrophäe
erhielten. Eine Ehrenrettung ihres Hauptmannes Aigner in der Schützenzeitung
gegen die Verleumdung der Grödeer, daß es nur eine versandete Kanone gewesen,
machte natürlich Aergerniß. Die zweite Compagnie der Innsbrucks Studenten
streifte anfangs ebenfalls durch's Thal von Caldonazzo, versah dann den lästigen


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[0313] Stubaier, die wie sie mit schwarz-roth-goldenem Banner ausgezogen. Diese hatten auch einen liberalen Feldcaplan, den Hilfspriester Anton Eberle, der später ihre Geschicke aufschrieb, und seines freien Sinnes halber viel Bitteres vom Brixener Consistorium erleiden mußte. Vou Trient aus führte beide mit einer Abtheilung Militär und andern Schützen ans Zillerthal, Thaure und Sterzing General, oder wie ihn schon früher seine Kaiserjäger zutraulich nannten, „Vater" Roßbach, dem nunmehr das Obercommando der Schützen anvertraut war, und zum Gedeihen ihrer Züge auch bis zum Ende blieb. Er beabsichtigte einen Streifzug in's Val- sugana zur Herstellung der Verbindung mit dem über Feltre anrückenden Umgend und reinigte vorerst mit einer Abtheilung das Seitenthal Caldonazzo von einem Hansen Insurgenten, die den Aufstand östlich von Trient verbreiten sollten. Sie stoben, obgleich mit zwei Bergkanonen versehen und um vieles stärker, als ihre Angreifer, in so wilder Flucht auseinander, daß diese noch ihren warmen Kaffee tranken; um nichts ihren alten Rechten zu vergeben, wollten aber dieTvroler die Verfolgung nicht über die Landesgrenze ausdehnen. Einen Haufen von 2V0 wälschen Freischärlern führten drei Frati an und commaudirten mit dem Crucifix in der Hand. Dergleichen Beispiele von geistlichen! Heroismus waren keine seltenen. Dieselben Stubaier fanden sich bald nachher bei einem Ausfall aus Primolano vom dortigen Pfarrer mit wohlgemeinten Schüssen begrüßt, die er unter dem Regenschirm seiner Haushälterin eifrig über ihre Köpfe pfeifen ließ; ein anderer Priester führte im Chorrock die Lanciers von Ampezzo an, und erlag trotz dieser geweihten Armatur eiuer profanen Kugel, wie mancher Andere, der das Kreuz auf die Brust geheftet hatte, das „unüberwindliche", wie Tomascr meinte. Erwünscht waren aber solche Vorfälle auch diesseits uicht, denn der tyroler Baller unterschied null unwillkürlich zwischeu dem wälschen Clerus und seinem „alten wahren Glauben." Nach diesem kleinen Ausflug ging es unmittelbar auf die Thalmündung von Primolano los, die jedoch bei der starken feindlichen Verschanzung und dem Mallgel äußerer Hilfe eine Zeit lang gesperrt blieb. Die Stubaier bildeten nebst einer Compagnie Linientruppen die äußerste Vorhut in Tezze, erwiederten die Neckereien der Aufständischen mit gutgezielten Kugeln, und verteilten ihnen bei einem Hand¬ streich auf die Anhöhe unter ihrem tapfern Hauptmann Pfnrtscheller einen Sechs- pfünder, deu sie über die Felsen uicht mitzuschleppen vermochten. Nach ihrem Abzüge wirkten die Innsbrucker Akademiker bei dem Unternehmen auf deu Paß Covelo mit, wobei ihnen von den in die Flucht gejagten Insurgenten ein neapo¬ litanischer Dreipfünder in die Hände siel, dessen Eigenthum sie als Siegestrophäe erhielten. Eine Ehrenrettung ihres Hauptmannes Aigner in der Schützenzeitung gegen die Verleumdung der Grödeer, daß es nur eine versandete Kanone gewesen, machte natürlich Aergerniß. Die zweite Compagnie der Innsbrucks Studenten streifte anfangs ebenfalls durch's Thal von Caldonazzo, versah dann den lästigen Grenzboten. IV. 1850. 104

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/313>, abgerufen am 22.07.2024.