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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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zug durch die weitläufigen Gassen des mit deu Wälschen einverstandener Dorfes war
um so mehr in Frage gestellt, als die Jäger auf dem rechtem Eude im Fall eiues
Angriffs deu Auftrag hatten, in's Ampolathal zurückzugehen. Gleich fünf Tage
uach ihrer Ankunft ward einer Abtheilung vou zehn Akademikern, die uut drei
Jägern bei ponte wäesco aufgestellt waren, die schwere Nlifgabe zu Theil, dem
feindlichen Uebergang im Rücken eiues zu weit vorgerückten Streifzugs zu wehren.
Sie hielten wacker aus und hatten einen Todten, or. Frise, und zwei Verwundete.
Als sie ihre vereinzelte bedrohliche Lage begriffen, sandten sie ihren Oberstlieute-
nant Heinrich Vittorelli zum Stationscommandanten Oberstlieutenant Siguoriui
uach Condino und bestanden aus Verstärkung dnrch zwei Jägercompagnien, die
ihnen auch sogleich nachgeschoben wurden. Tags darauf, am 22. Mai, gab Oberst
v. Melczer Befehl zu einem allgemeinen Augriff, wobei acht Compagnien Feld-
uud Kaiserjäger, 4 vou Badeuiufauterie, 3 Kanonen und 2 Raketen und außer
den Wiener Studenten auch die Wiltauer und Jnbacher Schützen mitwirkten. Diese
letztern hatten sich schon am 13. bei Darzo ausgezeichnet und rühmten sich, daß
der Feind seither wiederholte ,,Blutspuren" in den Wäldern hinterlassen habe.
Lodrone und Caffaro wurden genommen, und schon erholten sich die Officiere nach
geschehener Arbeit im Schloß Lodron durch gemüthliche Tafelfreuden, als mitten
in den Hof eine Kanonenkugel niederfuhr. Mau hatte nämlich den Hügel Casta-
guida unweit Caffaro, der die Gegeud beherrschte, unbewacht gelassen. Diesen
besetzte der Feind, unterstützt von dem auf 4000 Mann angewachsenen Landvolk,
und alle Versuche, ihn durch Sturm zu nehmen, waren Angesichts der steilen zu¬
oberst von eiuer Mauer geschützten Anhöhe hoffnungslos. Dessenungeachtet be¬
theiligten sich außer dem an's Commando gebundenen Militär die Schützen und
ein Zug Wiener Freiwillige an diesem waghalsigen Unternehmen, wobei man
20 Verwundete zählte; Loorou und Caffaro mußten noch am selben Tage geräumt
werden. Kurz nachher brannte der Feind das Schloß ab. Am 23. erhielt die
Wiener Compagnie Befehl zum Aufbruch nach Riva. Wälsche und Deutsche lagen
sich vou nur an ohne einen weitern bedeutenden Vorfall noch wochenlang an
diesem äußersten Vorsprung Tyrols friedlich gegenüber; die Akademiker hielten
gute Zucht. Sie hatten unter sich ein Ehrengericht niedergesetzt, das ans acht
Gemeinen bestand, öffentlich und mündlich verhandelte, und giltig entschied, auch
der Hauptmann unterstand ihm. Die Schiedsrichter waren so strenge, daß sie schon
zu Trient ein Mitglied der Compagnie wegen versuchten Betruges von 40 kr.
C. M. ausschlossen, und selbst die aus ihrer Mitte ausgehenden Zeitungsberichte
über Kriegsvorsälle ihrer offenen Prüfung unterwarfen. Dessenohngeachtet ent¬
ging die Compagnie dem Lohne nicht, daß sie Graf Brandis nach ihrer Auslösung
insgesammt angeblich ans höhere Weisung, vielleicht wohl in Folge eiues rücksicht-
losen Entscheides desselben Ehrengerichtes unter Polizeiaufsicht stellte.

Die erste Compagnie ihrer Genossen ans Innsbruck traf in Steinach die


zug durch die weitläufigen Gassen des mit deu Wälschen einverstandener Dorfes war
um so mehr in Frage gestellt, als die Jäger auf dem rechtem Eude im Fall eiues
Angriffs deu Auftrag hatten, in's Ampolathal zurückzugehen. Gleich fünf Tage
uach ihrer Ankunft ward einer Abtheilung vou zehn Akademikern, die uut drei
Jägern bei ponte wäesco aufgestellt waren, die schwere Nlifgabe zu Theil, dem
feindlichen Uebergang im Rücken eiues zu weit vorgerückten Streifzugs zu wehren.
Sie hielten wacker aus und hatten einen Todten, or. Frise, und zwei Verwundete.
Als sie ihre vereinzelte bedrohliche Lage begriffen, sandten sie ihren Oberstlieute-
nant Heinrich Vittorelli zum Stationscommandanten Oberstlieutenant Siguoriui
uach Condino und bestanden aus Verstärkung dnrch zwei Jägercompagnien, die
ihnen auch sogleich nachgeschoben wurden. Tags darauf, am 22. Mai, gab Oberst
v. Melczer Befehl zu einem allgemeinen Augriff, wobei acht Compagnien Feld-
uud Kaiserjäger, 4 vou Badeuiufauterie, 3 Kanonen und 2 Raketen und außer
den Wiener Studenten auch die Wiltauer und Jnbacher Schützen mitwirkten. Diese
letztern hatten sich schon am 13. bei Darzo ausgezeichnet und rühmten sich, daß
der Feind seither wiederholte ,,Blutspuren" in den Wäldern hinterlassen habe.
Lodrone und Caffaro wurden genommen, und schon erholten sich die Officiere nach
geschehener Arbeit im Schloß Lodron durch gemüthliche Tafelfreuden, als mitten
in den Hof eine Kanonenkugel niederfuhr. Mau hatte nämlich den Hügel Casta-
guida unweit Caffaro, der die Gegeud beherrschte, unbewacht gelassen. Diesen
besetzte der Feind, unterstützt von dem auf 4000 Mann angewachsenen Landvolk,
und alle Versuche, ihn durch Sturm zu nehmen, waren Angesichts der steilen zu¬
oberst von eiuer Mauer geschützten Anhöhe hoffnungslos. Dessenungeachtet be¬
theiligten sich außer dem an's Commando gebundenen Militär die Schützen und
ein Zug Wiener Freiwillige an diesem waghalsigen Unternehmen, wobei man
20 Verwundete zählte; Loorou und Caffaro mußten noch am selben Tage geräumt
werden. Kurz nachher brannte der Feind das Schloß ab. Am 23. erhielt die
Wiener Compagnie Befehl zum Aufbruch nach Riva. Wälsche und Deutsche lagen
sich vou nur an ohne einen weitern bedeutenden Vorfall noch wochenlang an
diesem äußersten Vorsprung Tyrols friedlich gegenüber; die Akademiker hielten
gute Zucht. Sie hatten unter sich ein Ehrengericht niedergesetzt, das ans acht
Gemeinen bestand, öffentlich und mündlich verhandelte, und giltig entschied, auch
der Hauptmann unterstand ihm. Die Schiedsrichter waren so strenge, daß sie schon
zu Trient ein Mitglied der Compagnie wegen versuchten Betruges von 40 kr.
C. M. ausschlossen, und selbst die aus ihrer Mitte ausgehenden Zeitungsberichte
über Kriegsvorsälle ihrer offenen Prüfung unterwarfen. Dessenohngeachtet ent¬
ging die Compagnie dem Lohne nicht, daß sie Graf Brandis nach ihrer Auslösung
insgesammt angeblich ans höhere Weisung, vielleicht wohl in Folge eiues rücksicht-
losen Entscheides desselben Ehrengerichtes unter Polizeiaufsicht stellte.

Die erste Compagnie ihrer Genossen ans Innsbruck traf in Steinach die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/312>, abgerufen am 22.07.2024.