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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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eine Versammlung zu gleichem Zwecke statt, andere traten noch später bei; die
aufstrebende Intelligenz war die erste, die ein Herz für die bedrängten Brüder
und nächst den Helden von amtswegen Muth zur Vertheidigung des verjüngten
Oestreichs zeigte. Der eine der Abgeordneten, der daheim im Rufe der Frei¬
sinnigkeit stand, verschaffte ihnen von der Innsbrucks Schntzdepntation 1500 Fi.
Reisegeld; als er aber vernahm, die Schaar wolle über Innsbruck ziehen, und
nebenher deu Grafen Brandis nebst den Jesuiten verjagen, drohte er mit der
Vorenthaltung der Beisteuer, was den meisten der Zugvögel diese Reise verwehrt
hätte. Dies nöthigte den Akademikern die Bahn über Gratz auf. Am 15. April
Nachmittags zog das Hänflein, 131 Mann stark, zur Fahueuweihe in deu Sanct
Stephanödom und vou dort uuter dem Schutze des schwarzrotgoldenen Banners
durch ununterbrochene Spaliere der Nationalgarde in den Bahnhof, wo Wiener
Bürger den Scheidenden manchen blanken Gulden in die Hände drückten; man
betrachtete sie, die dem wachsenden Gerüchte nach in ein Blutbad zogen, als dem
Tode geweiht. Andere freilich freuten sich über den Ausmarsch des Absud der
Wiener Aula, und schrieben kleine Uriasbriefe nach Tyrol.

Hier war die Stimmung an beiden Orten schwierig. In Meran z. B.
ließen sich die Gymnasialschüler auf Anstiften eines fanatischen Mönches beim
Constitutiousfeste in lautem ?eres.t, gegen freisinnige Männer ans, was bei der
Kampflust der Bauernburschen, die im Hintergrunde nnr ans einen Anstoß lauerten,
der Beginn trauriger Auftritte zu werdeu drohte. Ein ehrenwerther Bürger hatte
an der Spitze einiger andern den Muth, den Priester zurechtzuweisen, was diesen
nnr noch trotziger machte. Allenthalben zeigte sich im Burggrafenamte und Vintschgau
uicht die geringste Lust, nach dem Stutzen zu greifen, kaum erhielten die Emmissäre
der Schntzdepntation halbe Zusagen. Nur die vou Prad und Täufers, denen
für ihren eigenen Heerd bangte, waren 32^5 Mann stark an die nahe Grenze
gezogen. Erst der blinde Lärm von einem am 12. April erfolgten Einbruche auf¬
ständischer Italiener am Stilfserjoche, die ans Raub ausgezogen, bei der Franzens¬
höhe eine Carline abgebrannt hatten, rief anch die ans dem nahe gelegenen
Nauders, Reschen, Graun und Heid in hellen Hansen und Compagnien ans
Tschars, Latsch, Schlanders, Laas und Partschins zu Fuß und Wagen herbei.
Aus der Meraner Gegend rückte uur ein kleines Häuflein von 43 Bürgern nach,
die den widerspenstigen Bauern der dortigen Umgegend mit gutem Beispiel voran¬
gingen. Alle begaben sich wieder nach Hause, sobald sie überzeugt waren, das;
sie uur eine kleine Räuberbande geneckt habe.

Einige Tage früher hatten mehrere Freicorps, worunter ein reo.'i>acer Mai¬
länder Trupp von 600 Mann, das "I^WMon clella morte" gen nu! , aller
Allemandi die türkische Greuze am Jdroser überschritten. Ihre Anzahl bedang den
vorläufigen Anmeldungen der Insurgenten zufolge 8000 in 20 Legionen, nach
andern dem Schauplatz näher stehenden Berichterstattern etwa 1500 Mann. Die


eine Versammlung zu gleichem Zwecke statt, andere traten noch später bei; die
aufstrebende Intelligenz war die erste, die ein Herz für die bedrängten Brüder
und nächst den Helden von amtswegen Muth zur Vertheidigung des verjüngten
Oestreichs zeigte. Der eine der Abgeordneten, der daheim im Rufe der Frei¬
sinnigkeit stand, verschaffte ihnen von der Innsbrucks Schntzdepntation 1500 Fi.
Reisegeld; als er aber vernahm, die Schaar wolle über Innsbruck ziehen, und
nebenher deu Grafen Brandis nebst den Jesuiten verjagen, drohte er mit der
Vorenthaltung der Beisteuer, was den meisten der Zugvögel diese Reise verwehrt
hätte. Dies nöthigte den Akademikern die Bahn über Gratz auf. Am 15. April
Nachmittags zog das Hänflein, 131 Mann stark, zur Fahueuweihe in deu Sanct
Stephanödom und vou dort uuter dem Schutze des schwarzrotgoldenen Banners
durch ununterbrochene Spaliere der Nationalgarde in den Bahnhof, wo Wiener
Bürger den Scheidenden manchen blanken Gulden in die Hände drückten; man
betrachtete sie, die dem wachsenden Gerüchte nach in ein Blutbad zogen, als dem
Tode geweiht. Andere freilich freuten sich über den Ausmarsch des Absud der
Wiener Aula, und schrieben kleine Uriasbriefe nach Tyrol.

Hier war die Stimmung an beiden Orten schwierig. In Meran z. B.
ließen sich die Gymnasialschüler auf Anstiften eines fanatischen Mönches beim
Constitutiousfeste in lautem ?eres.t, gegen freisinnige Männer ans, was bei der
Kampflust der Bauernburschen, die im Hintergrunde nnr ans einen Anstoß lauerten,
der Beginn trauriger Auftritte zu werdeu drohte. Ein ehrenwerther Bürger hatte
an der Spitze einiger andern den Muth, den Priester zurechtzuweisen, was diesen
nnr noch trotziger machte. Allenthalben zeigte sich im Burggrafenamte und Vintschgau
uicht die geringste Lust, nach dem Stutzen zu greifen, kaum erhielten die Emmissäre
der Schntzdepntation halbe Zusagen. Nur die vou Prad und Täufers, denen
für ihren eigenen Heerd bangte, waren 32^5 Mann stark an die nahe Grenze
gezogen. Erst der blinde Lärm von einem am 12. April erfolgten Einbruche auf¬
ständischer Italiener am Stilfserjoche, die ans Raub ausgezogen, bei der Franzens¬
höhe eine Carline abgebrannt hatten, rief anch die ans dem nahe gelegenen
Nauders, Reschen, Graun und Heid in hellen Hansen und Compagnien ans
Tschars, Latsch, Schlanders, Laas und Partschins zu Fuß und Wagen herbei.
Aus der Meraner Gegend rückte uur ein kleines Häuflein von 43 Bürgern nach,
die den widerspenstigen Bauern der dortigen Umgegend mit gutem Beispiel voran¬
gingen. Alle begaben sich wieder nach Hause, sobald sie überzeugt waren, das;
sie uur eine kleine Räuberbande geneckt habe.

Einige Tage früher hatten mehrere Freicorps, worunter ein reo.'i>acer Mai¬
länder Trupp von 600 Mann, das „I^WMon clella morte" gen nu! , aller
Allemandi die türkische Greuze am Jdroser überschritten. Ihre Anzahl bedang den
vorläufigen Anmeldungen der Insurgenten zufolge 8000 in 20 Legionen, nach
andern dem Schauplatz näher stehenden Berichterstattern etwa 1500 Mann. Die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/308>, abgerufen am 22.07.2024.