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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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mühungen des preilßischeu Gesandten in London, dnrch die englische Presse die
öffentliche Meinung in England für die Herzogtümer zu interessiren, machen den
einzigen Fall, wo die Regierung sich ernstlich Mühe gegeben hat, auf dem Gebiet
der Tagesliteratur Eroberungen zik machen. Daß diese ehrenwerthen Bemühungen
leinen großen Erfolg hatten, wird man beklagen, anch wenn man die Ursachen
des Mißlingens kennt.

Aus allen diesen Gründen wird Jeder, welcher ans der Seite Preußens
steht, dringend wünschen, daß es einem entschiedenen Cabinet in Berlin gelingen
möge, den Frieden über den Winter zu erhalten. Leider stehen die Sachen in
diesem Augenblicke so, daß das Cabinet zu einem planvollen diplomatischen Ope¬
riren unfähig ist, und daß nur ein bewahrter Charakter von großem Combina¬
tionstalent noch im Stande wäre, den Sturm aufzuhalten, welcher sich im preu-
sischen Volte zu erheben beginnt und voraussichtlich die gegenwärtige Regierung
fortreißen wird. Ein solcher Staatsmann müßte sogleich damit beginnen, die
preußischen Truppen aus Kassel zurückzuziehen, und sich vorläufig darauf be¬
schränken, in öffentlichen Erklärungen die Verfassung in Schuh zu nehmen
und die Abdication Hassenpflugs für höchst nöthig zu erklären; er müßte mit
größter Geschmeidigkeit vermeiden, irgendwo der nage seiner Gegner eine Blöße
zu geben, müßte mit impertnrbabler Nuhe die brüske Eitelkeit des Avanturierö
Baiern, wie die arroganten Intriguen der östreichischen Staatsmänner zu ertragen
wissen. Er müßte zögernd und aufhaltend, mit sehr artigen, aber sehr populären
Verwahrungen nicht nachgeben, sondern zulassen, daß vorläufig Hasseupflug in
Baiern restituirt wird, daß die Oestreicher Anstalten macheu, in Holstein einzu-
marschiren, daß die östreichische Partei bei deu BuudeScoufereuzeu Nufgebeu der
Union durchsetzt, daß Oestreich seine jugendliche Frende über das Präsidium ge¬
meßt, die deu Politikern Oestreichs soviel bedeutet, als Hegemonie über Deutschland.
Er wird es nicht für unnütz halten, wenn Hessen-Kassel ein Vierteljahr unter Hassen-
pflug und dein restituirten Kurfürsten die Fäuste ballt; er wird sich sehr wundern,
wenn die Holsteincr den verzweifelten Entschließ fassen sollten, die Oestreicher ans
Holstein herauszuschlagen; er wird den Fürsten der Union die Hand drücken und
lant bedauern, daß Preußen nicht in der Lage sei, die liebgewonnene Idee gegen¬
wärtig zu realisiren, und gegen Brutalitäten seiner Gegner wird er seine und Eng¬
lands, ja vielleicht Rußlands Einwendungen vorhalten. Er wird das Alles thun,
bis -- bis er für Preußen eine wünschenswerthe Position gewonnen hat.

Da Preußen das Alles nicht thun wird, weil die gegenwärtigen Lenker des
Staats das nicht wagen können, so ist es anch nicht indiscret, öffentlich darüber
zu sprechen. Eher wird man es müßig nennen, daß jetzt das erdachte Bild eines
Staatsmannes in's Blaue hineingemalt wird. Mau möge in einer Zeit der Hy¬
pothesen und phantastischer Combinationen auch diese entschuldigen. Unterdeß
stehen sich Preußen und Baien kampflustig gegenüber und der Allarmschuß einer


mühungen des preilßischeu Gesandten in London, dnrch die englische Presse die
öffentliche Meinung in England für die Herzogtümer zu interessiren, machen den
einzigen Fall, wo die Regierung sich ernstlich Mühe gegeben hat, auf dem Gebiet
der Tagesliteratur Eroberungen zik machen. Daß diese ehrenwerthen Bemühungen
leinen großen Erfolg hatten, wird man beklagen, anch wenn man die Ursachen
des Mißlingens kennt.

Aus allen diesen Gründen wird Jeder, welcher ans der Seite Preußens
steht, dringend wünschen, daß es einem entschiedenen Cabinet in Berlin gelingen
möge, den Frieden über den Winter zu erhalten. Leider stehen die Sachen in
diesem Augenblicke so, daß das Cabinet zu einem planvollen diplomatischen Ope¬
riren unfähig ist, und daß nur ein bewahrter Charakter von großem Combina¬
tionstalent noch im Stande wäre, den Sturm aufzuhalten, welcher sich im preu-
sischen Volte zu erheben beginnt und voraussichtlich die gegenwärtige Regierung
fortreißen wird. Ein solcher Staatsmann müßte sogleich damit beginnen, die
preußischen Truppen aus Kassel zurückzuziehen, und sich vorläufig darauf be¬
schränken, in öffentlichen Erklärungen die Verfassung in Schuh zu nehmen
und die Abdication Hassenpflugs für höchst nöthig zu erklären; er müßte mit
größter Geschmeidigkeit vermeiden, irgendwo der nage seiner Gegner eine Blöße
zu geben, müßte mit impertnrbabler Nuhe die brüske Eitelkeit des Avanturierö
Baiern, wie die arroganten Intriguen der östreichischen Staatsmänner zu ertragen
wissen. Er müßte zögernd und aufhaltend, mit sehr artigen, aber sehr populären
Verwahrungen nicht nachgeben, sondern zulassen, daß vorläufig Hasseupflug in
Baiern restituirt wird, daß die Oestreicher Anstalten macheu, in Holstein einzu-
marschiren, daß die östreichische Partei bei deu BuudeScoufereuzeu Nufgebeu der
Union durchsetzt, daß Oestreich seine jugendliche Frende über das Präsidium ge¬
meßt, die deu Politikern Oestreichs soviel bedeutet, als Hegemonie über Deutschland.
Er wird es nicht für unnütz halten, wenn Hessen-Kassel ein Vierteljahr unter Hassen-
pflug und dein restituirten Kurfürsten die Fäuste ballt; er wird sich sehr wundern,
wenn die Holsteincr den verzweifelten Entschließ fassen sollten, die Oestreicher ans
Holstein herauszuschlagen; er wird den Fürsten der Union die Hand drücken und
lant bedauern, daß Preußen nicht in der Lage sei, die liebgewonnene Idee gegen¬
wärtig zu realisiren, und gegen Brutalitäten seiner Gegner wird er seine und Eng¬
lands, ja vielleicht Rußlands Einwendungen vorhalten. Er wird das Alles thun,
bis — bis er für Preußen eine wünschenswerthe Position gewonnen hat.

Da Preußen das Alles nicht thun wird, weil die gegenwärtigen Lenker des
Staats das nicht wagen können, so ist es anch nicht indiscret, öffentlich darüber
zu sprechen. Eher wird man es müßig nennen, daß jetzt das erdachte Bild eines
Staatsmannes in's Blaue hineingemalt wird. Mau möge in einer Zeit der Hy¬
pothesen und phantastischer Combinationen auch diese entschuldigen. Unterdeß
stehen sich Preußen und Baien kampflustig gegenüber und der Allarmschuß einer


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[0284] mühungen des preilßischeu Gesandten in London, dnrch die englische Presse die öffentliche Meinung in England für die Herzogtümer zu interessiren, machen den einzigen Fall, wo die Regierung sich ernstlich Mühe gegeben hat, auf dem Gebiet der Tagesliteratur Eroberungen zik machen. Daß diese ehrenwerthen Bemühungen leinen großen Erfolg hatten, wird man beklagen, anch wenn man die Ursachen des Mißlingens kennt. Aus allen diesen Gründen wird Jeder, welcher ans der Seite Preußens steht, dringend wünschen, daß es einem entschiedenen Cabinet in Berlin gelingen möge, den Frieden über den Winter zu erhalten. Leider stehen die Sachen in diesem Augenblicke so, daß das Cabinet zu einem planvollen diplomatischen Ope¬ riren unfähig ist, und daß nur ein bewahrter Charakter von großem Combina¬ tionstalent noch im Stande wäre, den Sturm aufzuhalten, welcher sich im preu- sischen Volte zu erheben beginnt und voraussichtlich die gegenwärtige Regierung fortreißen wird. Ein solcher Staatsmann müßte sogleich damit beginnen, die preußischen Truppen aus Kassel zurückzuziehen, und sich vorläufig darauf be¬ schränken, in öffentlichen Erklärungen die Verfassung in Schuh zu nehmen und die Abdication Hassenpflugs für höchst nöthig zu erklären; er müßte mit größter Geschmeidigkeit vermeiden, irgendwo der nage seiner Gegner eine Blöße zu geben, müßte mit impertnrbabler Nuhe die brüske Eitelkeit des Avanturierö Baiern, wie die arroganten Intriguen der östreichischen Staatsmänner zu ertragen wissen. Er müßte zögernd und aufhaltend, mit sehr artigen, aber sehr populären Verwahrungen nicht nachgeben, sondern zulassen, daß vorläufig Hasseupflug in Baiern restituirt wird, daß die Oestreicher Anstalten macheu, in Holstein einzu- marschiren, daß die östreichische Partei bei deu BuudeScoufereuzeu Nufgebeu der Union durchsetzt, daß Oestreich seine jugendliche Frende über das Präsidium ge¬ meßt, die deu Politikern Oestreichs soviel bedeutet, als Hegemonie über Deutschland. Er wird es nicht für unnütz halten, wenn Hessen-Kassel ein Vierteljahr unter Hassen- pflug und dein restituirten Kurfürsten die Fäuste ballt; er wird sich sehr wundern, wenn die Holsteincr den verzweifelten Entschließ fassen sollten, die Oestreicher ans Holstein herauszuschlagen; er wird den Fürsten der Union die Hand drücken und lant bedauern, daß Preußen nicht in der Lage sei, die liebgewonnene Idee gegen¬ wärtig zu realisiren, und gegen Brutalitäten seiner Gegner wird er seine und Eng¬ lands, ja vielleicht Rußlands Einwendungen vorhalten. Er wird das Alles thun, bis — bis er für Preußen eine wünschenswerthe Position gewonnen hat. Da Preußen das Alles nicht thun wird, weil die gegenwärtigen Lenker des Staats das nicht wagen können, so ist es anch nicht indiscret, öffentlich darüber zu sprechen. Eher wird man es müßig nennen, daß jetzt das erdachte Bild eines Staatsmannes in's Blaue hineingemalt wird. Mau möge in einer Zeit der Hy¬ pothesen und phantastischer Combinationen auch diese entschuldigen. Unterdeß stehen sich Preußen und Baien kampflustig gegenüber und der Allarmschuß einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/284>, abgerufen am 22.07.2024.