Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.riß machen. Aber ehe noch Herr v. Banmbach, welcher damals gerade unwohl Die Constituirung des neuen Ministeriums wurde zu rascher Entscheidung riß machen. Aber ehe noch Herr v. Banmbach, welcher damals gerade unwohl Die Constituirung des neuen Ministeriums wurde zu rascher Entscheidung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92551"/> <p xml:id="ID_852" prev="#ID_851"> riß machen. Aber ehe noch Herr v. Banmbach, welcher damals gerade unwohl<lb/> war, sein neues Amt antreten konnte, kam der 5. und 6. März, und mit diesen<lb/> Tagen das Bedürfniß bedeutender Concessionen und eines vollständigen Minister¬<lb/> wechsels. Als der Kurfürst am 6. März die große Kasseler Deputation mit der<lb/> Erklärung empfing, daß ex seine alten Rathgeber bereits zum Theil entlassen<lb/> und neue an ihre Stelle berufen habe: da war Negiernngsdircetor Lotz in Mar¬<lb/> burg , ein durchaus braver Mann, aber ein alter steifer Bnrcaukrat, zum Minister<lb/> des Innern, — der frühere Minister Herr v. Trott, damals Präsident der<lb/> Ständeversammlung, aber wegen seiner intimen Stellung zu Scheffer mit großem<lb/> Mißtrauen betrachtet, zum Minister des Aeußern berufen. Das waren halbe<lb/> Maßregeln, die in Kassel ebenso wenig, als die in Stuttgart versuchten ähnlichen<lb/> Schritte, zum gewünschten Ziele führen konnten. Beide Herrn lehnten in rich¬<lb/> tiger Erkenntniß der gesteigerten Zeitfordernngen das Anerbieten ab. Den<lb/> 9. März gaben sämmtliche vormärzliche Minister ihre Entlassung, Herr v. Bamn¬<lb/> bach war noch nicht angelangt. Unterdeß wurde für die dringendsten Geschäfte<lb/> des Ministeriums des Innern der Polizeidirector Morchutt beauftragt, ein<lb/> Maun, welcher seiue Popularität hauptsächlich dem Umstand verdankte, daß er<lb/> seinen Beruf nicht sowohl in Fortführung des von seinem Vorgänger Robert aus¬<lb/> gebildeten Spionirsystems, als vielmehr in Handhabung einer kräftigen Sicher¬<lb/> heitspolizei erblickte, übrigens kein besonders fester Charakter. Obgleich früher<lb/> als Hauptiuqnirent bei der Criminalsection des Landgerichts zu Kassel so ge¬<lb/> fürchtet, daß die Mütter ihre unartigen Kinder durch die Drohung: „Der<lb/> Morchntt kommt!" zu Ruhe brachten, soll er sich doch in der vormärzlichen Zeit<lb/> nicht selten nach Oben ebenso gefügig bewiesen haben, als dies in den Tagen<lb/> der Märzaufregnng nach Unten hin der Fall war. Durch manche Auftritte der<lb/> März- und Apriltage compromittirt, wurde er für Kassel völlig unmöglich und<lb/> ward bei der neuen Gerichtsorganisation als Staatsprocurator nach Fulda ver¬<lb/> setzt, wo er als ausgezeichneter Kriminalist und gewandter Redner ganz an seinem<lb/> Platze ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_853" next="#ID_854"> Die Constituirung des neuen Ministeriums wurde zu rascher Entscheidung<lb/> gebracht durch das „berühmte" Hanauer Ultimatum. Mit diesem in Zimmer-<lb/> mann's „D. Revolution" abgedruckten Actenstück hatte es folgende Bewandtniß.<lb/> Der Kurfürst hatte trotz anfänglichem hartnäckigen Sträuben in der noch von<lb/> Herrn Alex. v. Dörnberg unterzeichnetell Proclamation vom 7. März so bedeu¬<lb/> tende Zugeständnisse gemacht, daß man in Kassel und im größten Theile Kur-<lb/> Hessens zufrieden gestellt war. Wirklich schien auch mit dieser landesherrlichen<lb/> Verkündigung, welche am Schluß die Erwartung aussprach, das Volk werde<lb/> durch verständigen Gebrauch der Freiheit selbst zum allgemeinen Wohl mit bei¬<lb/> tragen und des Fürsten Huld durch treue Anhänglichkeit und gesetzlichen Gehor¬<lb/> sam vergelten, — der so lang und schmerzlich entbehrte Friede zwischen Volk und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0262]
riß machen. Aber ehe noch Herr v. Banmbach, welcher damals gerade unwohl
war, sein neues Amt antreten konnte, kam der 5. und 6. März, und mit diesen
Tagen das Bedürfniß bedeutender Concessionen und eines vollständigen Minister¬
wechsels. Als der Kurfürst am 6. März die große Kasseler Deputation mit der
Erklärung empfing, daß ex seine alten Rathgeber bereits zum Theil entlassen
und neue an ihre Stelle berufen habe: da war Negiernngsdircetor Lotz in Mar¬
burg , ein durchaus braver Mann, aber ein alter steifer Bnrcaukrat, zum Minister
des Innern, — der frühere Minister Herr v. Trott, damals Präsident der
Ständeversammlung, aber wegen seiner intimen Stellung zu Scheffer mit großem
Mißtrauen betrachtet, zum Minister des Aeußern berufen. Das waren halbe
Maßregeln, die in Kassel ebenso wenig, als die in Stuttgart versuchten ähnlichen
Schritte, zum gewünschten Ziele führen konnten. Beide Herrn lehnten in rich¬
tiger Erkenntniß der gesteigerten Zeitfordernngen das Anerbieten ab. Den
9. März gaben sämmtliche vormärzliche Minister ihre Entlassung, Herr v. Bamn¬
bach war noch nicht angelangt. Unterdeß wurde für die dringendsten Geschäfte
des Ministeriums des Innern der Polizeidirector Morchutt beauftragt, ein
Maun, welcher seiue Popularität hauptsächlich dem Umstand verdankte, daß er
seinen Beruf nicht sowohl in Fortführung des von seinem Vorgänger Robert aus¬
gebildeten Spionirsystems, als vielmehr in Handhabung einer kräftigen Sicher¬
heitspolizei erblickte, übrigens kein besonders fester Charakter. Obgleich früher
als Hauptiuqnirent bei der Criminalsection des Landgerichts zu Kassel so ge¬
fürchtet, daß die Mütter ihre unartigen Kinder durch die Drohung: „Der
Morchntt kommt!" zu Ruhe brachten, soll er sich doch in der vormärzlichen Zeit
nicht selten nach Oben ebenso gefügig bewiesen haben, als dies in den Tagen
der Märzaufregnng nach Unten hin der Fall war. Durch manche Auftritte der
März- und Apriltage compromittirt, wurde er für Kassel völlig unmöglich und
ward bei der neuen Gerichtsorganisation als Staatsprocurator nach Fulda ver¬
setzt, wo er als ausgezeichneter Kriminalist und gewandter Redner ganz an seinem
Platze ist.
Die Constituirung des neuen Ministeriums wurde zu rascher Entscheidung
gebracht durch das „berühmte" Hanauer Ultimatum. Mit diesem in Zimmer-
mann's „D. Revolution" abgedruckten Actenstück hatte es folgende Bewandtniß.
Der Kurfürst hatte trotz anfänglichem hartnäckigen Sträuben in der noch von
Herrn Alex. v. Dörnberg unterzeichnetell Proclamation vom 7. März so bedeu¬
tende Zugeständnisse gemacht, daß man in Kassel und im größten Theile Kur-
Hessens zufrieden gestellt war. Wirklich schien auch mit dieser landesherrlichen
Verkündigung, welche am Schluß die Erwartung aussprach, das Volk werde
durch verständigen Gebrauch der Freiheit selbst zum allgemeinen Wohl mit bei¬
tragen und des Fürsten Huld durch treue Anhänglichkeit und gesetzlichen Gehor¬
sam vergelten, — der so lang und schmerzlich entbehrte Friede zwischen Volk und
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