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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Die Commission lud sich selbst bei dem Popen zum Frühstück und Mittags¬
mahl ein. Eine Stunde verging uach der andern, und mit keinem Worte that sie ihrer
Mission Erwähnung, auch uicht als B. endlich selbst den gefährlichen Punkt berührte.
Allein kaum war die Abenddämmerung eingetreten, als sie ihren gesellschaftlichen
Anstrich mit einem streng amtlichen vertauschte und von B. einen definitiven
Bescheid forderte. Dieser siel nicht anders aus, als er früher schon unaufgefor-
dert gegeben hatte. Die Nüssen zeigten eine seltene Langmuth, sie gingen so
weit, deu Widerspenstigen zu einer belehrenden religiösen Unterhaltung mit dem
der Commission angehörenden Popen in einem besondern Zimmer zu zwingen.

Daß dieser Mensch, der bereits vor einigen Jahren als Geistlicher aus der
unirten Kirche in die orthodoxe griechische zurückgetreten war und seitdem den
Nuhm der käuflichsten Creatur erworben hatte, in B.'s Augen den Werth eines
Judas haben und daher gar keine Wirkung ausüben konnte, war natürlich. Be¬
merkenswerth aber ist, daß dieser Herr sein Bekehrungswerk durch eine Aus-
einandersetzung der politischen Vortheile bewirken wollte, welche der Regierung
aus eiuer Nückvereiuiguug der unirten mit der griechischen Kirche besonders in
Hinsicht der spätern Maßregeln gegen die römisch-katholische Kirche erwachsen
müßten.

Als.B. die Erklärung gab, daß jede Bemühung umsonst sei und die Ma߬
regel gegen ihn in Anwendung gebracht werden möge, zu der man ermächtigt
sei, zog der Polizeipräsident gravitätisch die Uhr und entgegnete, die Frist sei uoch
nicht um, aber er möge bedeuten, daß sie um 9'/s Uhr abgelaufen sei. Er ließ
seine goldene Uhr vor sich liegen, und als es 9^ Uhr war, erhob er sich
würdig und frug den Bekämpften- "Wie steht es nun?"

"Ich kann uicht meinen, daß Sie sich so täuschen, in mir siebenunddreißig-
jährigem Manne ein Kind zu erblicken," versehe der wackere Pope.

"Was heißt das? ich fordere Ihre unbedingte Bescheidung!" entgegnete der
Präsident.

"Die haben Sie schon. Es wird mich nichts bewegen, die Glaubenssätze
meiner Kirche zu verletzen."

Dieser Erwiderung folgte unverweilt die Festnehmnng durch die Gensdar-
men und seiue Abführung ans den zweiten Wagen, mit melchem die Commission
gekommen war. Man gestattete ihm nicht einmal den Abschied von seiner Gattin.
Der Adjutant des Gnbernators nahm an B's Seite Platz, vier Gensdarmen
wurden beordert, deu Wagen zu begleiten.

Jener abgefallene Pope dagegen, der Polizeipräsident und zwei Gensdarmen
blieben in dem Pfarrhause zurück, um am nächsten Tage, dem Sonntag, der Ge¬
meinde die nöthige Rücksicht zu erweisen. Dies geschah in komischer Weise. Die
Bauern und mit ihnen drei Grundherren waren versammelt und warteten ziemlich
lange auf den Aufang des Gottesdienstes, denn der Sakristan konnte sich nur


Die Commission lud sich selbst bei dem Popen zum Frühstück und Mittags¬
mahl ein. Eine Stunde verging uach der andern, und mit keinem Worte that sie ihrer
Mission Erwähnung, auch uicht als B. endlich selbst den gefährlichen Punkt berührte.
Allein kaum war die Abenddämmerung eingetreten, als sie ihren gesellschaftlichen
Anstrich mit einem streng amtlichen vertauschte und von B. einen definitiven
Bescheid forderte. Dieser siel nicht anders aus, als er früher schon unaufgefor-
dert gegeben hatte. Die Nüssen zeigten eine seltene Langmuth, sie gingen so
weit, deu Widerspenstigen zu einer belehrenden religiösen Unterhaltung mit dem
der Commission angehörenden Popen in einem besondern Zimmer zu zwingen.

Daß dieser Mensch, der bereits vor einigen Jahren als Geistlicher aus der
unirten Kirche in die orthodoxe griechische zurückgetreten war und seitdem den
Nuhm der käuflichsten Creatur erworben hatte, in B.'s Augen den Werth eines
Judas haben und daher gar keine Wirkung ausüben konnte, war natürlich. Be¬
merkenswerth aber ist, daß dieser Herr sein Bekehrungswerk durch eine Aus-
einandersetzung der politischen Vortheile bewirken wollte, welche der Regierung
aus eiuer Nückvereiuiguug der unirten mit der griechischen Kirche besonders in
Hinsicht der spätern Maßregeln gegen die römisch-katholische Kirche erwachsen
müßten.

Als.B. die Erklärung gab, daß jede Bemühung umsonst sei und die Ma߬
regel gegen ihn in Anwendung gebracht werden möge, zu der man ermächtigt
sei, zog der Polizeipräsident gravitätisch die Uhr und entgegnete, die Frist sei uoch
nicht um, aber er möge bedeuten, daß sie um 9'/s Uhr abgelaufen sei. Er ließ
seine goldene Uhr vor sich liegen, und als es 9^ Uhr war, erhob er sich
würdig und frug den Bekämpften- „Wie steht es nun?"

„Ich kann uicht meinen, daß Sie sich so täuschen, in mir siebenunddreißig-
jährigem Manne ein Kind zu erblicken," versehe der wackere Pope.

„Was heißt das? ich fordere Ihre unbedingte Bescheidung!" entgegnete der
Präsident.

„Die haben Sie schon. Es wird mich nichts bewegen, die Glaubenssätze
meiner Kirche zu verletzen."

Dieser Erwiderung folgte unverweilt die Festnehmnng durch die Gensdar-
men und seiue Abführung ans den zweiten Wagen, mit melchem die Commission
gekommen war. Man gestattete ihm nicht einmal den Abschied von seiner Gattin.
Der Adjutant des Gnbernators nahm an B's Seite Platz, vier Gensdarmen
wurden beordert, deu Wagen zu begleiten.

Jener abgefallene Pope dagegen, der Polizeipräsident und zwei Gensdarmen
blieben in dem Pfarrhause zurück, um am nächsten Tage, dem Sonntag, der Ge¬
meinde die nöthige Rücksicht zu erweisen. Dies geschah in komischer Weise. Die
Bauern und mit ihnen drei Grundherren waren versammelt und warteten ziemlich
lange auf den Aufang des Gottesdienstes, denn der Sakristan konnte sich nur


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[0176] Die Commission lud sich selbst bei dem Popen zum Frühstück und Mittags¬ mahl ein. Eine Stunde verging uach der andern, und mit keinem Worte that sie ihrer Mission Erwähnung, auch uicht als B. endlich selbst den gefährlichen Punkt berührte. Allein kaum war die Abenddämmerung eingetreten, als sie ihren gesellschaftlichen Anstrich mit einem streng amtlichen vertauschte und von B. einen definitiven Bescheid forderte. Dieser siel nicht anders aus, als er früher schon unaufgefor- dert gegeben hatte. Die Nüssen zeigten eine seltene Langmuth, sie gingen so weit, deu Widerspenstigen zu einer belehrenden religiösen Unterhaltung mit dem der Commission angehörenden Popen in einem besondern Zimmer zu zwingen. Daß dieser Mensch, der bereits vor einigen Jahren als Geistlicher aus der unirten Kirche in die orthodoxe griechische zurückgetreten war und seitdem den Nuhm der käuflichsten Creatur erworben hatte, in B.'s Augen den Werth eines Judas haben und daher gar keine Wirkung ausüben konnte, war natürlich. Be¬ merkenswerth aber ist, daß dieser Herr sein Bekehrungswerk durch eine Aus- einandersetzung der politischen Vortheile bewirken wollte, welche der Regierung aus eiuer Nückvereiuiguug der unirten mit der griechischen Kirche besonders in Hinsicht der spätern Maßregeln gegen die römisch-katholische Kirche erwachsen müßten. Als.B. die Erklärung gab, daß jede Bemühung umsonst sei und die Ma߬ regel gegen ihn in Anwendung gebracht werden möge, zu der man ermächtigt sei, zog der Polizeipräsident gravitätisch die Uhr und entgegnete, die Frist sei uoch nicht um, aber er möge bedeuten, daß sie um 9'/s Uhr abgelaufen sei. Er ließ seine goldene Uhr vor sich liegen, und als es 9^ Uhr war, erhob er sich würdig und frug den Bekämpften- „Wie steht es nun?" „Ich kann uicht meinen, daß Sie sich so täuschen, in mir siebenunddreißig- jährigem Manne ein Kind zu erblicken," versehe der wackere Pope. „Was heißt das? ich fordere Ihre unbedingte Bescheidung!" entgegnete der Präsident. „Die haben Sie schon. Es wird mich nichts bewegen, die Glaubenssätze meiner Kirche zu verletzen." Dieser Erwiderung folgte unverweilt die Festnehmnng durch die Gensdar- men und seiue Abführung ans den zweiten Wagen, mit melchem die Commission gekommen war. Man gestattete ihm nicht einmal den Abschied von seiner Gattin. Der Adjutant des Gnbernators nahm an B's Seite Platz, vier Gensdarmen wurden beordert, deu Wagen zu begleiten. Jener abgefallene Pope dagegen, der Polizeipräsident und zwei Gensdarmen blieben in dem Pfarrhause zurück, um am nächsten Tage, dem Sonntag, der Ge¬ meinde die nöthige Rücksicht zu erweisen. Dies geschah in komischer Weise. Die Bauern und mit ihnen drei Grundherren waren versammelt und warteten ziemlich lange auf den Aufang des Gottesdienstes, denn der Sakristan konnte sich nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/176>, abgerufen am 22.07.2024.