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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Andererseits sind die gemeinsamen Fonds eine fortwährende Anreizung zu
übertriebenen Ausgaben. Um eine unbedeutende Bewilligung zu erhalten, stürzt
die Gemeinde sich oft in ungeheure Kosten; man gibt sie ihr nur unter der Be¬
dingung, daß sie in eiuer gewissen Weise kauft, nach einem gewissen Plane baut.
Was die Departements betrifft, so gibt man am meisten den Departements,
welche den meisten Aufwand machen, und wenn ein Departement sparsam baute,
wenn es uicht viel aufwendete, so würde man ihm nichts geben, so daß alle
Departements, in der Hoffnung, Staatsgelder zu bekommen, in tollem Wetteifer
verschwenden, und am Ende siud alle verschuldet.

Da die Centralisation ihre Hand bei allen Gemeindeangelegenheiten im
Spiele hat, den Gemeinden nie erlaubt, irgeud etwas ohne ihre Ermächtigung
und Leitung auszuführen, so wird es deu Gemeinderäthen und deu Maires ver¬
leidet, Verbesserungen zu versuchen, welche diese Centralisation mit ihren Schrei¬
bereien, ihren Verzögerungen, ihren Umständlichkeiten so langwierig, so schwer
zur That werden läßt; die Devartemeutsräihe werdeu jährlich uur auf einige
Tage versammelt, um ihre Meinung über oft sehr wichtige Gegenstände auszu-
sprechen, aber sie führen nichts aus; die gan^e Verwaltung des Departements
ist den Präfecten und den Beamten der Regierung anheim gegeben. Die De¬
partementsräthe haben keine Erfahrung, keine Ueberlegung in den Geschäften,
und wenn etwa einige unter ihnen Reformen oder Verbesserungen versuchen wol¬
len, so bringen die ol8 inkrtuw und der böse Wille aller Beamten der Centra¬
lisation, die mit der Vorbereitung oder Ausführung der Entscheidung beauftragt
sind, diese Reformen und Verbesserungen an einer Menge von Klippen zum
Scheitern.

Dieses System hat zur Folge, daß das Streben, der Eifer, die Lust etwas
anzufangen unter den von den Bürgern gewählten Vertretern der einzelnen Oer-
ter vernichtet werden; zur geringsten Verbesserung gehören, Gott weiß wie viele
Anstrengungen, welche Beharrlichkeit; ein Menschenleben vergeht darüber; die
Provinz wird von den reichsten Besitzern verlassen, die nichts dort zu thun fin¬
den, die Capitalien wandern immer mehr in die große Stadt, der Ackerbau
wird der Armuth und dem Schlendrian überlassen. Die Franzosen werden un^
aufhörlich von ihrer Negierung behandelt, als wären sie Kinder, die einer be¬
ständigen Bevormundung bedürfen; bei diesem Verfahren bleiben sie Kinder, und
ans der andern Seite tonnen auch die Sachen ihrer Vormünder nicht gut stehen.

Was liegt deu Beamten der Centralgewalt, den Schreibern der Präsectnr
und deu Schreibern der Ministerien an den Verbesserungen, die in eiuer Ge¬
meinde, in einem Departement gemacht werden sollen? sie sind im Gegentheil
die natürlichen Feinde jedes neuen Geschäfts, weil das ein Aetenheft mehr, Ar¬
beit mehr ist, und weil ihr Bureau schon überfüllt ist. Was liegt den Präfecten
und den Beamten der Regierung an den Verbesserungen, die in einem Departe-


Andererseits sind die gemeinsamen Fonds eine fortwährende Anreizung zu
übertriebenen Ausgaben. Um eine unbedeutende Bewilligung zu erhalten, stürzt
die Gemeinde sich oft in ungeheure Kosten; man gibt sie ihr nur unter der Be¬
dingung, daß sie in eiuer gewissen Weise kauft, nach einem gewissen Plane baut.
Was die Departements betrifft, so gibt man am meisten den Departements,
welche den meisten Aufwand machen, und wenn ein Departement sparsam baute,
wenn es uicht viel aufwendete, so würde man ihm nichts geben, so daß alle
Departements, in der Hoffnung, Staatsgelder zu bekommen, in tollem Wetteifer
verschwenden, und am Ende siud alle verschuldet.

Da die Centralisation ihre Hand bei allen Gemeindeangelegenheiten im
Spiele hat, den Gemeinden nie erlaubt, irgeud etwas ohne ihre Ermächtigung
und Leitung auszuführen, so wird es deu Gemeinderäthen und deu Maires ver¬
leidet, Verbesserungen zu versuchen, welche diese Centralisation mit ihren Schrei¬
bereien, ihren Verzögerungen, ihren Umständlichkeiten so langwierig, so schwer
zur That werden läßt; die Devartemeutsräihe werdeu jährlich uur auf einige
Tage versammelt, um ihre Meinung über oft sehr wichtige Gegenstände auszu-
sprechen, aber sie führen nichts aus; die gan^e Verwaltung des Departements
ist den Präfecten und den Beamten der Regierung anheim gegeben. Die De¬
partementsräthe haben keine Erfahrung, keine Ueberlegung in den Geschäften,
und wenn etwa einige unter ihnen Reformen oder Verbesserungen versuchen wol¬
len, so bringen die ol8 inkrtuw und der böse Wille aller Beamten der Centra¬
lisation, die mit der Vorbereitung oder Ausführung der Entscheidung beauftragt
sind, diese Reformen und Verbesserungen an einer Menge von Klippen zum
Scheitern.

Dieses System hat zur Folge, daß das Streben, der Eifer, die Lust etwas
anzufangen unter den von den Bürgern gewählten Vertretern der einzelnen Oer-
ter vernichtet werden; zur geringsten Verbesserung gehören, Gott weiß wie viele
Anstrengungen, welche Beharrlichkeit; ein Menschenleben vergeht darüber; die
Provinz wird von den reichsten Besitzern verlassen, die nichts dort zu thun fin¬
den, die Capitalien wandern immer mehr in die große Stadt, der Ackerbau
wird der Armuth und dem Schlendrian überlassen. Die Franzosen werden un^
aufhörlich von ihrer Negierung behandelt, als wären sie Kinder, die einer be¬
ständigen Bevormundung bedürfen; bei diesem Verfahren bleiben sie Kinder, und
ans der andern Seite tonnen auch die Sachen ihrer Vormünder nicht gut stehen.

Was liegt deu Beamten der Centralgewalt, den Schreibern der Präsectnr
und deu Schreibern der Ministerien an den Verbesserungen, die in eiuer Ge¬
meinde, in einem Departement gemacht werden sollen? sie sind im Gegentheil
die natürlichen Feinde jedes neuen Geschäfts, weil das ein Aetenheft mehr, Ar¬
beit mehr ist, und weil ihr Bureau schon überfüllt ist. Was liegt den Präfecten
und den Beamten der Regierung an den Verbesserungen, die in einem Departe-


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[0142] Andererseits sind die gemeinsamen Fonds eine fortwährende Anreizung zu übertriebenen Ausgaben. Um eine unbedeutende Bewilligung zu erhalten, stürzt die Gemeinde sich oft in ungeheure Kosten; man gibt sie ihr nur unter der Be¬ dingung, daß sie in eiuer gewissen Weise kauft, nach einem gewissen Plane baut. Was die Departements betrifft, so gibt man am meisten den Departements, welche den meisten Aufwand machen, und wenn ein Departement sparsam baute, wenn es uicht viel aufwendete, so würde man ihm nichts geben, so daß alle Departements, in der Hoffnung, Staatsgelder zu bekommen, in tollem Wetteifer verschwenden, und am Ende siud alle verschuldet. Da die Centralisation ihre Hand bei allen Gemeindeangelegenheiten im Spiele hat, den Gemeinden nie erlaubt, irgeud etwas ohne ihre Ermächtigung und Leitung auszuführen, so wird es deu Gemeinderäthen und deu Maires ver¬ leidet, Verbesserungen zu versuchen, welche diese Centralisation mit ihren Schrei¬ bereien, ihren Verzögerungen, ihren Umständlichkeiten so langwierig, so schwer zur That werden läßt; die Devartemeutsräihe werdeu jährlich uur auf einige Tage versammelt, um ihre Meinung über oft sehr wichtige Gegenstände auszu- sprechen, aber sie führen nichts aus; die gan^e Verwaltung des Departements ist den Präfecten und den Beamten der Regierung anheim gegeben. Die De¬ partementsräthe haben keine Erfahrung, keine Ueberlegung in den Geschäften, und wenn etwa einige unter ihnen Reformen oder Verbesserungen versuchen wol¬ len, so bringen die ol8 inkrtuw und der böse Wille aller Beamten der Centra¬ lisation, die mit der Vorbereitung oder Ausführung der Entscheidung beauftragt sind, diese Reformen und Verbesserungen an einer Menge von Klippen zum Scheitern. Dieses System hat zur Folge, daß das Streben, der Eifer, die Lust etwas anzufangen unter den von den Bürgern gewählten Vertretern der einzelnen Oer- ter vernichtet werden; zur geringsten Verbesserung gehören, Gott weiß wie viele Anstrengungen, welche Beharrlichkeit; ein Menschenleben vergeht darüber; die Provinz wird von den reichsten Besitzern verlassen, die nichts dort zu thun fin¬ den, die Capitalien wandern immer mehr in die große Stadt, der Ackerbau wird der Armuth und dem Schlendrian überlassen. Die Franzosen werden un^ aufhörlich von ihrer Negierung behandelt, als wären sie Kinder, die einer be¬ ständigen Bevormundung bedürfen; bei diesem Verfahren bleiben sie Kinder, und ans der andern Seite tonnen auch die Sachen ihrer Vormünder nicht gut stehen. Was liegt deu Beamten der Centralgewalt, den Schreibern der Präsectnr und deu Schreibern der Ministerien an den Verbesserungen, die in eiuer Ge¬ meinde, in einem Departement gemacht werden sollen? sie sind im Gegentheil die natürlichen Feinde jedes neuen Geschäfts, weil das ein Aetenheft mehr, Ar¬ beit mehr ist, und weil ihr Bureau schon überfüllt ist. Was liegt den Präfecten und den Beamten der Regierung an den Verbesserungen, die in einem Departe-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/142>, abgerufen am 25.08.2024.