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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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von der zweiten Periode in diese dritte hinein ist um ein Bedeutendes größer,
als der der ersten in die zweite, deun dort war ein ziemlich genauer Uebergang
nachzuweisen, während hier, nnr schwache Andeutungen gegeben sind. Die Sin¬
fonie ist das erste größere Werk uach seiner Krankheit und mag wohl uoch als
die That eines Auferstandenen begrüßt werden, womit er der Welt zeigen wollte,
daß seine Kraft noch nicht gebrochen sei. Darum darf man wohl anch in der
Sinfonie einen tiefern Sinn suchen. Das Einleitungöadagio mit dem in langen
Noten gehaltenen eanlus NrmuL der Messinginstrnmente mahnt, eine feierliche
Engelsstimme, den Künstler, sich emporzuraffen und muthig eiuen neuen Lauf zu
beginnen. Da ermannt er sich und stürzt sich im nachfolgenden Allegro in das
Treiben der Welt, anfangs hastig, ungeduldig, dann aber immer entschiedener bei
zunehmenden Schwierigkeiten. Der zweite Sa!z der Sinfonie ist der potenzirte
erste, er ist noch unruhiger und drängender, gleichsam ein letzter heftiger Angriff
feindlicher Dämonen, um deu Künstler zurückzuwerfen. Der aber ist von der
Ahnung des Sieges durchdrungen und feiert in wehmüthigem ernsten, aber sich
zum Gefühl der Freude und des Dankes gegen die Gottheit aufklärenden Andante
in seiner stillen Innerlichkeit das Fest des Sieges. Im letzten Allegro tritt er
ans der Einsamkeit wieder hinaus in die Welt; er hat gesiegt und überwunden,
er wird frei bekennen, was er glaubt und fühlt, und wird ein Held sein in der
Kunst, und wenn er auch den Märtyrertod darüber erleiden sollte. Die Parti-
tur dieser Sinfonie reiht sich den besten Instrumentalwerken an, welche wir be¬
sitzen. Scharfsinnige Combinationen, gut angelegte und ebenso trefflich ausge¬
führte Contravnnkte, neue und dem Wesen der verschiedenen Instrumente
angepaßte Effecte begegnen dem aufmerksamen Zuhörer in Menge. Die Mo¬
tive, wiewohl edel und tiefer gedacht, als in der ersten Sinfonie, und im
rhythmischen Schwunge ihnen gleich stehend, sind nicht in: gleichen Maße ein¬
dringlich, das einzige Andante ausgenommen, das an Klarheit, Innigkeit der
Empfindung und Noblesse in der Darstellung beinahe über allen Instrnmental-
sätzen des Meisters steht. In seinen Motiven ist das Allegro des ersten Satzes
am wenigsten bevorzugt, da das eintactige rhythmische Thema in seiner unausgesetz¬
ten Wiederkehr Monotonie erzeugt und das ueben ihm stehende Motiv des Mit-
telsatzeö nicht contrastirend genng erscheint, sondern sich gleich ruhelos bewegt.
Dieser ganze Satz erregt das meiste Interesse dnrch seinen lebendigen Fortgang,
seine scharf betonten Rhythmen, seine schönen eontrapuuktischeu Fügungen und die
bis an den Schluß wohlangelegte Progression sich mehrender Steigerung. Der
Inhalt des Scherzo ist vorhin angedeutet wordeu: es läßt sich nicht viel dazu
bemerken, denn in uuserer Zeit gelingt jedem Componisten ein Scherzo, darum ist
das Gelingen des folgenden Andante höher anzuschlagen, da nach der Wiener Periode
nur wenige gute Andante im Justrnmentalsatze geschaffen wurden. Der letzte Satz ist
seinem Umfang nach der bedeutendste, er ist es anch seinem Inhalte nach, indem steh


von der zweiten Periode in diese dritte hinein ist um ein Bedeutendes größer,
als der der ersten in die zweite, deun dort war ein ziemlich genauer Uebergang
nachzuweisen, während hier, nnr schwache Andeutungen gegeben sind. Die Sin¬
fonie ist das erste größere Werk uach seiner Krankheit und mag wohl uoch als
die That eines Auferstandenen begrüßt werden, womit er der Welt zeigen wollte,
daß seine Kraft noch nicht gebrochen sei. Darum darf man wohl anch in der
Sinfonie einen tiefern Sinn suchen. Das Einleitungöadagio mit dem in langen
Noten gehaltenen eanlus NrmuL der Messinginstrnmente mahnt, eine feierliche
Engelsstimme, den Künstler, sich emporzuraffen und muthig eiuen neuen Lauf zu
beginnen. Da ermannt er sich und stürzt sich im nachfolgenden Allegro in das
Treiben der Welt, anfangs hastig, ungeduldig, dann aber immer entschiedener bei
zunehmenden Schwierigkeiten. Der zweite Sa!z der Sinfonie ist der potenzirte
erste, er ist noch unruhiger und drängender, gleichsam ein letzter heftiger Angriff
feindlicher Dämonen, um deu Künstler zurückzuwerfen. Der aber ist von der
Ahnung des Sieges durchdrungen und feiert in wehmüthigem ernsten, aber sich
zum Gefühl der Freude und des Dankes gegen die Gottheit aufklärenden Andante
in seiner stillen Innerlichkeit das Fest des Sieges. Im letzten Allegro tritt er
ans der Einsamkeit wieder hinaus in die Welt; er hat gesiegt und überwunden,
er wird frei bekennen, was er glaubt und fühlt, und wird ein Held sein in der
Kunst, und wenn er auch den Märtyrertod darüber erleiden sollte. Die Parti-
tur dieser Sinfonie reiht sich den besten Instrumentalwerken an, welche wir be¬
sitzen. Scharfsinnige Combinationen, gut angelegte und ebenso trefflich ausge¬
führte Contravnnkte, neue und dem Wesen der verschiedenen Instrumente
angepaßte Effecte begegnen dem aufmerksamen Zuhörer in Menge. Die Mo¬
tive, wiewohl edel und tiefer gedacht, als in der ersten Sinfonie, und im
rhythmischen Schwunge ihnen gleich stehend, sind nicht in: gleichen Maße ein¬
dringlich, das einzige Andante ausgenommen, das an Klarheit, Innigkeit der
Empfindung und Noblesse in der Darstellung beinahe über allen Instrnmental-
sätzen des Meisters steht. In seinen Motiven ist das Allegro des ersten Satzes
am wenigsten bevorzugt, da das eintactige rhythmische Thema in seiner unausgesetz¬
ten Wiederkehr Monotonie erzeugt und das ueben ihm stehende Motiv des Mit-
telsatzeö nicht contrastirend genng erscheint, sondern sich gleich ruhelos bewegt.
Dieser ganze Satz erregt das meiste Interesse dnrch seinen lebendigen Fortgang,
seine scharf betonten Rhythmen, seine schönen eontrapuuktischeu Fügungen und die
bis an den Schluß wohlangelegte Progression sich mehrender Steigerung. Der
Inhalt des Scherzo ist vorhin angedeutet wordeu: es läßt sich nicht viel dazu
bemerken, denn in uuserer Zeit gelingt jedem Componisten ein Scherzo, darum ist
das Gelingen des folgenden Andante höher anzuschlagen, da nach der Wiener Periode
nur wenige gute Andante im Justrnmentalsatze geschaffen wurden. Der letzte Satz ist
seinem Umfang nach der bedeutendste, er ist es anch seinem Inhalte nach, indem steh


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/13>, abgerufen am 24.08.2024.