Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
-- ist kein Reich der Sünden!'!
Es muß der Geist das trotz'ge Fleisch befehden
Und ihm als Sieger auf den Nacken treten,
Wenn er der Freiheit heilig Reich will gründen.
Freiheit des Fleisches ist ein hurtig Grollen
Mit Allem, waS die Lüste hält gefangen,
Ist frevelhaftes, trotziges Gottverncinen. U. f. w.

Und um diese allgemeinen Gedanken näher zu erörtern, widerlegt er einen, der behauptet,
der Mensch solle sich selbst regieren, durch ein ^rgumentum sa Iioiniuew:


"So will ich mich nicht zieren,
Und will die neue Freiheit gleich probiren!"
Und rückte scharf ihm auf den Leib heran,
Und schnäuzte grimmig: "Kerl mir aus dem Wege!
Sogleich zur Thür hinaus, sonst regnet'S Schläge!"
Und scheinbar wüthend packt' ich ihn am Schöpf:
Da rief nach dem GeuSd'arm der Welterucucr n. f. w.

Herr Sturm ist übrigens entschieden religiös, hat in einem ziemlich langen Gedicht die
verschiedenen Empfindungen auseinandergesetzt, welche eine Predigt bei den Guten und
bei den Bösen erregt, und neigt sich zur klcindcutschen Partei, wenigstens hat er ein
Sonett aus Welcker's Antrag gemacht, welches mit allgemeinem Jubel schließt:


Nur zwei sah ich verdrießlich ab sich wenden:
Der Eine seufzte: "O mein Bundestag!"
Der Andre aber brummte: "Reaction!"

Gleichfalls klcindeutsch und conservativ gesinnt ist Hr. v. Meyern; er feiert den
Untergang des übermüthigen "Märzriesen", besingt Kaiser Rothbarts Erwachen, Kaiser
Rothbarts Schlachtruf, das Kaiserschiff, vergleicht Klein-Deutschland mit Klein-Roland,
und ist nur darüber betrübt, daß derjenige, dem Roland's Schwert übertragen wird, so
lange zaudert. -- Beide Dichter sind übrigens im Allgemeinen entschieden deutsch, und
das ist auch der dritte, Herr Carueri, obgleich er zu einer entgegengesetzten Partei
gehört: er ist leidenschaftlicher Oestreicher und Großdentscher, was sich schon in seiner
Sprache ausdrückt:


Hinweg mit dem Wortprunk, man schmücke damit
Zweideutige kernlose Thaten;
Die ManneSihat ist selber ein Lied, (-- damit -- Lied!)
Bedarf keiner fremden Zierrathen.
Hoch lebe Radetzki! U. f. w.

Wobei man nur fragen muß, warum er noch ein Lied auf den greisen Helden macht,
da dieser doch keines Liedes bedarf.


Er beugte Mailand am sechsten Angust --
Dir, Deutschland, galt diese Feier;
Die Männer der That drück' an deine Brust,
Wahre Söldlinge sind deine Schreier. U. s. w. --
Kein deutsches Herz in dem Busen pocht,
Der die Nachricht gefühllos empfangen. U. s. w.
Das Lebhoch, welches dies Lied ihm bringt,
Verscheuche die letzte Wolke;
ES hat kein Mandat, doch die Brust, die es singt,
Ist dennoch die Brust vom Volke:
Alle Bürger Oestreichs sind frei und gleich,
Hoch lebe Radetzki und Oesterreich! --

80*
— ist kein Reich der Sünden!'!
Es muß der Geist das trotz'ge Fleisch befehden
Und ihm als Sieger auf den Nacken treten,
Wenn er der Freiheit heilig Reich will gründen.
Freiheit des Fleisches ist ein hurtig Grollen
Mit Allem, waS die Lüste hält gefangen,
Ist frevelhaftes, trotziges Gottverncinen. U. f. w.

Und um diese allgemeinen Gedanken näher zu erörtern, widerlegt er einen, der behauptet,
der Mensch solle sich selbst regieren, durch ein ^rgumentum sa Iioiniuew:


„So will ich mich nicht zieren,
Und will die neue Freiheit gleich probiren!"
Und rückte scharf ihm auf den Leib heran,
Und schnäuzte grimmig: „Kerl mir aus dem Wege!
Sogleich zur Thür hinaus, sonst regnet'S Schläge!"
Und scheinbar wüthend packt' ich ihn am Schöpf:
Da rief nach dem GeuSd'arm der Welterucucr n. f. w.

Herr Sturm ist übrigens entschieden religiös, hat in einem ziemlich langen Gedicht die
verschiedenen Empfindungen auseinandergesetzt, welche eine Predigt bei den Guten und
bei den Bösen erregt, und neigt sich zur klcindcutschen Partei, wenigstens hat er ein
Sonett aus Welcker's Antrag gemacht, welches mit allgemeinem Jubel schließt:


Nur zwei sah ich verdrießlich ab sich wenden:
Der Eine seufzte: „O mein Bundestag!"
Der Andre aber brummte: „Reaction!"

Gleichfalls klcindeutsch und conservativ gesinnt ist Hr. v. Meyern; er feiert den
Untergang des übermüthigen „Märzriesen", besingt Kaiser Rothbarts Erwachen, Kaiser
Rothbarts Schlachtruf, das Kaiserschiff, vergleicht Klein-Deutschland mit Klein-Roland,
und ist nur darüber betrübt, daß derjenige, dem Roland's Schwert übertragen wird, so
lange zaudert. — Beide Dichter sind übrigens im Allgemeinen entschieden deutsch, und
das ist auch der dritte, Herr Carueri, obgleich er zu einer entgegengesetzten Partei
gehört: er ist leidenschaftlicher Oestreicher und Großdentscher, was sich schon in seiner
Sprache ausdrückt:


Hinweg mit dem Wortprunk, man schmücke damit
Zweideutige kernlose Thaten;
Die ManneSihat ist selber ein Lied, (— damit — Lied!)
Bedarf keiner fremden Zierrathen.
Hoch lebe Radetzki! U. f. w.

Wobei man nur fragen muß, warum er noch ein Lied auf den greisen Helden macht,
da dieser doch keines Liedes bedarf.


Er beugte Mailand am sechsten Angust —
Dir, Deutschland, galt diese Feier;
Die Männer der That drück' an deine Brust,
Wahre Söldlinge sind deine Schreier. U. s. w. —
Kein deutsches Herz in dem Busen pocht,
Der die Nachricht gefühllos empfangen. U. s. w.
Das Lebhoch, welches dies Lied ihm bringt,
Verscheuche die letzte Wolke;
ES hat kein Mandat, doch die Brust, die es singt,
Ist dennoch die Brust vom Volke:
Alle Bürger Oestreichs sind frei und gleich,
Hoch lebe Radetzki und Oesterreich! —

80*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0123" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92412"/>
            <quote>
              <lg xml:id="POEMID_13" type="poem">
                <l> &#x2014; ist kein Reich der Sünden!'!<lb/>
Es muß der Geist das trotz'ge Fleisch befehden<lb/>
Und ihm als Sieger auf den Nacken treten,<lb/>
Wenn er der Freiheit heilig Reich will gründen.</l>
                <l> Freiheit des Fleisches ist ein hurtig Grollen<lb/>
Mit Allem, waS die Lüste hält gefangen,<lb/>
Ist frevelhaftes, trotziges Gottverncinen. U. f. w.</l>
              </lg>
            </quote><lb/>
            <p xml:id="ID_385" prev="#ID_384" next="#ID_386"> Und um diese allgemeinen Gedanken näher zu erörtern, widerlegt er einen, der behauptet,<lb/>
der Mensch solle sich selbst regieren, durch ein ^rgumentum sa Iioiniuew:</p><lb/>
            <quote>
              <lg xml:id="POEMID_14" type="poem">
                <l> &#x201E;So will ich mich nicht zieren,<lb/>
Und will die neue Freiheit gleich probiren!"<lb/>
Und rückte scharf ihm auf den Leib heran,</l>
                <l> Und schnäuzte grimmig: &#x201E;Kerl mir aus dem Wege!<lb/>
Sogleich zur Thür hinaus, sonst regnet'S Schläge!"<lb/>
Und scheinbar wüthend packt' ich ihn am Schöpf:<lb/>
Da rief nach dem GeuSd'arm der Welterucucr n. f. w.</l>
              </lg>
            </quote><lb/>
            <p xml:id="ID_386" prev="#ID_385"> Herr Sturm ist übrigens entschieden religiös, hat in einem ziemlich langen Gedicht die<lb/>
verschiedenen Empfindungen auseinandergesetzt, welche eine Predigt bei den Guten und<lb/>
bei den Bösen erregt, und neigt sich zur klcindcutschen Partei, wenigstens hat er ein<lb/>
Sonett aus Welcker's Antrag gemacht, welches mit allgemeinem Jubel schließt:</p><lb/>
            <quote> Nur zwei sah ich verdrießlich ab sich wenden:<lb/>
Der Eine seufzte: &#x201E;O mein Bundestag!"<lb/>
Der Andre aber brummte: &#x201E;Reaction!"</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_387" next="#ID_388"> Gleichfalls klcindeutsch und conservativ gesinnt ist Hr. v. Meyern; er feiert den<lb/>
Untergang des übermüthigen &#x201E;Märzriesen", besingt Kaiser Rothbarts Erwachen, Kaiser<lb/>
Rothbarts Schlachtruf, das Kaiserschiff, vergleicht Klein-Deutschland mit Klein-Roland,<lb/>
und ist nur darüber betrübt, daß derjenige, dem Roland's Schwert übertragen wird, so<lb/>
lange zaudert. &#x2014; Beide Dichter sind übrigens im Allgemeinen entschieden deutsch, und<lb/>
das ist auch der dritte, Herr Carueri, obgleich er zu einer entgegengesetzten Partei<lb/>
gehört: er ist leidenschaftlicher Oestreicher und Großdentscher, was sich schon in seiner<lb/>
Sprache ausdrückt:</p><lb/>
            <quote>
              <lg xml:id="POEMID_15" type="poem">
                <l> Hinweg mit dem Wortprunk, man schmücke damit<lb/>
Zweideutige kernlose Thaten;<lb/>
Die ManneSihat ist selber ein Lied, (&#x2014; damit &#x2014; Lied!)<lb/>
Bedarf keiner fremden Zierrathen.<lb/>
Hoch lebe Radetzki! U. f. w.</l>
              </lg>
            </quote><lb/>
            <p xml:id="ID_388" prev="#ID_387"> Wobei man nur fragen muß, warum er noch ein Lied auf den greisen Helden macht,<lb/>
da dieser doch keines Liedes bedarf.</p><lb/>
            <quote>
              <lg xml:id="POEMID_16" type="poem">
                <l> Er beugte Mailand am sechsten Angust &#x2014;<lb/>
Dir, Deutschland, galt diese Feier;<lb/>
Die Männer der That drück' an deine Brust,<lb/>
Wahre Söldlinge sind deine Schreier.  U. s. w. &#x2014;<lb/>
Kein deutsches Herz in dem Busen pocht,<lb/>
Der die Nachricht gefühllos empfangen.  U. s. w.<lb/>
Das Lebhoch, welches dies Lied ihm bringt,<lb/>
Verscheuche die letzte Wolke;<lb/>
ES hat kein Mandat, doch die Brust, die es singt,<lb/>
Ist dennoch die Brust vom Volke:<lb/>
Alle Bürger Oestreichs sind frei und gleich,<lb/>
Hoch lebe Radetzki und Oesterreich! &#x2014;</l>
              </lg>
            </quote><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 80*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0123] — ist kein Reich der Sünden!'! Es muß der Geist das trotz'ge Fleisch befehden Und ihm als Sieger auf den Nacken treten, Wenn er der Freiheit heilig Reich will gründen. Freiheit des Fleisches ist ein hurtig Grollen Mit Allem, waS die Lüste hält gefangen, Ist frevelhaftes, trotziges Gottverncinen. U. f. w. Und um diese allgemeinen Gedanken näher zu erörtern, widerlegt er einen, der behauptet, der Mensch solle sich selbst regieren, durch ein ^rgumentum sa Iioiniuew: „So will ich mich nicht zieren, Und will die neue Freiheit gleich probiren!" Und rückte scharf ihm auf den Leib heran, Und schnäuzte grimmig: „Kerl mir aus dem Wege! Sogleich zur Thür hinaus, sonst regnet'S Schläge!" Und scheinbar wüthend packt' ich ihn am Schöpf: Da rief nach dem GeuSd'arm der Welterucucr n. f. w. Herr Sturm ist übrigens entschieden religiös, hat in einem ziemlich langen Gedicht die verschiedenen Empfindungen auseinandergesetzt, welche eine Predigt bei den Guten und bei den Bösen erregt, und neigt sich zur klcindcutschen Partei, wenigstens hat er ein Sonett aus Welcker's Antrag gemacht, welches mit allgemeinem Jubel schließt: Nur zwei sah ich verdrießlich ab sich wenden: Der Eine seufzte: „O mein Bundestag!" Der Andre aber brummte: „Reaction!" Gleichfalls klcindeutsch und conservativ gesinnt ist Hr. v. Meyern; er feiert den Untergang des übermüthigen „Märzriesen", besingt Kaiser Rothbarts Erwachen, Kaiser Rothbarts Schlachtruf, das Kaiserschiff, vergleicht Klein-Deutschland mit Klein-Roland, und ist nur darüber betrübt, daß derjenige, dem Roland's Schwert übertragen wird, so lange zaudert. — Beide Dichter sind übrigens im Allgemeinen entschieden deutsch, und das ist auch der dritte, Herr Carueri, obgleich er zu einer entgegengesetzten Partei gehört: er ist leidenschaftlicher Oestreicher und Großdentscher, was sich schon in seiner Sprache ausdrückt: Hinweg mit dem Wortprunk, man schmücke damit Zweideutige kernlose Thaten; Die ManneSihat ist selber ein Lied, (— damit — Lied!) Bedarf keiner fremden Zierrathen. Hoch lebe Radetzki! U. f. w. Wobei man nur fragen muß, warum er noch ein Lied auf den greisen Helden macht, da dieser doch keines Liedes bedarf. Er beugte Mailand am sechsten Angust — Dir, Deutschland, galt diese Feier; Die Männer der That drück' an deine Brust, Wahre Söldlinge sind deine Schreier. U. s. w. — Kein deutsches Herz in dem Busen pocht, Der die Nachricht gefühllos empfangen. U. s. w. Das Lebhoch, welches dies Lied ihm bringt, Verscheuche die letzte Wolke; ES hat kein Mandat, doch die Brust, die es singt, Ist dennoch die Brust vom Volke: Alle Bürger Oestreichs sind frei und gleich, Hoch lebe Radetzki und Oesterreich! — 80*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/123
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/123>, abgerufen am 24.08.2024.