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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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standen. Bisher ist es dennoch dem Präsidenten des Comitö gelungen, durch freund¬
schaftliches Entgegenkommen die auseinander strebenden Elemente zusammenzuhalten, und
mehrere Mitglieder der Emigration von unnützen Demonstrationen zurückzuhalten; bis
endlich die Frage der Altconservativen in Ungarn wie ein neuer Zündstoff in die Ge¬
müther einiger jüngern Emigranten siel und den lang niedergehaltenen Kampf der Par¬
teien zum Ausbruch brachte. Die Altconservativen sollen sich, wie bereits mehrere Blät¬
ter meldeten, an die Pariser Emigration gewendet haben, um ihren Beistand bei der
Verschmelzung der vormärzlichen Parteien in Ungarn zu erhalten. Gras Teleki sprach
sich mit der Majorität des Comites für die Verbindung mit den Konservativen aus,
während Cseruatoni, Szarvadi und andere Vollblntdemokraten diese Mesalliance durch¬
aus nicht eingehen, und wie ihre Glaubensgenossen in Deutschland und Frunkreich ent¬
weder Alles oder gar nichts haben wollten. Dies brachte eine Spannung unter den
verschieden gesinnten Mitgliedern der Emigration hervor, und da Csernatoni, der als
Correspondent des lVlag^ör Mrlap schon oft von Teleki ersucht wurde, im Interesse der
Emigration seine Aeußerungen über die Maßregeln der französischen Regierung etwas
zu mäßigen, in neuester Zeit seine Feder noch spitzer schnitt, und eine Beileidsadresse,
welche die Emigration über deu Tod des Präsidenten Taylor nach Nordamerika sen¬
dete, und die vor der französischen Regierung ein Geheimniß bleiben sollte, veröffent¬
lichte, so glaubte sich das Comitv berechtigt, Herrn Csernatoni, dessen Benehmen es
vor der französischen Negierung nicht verantworten wollte, aus dem Verband der Emi-
grirten auszuschließen. Dies die Thatsache. Inwiefern Graf Teleki und das Conn6
zu streug oder gar anmaßend gegen Csernatoni verfahren sei, können wir, da die
nähern Umstände uus unbekannt sind, nicht beurtheilen; so viel ist gewiß, daß Cserna¬
toni jetzt zu weit geht, wenn er Teleki deu Prätendenten von Montmorency
nennt, und ihm unterschieben will, er hätte von ihm verlangt, seine Korrespon¬
denzen im Sinne Montalembert's, Larochejaguelin's u. s. w. einzurichten. Solche Be¬
schuldigungen kann Ladislaus Teleki über sich getrost ergehen lassen, denn seine 20jährige
politische Vergangenheit straft sie Lügen; aber der ungarischen Sache kann aus solchen
Reibungen nichts weniger als Nutzen entsprießen.

Für diese von Westen kommende betrübende Neuigkeit wurden wir reichlich durch
die Nachrichten entschädigt, welche dnrch Reisende und Jonrnalcorrespondenzen von Osten
einlaufen. Die Flüchtlinge in der Türkei werden von der dortigen Regierung mit
größter Schonung, von der türkischen Bevölkerung mit wahrhaft morgenländischer Gast¬
freundschaft behandelt, und die Jnternirten in Kleinasien leben ein friedliches unter
dem Patriarchen Kossuth geordnetes Familienleben. Kossuth, dessen große Seele nur
von seinem großen Herzen Übertrossen wird, sollte, wenn es ihm gelingt, ans der
Türkei zu entkommen, mit einer Schaar ungarischer Flüchtlinge eine kleine Insel im
stillen Meer oder im indischen Archipel beziehen; dort, fern von der verpesteten Diplo¬
matie, wo die Politik keine Madaräße und der Krieg keine Görgeu heranbildet, müßte
uuter Kossuths Leitung ein Völkchen erwachsen, wie Europa keins aufzuweisen hat; die
Sorgen der Organisation könnten seine Thatenlust, die Liebe seiner Mitbürger sein
frommes Gemüth, und das Bewußtsein, unter Freien der Erste zu sein, seinen Ehr¬
geiz befriedigen.

Aber nicht nur bei seinen Landsleuten/sondern auch bei den Muselmännern wußte sich Kos¬
suth in solches Ausehen zu setzen, daß er in Kintahia wie ein Fürst in seinem Reiche betrachtet wird.
Unsere Regierung ist zwar sehr bemüht, die Geltung Kossuth's zu untergraben, und erst
unlängst wurde ein gewisser J7 nach Kleinasien entsendet, um -- was durchaus nicht
bedungen ist -- "die Jnternirten zu überwachen", und "den weniger Compromittirten
die Pforten der kaiserlichen Gnade zu öffnen," allein kaum war Kossuth von der Ankunft
dieses Emissärs unterrichtet, als er dagegen Klage erhob, und Herr I. bekam den
Befehl, sich binnen 24 stunden aus Kintahia zu entfernen. Nun meint der Corre¬
spondent eines Wiener Blattes, daß die östreichische Negierung diese "Beschimpfung"


Grenzboten. IV. 1850. 8l)

standen. Bisher ist es dennoch dem Präsidenten des Comitö gelungen, durch freund¬
schaftliches Entgegenkommen die auseinander strebenden Elemente zusammenzuhalten, und
mehrere Mitglieder der Emigration von unnützen Demonstrationen zurückzuhalten; bis
endlich die Frage der Altconservativen in Ungarn wie ein neuer Zündstoff in die Ge¬
müther einiger jüngern Emigranten siel und den lang niedergehaltenen Kampf der Par¬
teien zum Ausbruch brachte. Die Altconservativen sollen sich, wie bereits mehrere Blät¬
ter meldeten, an die Pariser Emigration gewendet haben, um ihren Beistand bei der
Verschmelzung der vormärzlichen Parteien in Ungarn zu erhalten. Gras Teleki sprach
sich mit der Majorität des Comites für die Verbindung mit den Konservativen aus,
während Cseruatoni, Szarvadi und andere Vollblntdemokraten diese Mesalliance durch¬
aus nicht eingehen, und wie ihre Glaubensgenossen in Deutschland und Frunkreich ent¬
weder Alles oder gar nichts haben wollten. Dies brachte eine Spannung unter den
verschieden gesinnten Mitgliedern der Emigration hervor, und da Csernatoni, der als
Correspondent des lVlag^ör Mrlap schon oft von Teleki ersucht wurde, im Interesse der
Emigration seine Aeußerungen über die Maßregeln der französischen Regierung etwas
zu mäßigen, in neuester Zeit seine Feder noch spitzer schnitt, und eine Beileidsadresse,
welche die Emigration über deu Tod des Präsidenten Taylor nach Nordamerika sen¬
dete, und die vor der französischen Regierung ein Geheimniß bleiben sollte, veröffent¬
lichte, so glaubte sich das Comitv berechtigt, Herrn Csernatoni, dessen Benehmen es
vor der französischen Negierung nicht verantworten wollte, aus dem Verband der Emi-
grirten auszuschließen. Dies die Thatsache. Inwiefern Graf Teleki und das Conn6
zu streug oder gar anmaßend gegen Csernatoni verfahren sei, können wir, da die
nähern Umstände uus unbekannt sind, nicht beurtheilen; so viel ist gewiß, daß Cserna¬
toni jetzt zu weit geht, wenn er Teleki deu Prätendenten von Montmorency
nennt, und ihm unterschieben will, er hätte von ihm verlangt, seine Korrespon¬
denzen im Sinne Montalembert's, Larochejaguelin's u. s. w. einzurichten. Solche Be¬
schuldigungen kann Ladislaus Teleki über sich getrost ergehen lassen, denn seine 20jährige
politische Vergangenheit straft sie Lügen; aber der ungarischen Sache kann aus solchen
Reibungen nichts weniger als Nutzen entsprießen.

Für diese von Westen kommende betrübende Neuigkeit wurden wir reichlich durch
die Nachrichten entschädigt, welche dnrch Reisende und Jonrnalcorrespondenzen von Osten
einlaufen. Die Flüchtlinge in der Türkei werden von der dortigen Regierung mit
größter Schonung, von der türkischen Bevölkerung mit wahrhaft morgenländischer Gast¬
freundschaft behandelt, und die Jnternirten in Kleinasien leben ein friedliches unter
dem Patriarchen Kossuth geordnetes Familienleben. Kossuth, dessen große Seele nur
von seinem großen Herzen Übertrossen wird, sollte, wenn es ihm gelingt, ans der
Türkei zu entkommen, mit einer Schaar ungarischer Flüchtlinge eine kleine Insel im
stillen Meer oder im indischen Archipel beziehen; dort, fern von der verpesteten Diplo¬
matie, wo die Politik keine Madaräße und der Krieg keine Görgeu heranbildet, müßte
uuter Kossuths Leitung ein Völkchen erwachsen, wie Europa keins aufzuweisen hat; die
Sorgen der Organisation könnten seine Thatenlust, die Liebe seiner Mitbürger sein
frommes Gemüth, und das Bewußtsein, unter Freien der Erste zu sein, seinen Ehr¬
geiz befriedigen.

Aber nicht nur bei seinen Landsleuten/sondern auch bei den Muselmännern wußte sich Kos¬
suth in solches Ausehen zu setzen, daß er in Kintahia wie ein Fürst in seinem Reiche betrachtet wird.
Unsere Regierung ist zwar sehr bemüht, die Geltung Kossuth's zu untergraben, und erst
unlängst wurde ein gewisser J7 nach Kleinasien entsendet, um — was durchaus nicht
bedungen ist — „die Jnternirten zu überwachen", und „den weniger Compromittirten
die Pforten der kaiserlichen Gnade zu öffnen," allein kaum war Kossuth von der Ankunft
dieses Emissärs unterrichtet, als er dagegen Klage erhob, und Herr I. bekam den
Befehl, sich binnen 24 stunden aus Kintahia zu entfernen. Nun meint der Corre¬
spondent eines Wiener Blattes, daß die östreichische Negierung diese „Beschimpfung"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/121>, abgerufen am 24.08.2024.