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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Tones eine prekäre war. Jedenfalls war sie leichter zu ordnen, als die von
vornherein falsche und scheinbar feindliche der Partei Gagern gegen die Personen
dieses Ministeriums.

So erfolgte denn die Entscheidung in der Hitze. Das an bestimmte Be¬
dingungen geknüpfte Anerbieten der Kaiserkrone zwang Preußen, das weder den
Muth noch die Neigung hatte, trotz allen Ehrgeizes, einen halbrevolntiouären
Schritt zu thun, mit dem Parlament zu brechen. Damals, aber zu spät, be¬
mühte sich Eamphausen ernstlich, zu vermitteln: die Fäden entfielen seiner Hand.
Er wurde wieder verstimmt und überliefe den Schauplatz einem Andern.

Wir senden ihn wieder in den revidirten Kammern, nachdem die reactionäre Par¬
tei sich offen des Staats bemächtigt hatte. Die Idee der Märzverfassung war aufge¬
geben, auch über die Durchführung des "engern Bundes" stiegen erhebliche Zweifel
auf. -- Unter diesen Umständen hielt Cttmphausen jene bekannte Rede, in der er
darauf antrug, die in der preußischen Verfassung enthaltene Bestimmung, daß die
Krone zu Gunsten der Reichsverfassung zu vorläufigen Abänderungen bevollmäch¬
tigt sein sollte, auf den Entwurf vom 26. Mai zu übertragen. -- Die Rede
war so specifisch preußisch, daß sie seine Gegner zuerst in Erstaunen setzte, später
nur zu oft von ihnen als Waffe gegen ihn benutzt ist. -- Er suchte nämlich
nachzuweisen, daß Preußen allein für die deutsche Einheit etwas gethan habe, daß
Preußen allein durch diese Einheit verliere, da es für sich ganz gut bestehen
omne, daß es aber jetzt noch einmal seine rettende Hand bieten sollte, um, wenn
sie auch diesmal verschmäht würde,, sich in stolzem Selbstgefühl von Deutschland
zurückzuziehen und sich lediglich auf seiue eigene Kraft zu stützen. -- Augen¬
scheinlich war die Rede nach zwei Seiten hiu berechnet. Einmal sollten die klein¬
deutschen Verbündeten von dem Wahn zurückgebracht werden, als ob sie Preußen
durch ihren Auschluß eine große Wohlthat erzeigten, und dafür nichts wieder
empfingen. Sodann sollte dein preußischen Selbstgefühl, in dem bei aller suffi¬
sance doch viel Hochherzigkeit und Aufopferungsfähigkeit liegt, geschmeichelt wer¬
den, es sollte sich dnrch die Idee eines Opfers zu einem energischen Schritt auf¬
gefordert fühlen. -- Das ist alles sehr complicirt, und entbehrt jener Eigen¬
schaft, die einer solchen Ueberredung allein Kraft verleiht: der innern, vollen
Wahrheit. Denn die Hauptsache bei der Union bleibt doch die erweiterte Macht
Preußens, darüber waren die übrigen Fürsten gar nicht zu täuschen, und die an¬
geblich schwarzweiße, eigentlich aber schwarzgelbe Partei in Preußen konnte nnn
jene Vorstellung, an die sie selber nicht glaubte, daß Preußen durch die Union
nur verlieren könne, auf die Autorität ihres Gegners stützen. Ans der andern
Seite war es wieder ein übertriebener preußischer Hochmuth, wenn von der Mög¬
lichkeit einer isolirten Stellung Preußens gesprochen wurde, denn Preußen hat
uur die Wahl, Deutschland zu erobern, oder in Deutschland, d. h. in Oestreich
aufzugehen. Daß der König von Preußen als Reichsfürst dann noch eine ganz


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Tones eine prekäre war. Jedenfalls war sie leichter zu ordnen, als die von
vornherein falsche und scheinbar feindliche der Partei Gagern gegen die Personen
dieses Ministeriums.

So erfolgte denn die Entscheidung in der Hitze. Das an bestimmte Be¬
dingungen geknüpfte Anerbieten der Kaiserkrone zwang Preußen, das weder den
Muth noch die Neigung hatte, trotz allen Ehrgeizes, einen halbrevolntiouären
Schritt zu thun, mit dem Parlament zu brechen. Damals, aber zu spät, be¬
mühte sich Eamphausen ernstlich, zu vermitteln: die Fäden entfielen seiner Hand.
Er wurde wieder verstimmt und überliefe den Schauplatz einem Andern.

Wir senden ihn wieder in den revidirten Kammern, nachdem die reactionäre Par¬
tei sich offen des Staats bemächtigt hatte. Die Idee der Märzverfassung war aufge¬
geben, auch über die Durchführung des „engern Bundes" stiegen erhebliche Zweifel
auf. — Unter diesen Umständen hielt Cttmphausen jene bekannte Rede, in der er
darauf antrug, die in der preußischen Verfassung enthaltene Bestimmung, daß die
Krone zu Gunsten der Reichsverfassung zu vorläufigen Abänderungen bevollmäch¬
tigt sein sollte, auf den Entwurf vom 26. Mai zu übertragen. — Die Rede
war so specifisch preußisch, daß sie seine Gegner zuerst in Erstaunen setzte, später
nur zu oft von ihnen als Waffe gegen ihn benutzt ist. — Er suchte nämlich
nachzuweisen, daß Preußen allein für die deutsche Einheit etwas gethan habe, daß
Preußen allein durch diese Einheit verliere, da es für sich ganz gut bestehen
omne, daß es aber jetzt noch einmal seine rettende Hand bieten sollte, um, wenn
sie auch diesmal verschmäht würde,, sich in stolzem Selbstgefühl von Deutschland
zurückzuziehen und sich lediglich auf seiue eigene Kraft zu stützen. — Augen¬
scheinlich war die Rede nach zwei Seiten hiu berechnet. Einmal sollten die klein¬
deutschen Verbündeten von dem Wahn zurückgebracht werden, als ob sie Preußen
durch ihren Auschluß eine große Wohlthat erzeigten, und dafür nichts wieder
empfingen. Sodann sollte dein preußischen Selbstgefühl, in dem bei aller suffi¬
sance doch viel Hochherzigkeit und Aufopferungsfähigkeit liegt, geschmeichelt wer¬
den, es sollte sich dnrch die Idee eines Opfers zu einem energischen Schritt auf¬
gefordert fühlen. — Das ist alles sehr complicirt, und entbehrt jener Eigen¬
schaft, die einer solchen Ueberredung allein Kraft verleiht: der innern, vollen
Wahrheit. Denn die Hauptsache bei der Union bleibt doch die erweiterte Macht
Preußens, darüber waren die übrigen Fürsten gar nicht zu täuschen, und die an¬
geblich schwarzweiße, eigentlich aber schwarzgelbe Partei in Preußen konnte nnn
jene Vorstellung, an die sie selber nicht glaubte, daß Preußen durch die Union
nur verlieren könne, auf die Autorität ihres Gegners stützen. Ans der andern
Seite war es wieder ein übertriebener preußischer Hochmuth, wenn von der Mög¬
lichkeit einer isolirten Stellung Preußens gesprochen wurde, denn Preußen hat
uur die Wahl, Deutschland zu erobern, oder in Deutschland, d. h. in Oestreich
aufzugehen. Daß der König von Preußen als Reichsfürst dann noch eine ganz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/115>, abgerufen am 25.08.2024.