Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und verband sich mit dem Ruf der Süddeutschen nach einem energischen
"nationalen" Schutzzollsystem.

In all diesen Punkten war Camp Hausen der Mehrzahl seiner Landsleute
entgegen. Seine Idee von einer Centralisation des preußischen Staats erstreckte
sich auch auf die national-ökonomischen Fragen. Camphausen hat in der Zoll¬
gesetzgebung stets das System des.lasts-^non vertreten, sogar mit einer gewissen
Hinneigung zum Freihandel. Er hat dein Staate in Beziehung auf denjenigen
Zweig der productiven Thätigkeit, welcher damals vorzugsweise die finanziellen
Kräfte in Anspruch nahm, die Eisenbahnen, einen Einfluß eingeräumt, der selbst
über die Forderungen des Staats hinausging.

Daß Camphausen dennoch in den vormärzlichen Zeiten als Chef der rheini¬
schen Opposition auftreten konnte, erklärt sich theils ans den Forderungen, die
allen Fractionen der Opposition gemein waren, z. B. der Preßfreiheit, über
welchen Punkt er dem Provinziallandtage zu Düsseldorf 1843 eine meisterhaft
ausgearbeitete Denkschrift überreichte, theils ans dem Streben, einen gemeinsamen
Anhaltpunkt zu finden. Der Antrag auf Ausführung des Gesetzes vom 22. Mai
1815, einer Centralverfassnng für den preußischen Staat, gab damals diesen
Haltpunkt her, wie im Jahr 18-58 die Forderung einer deutschen Nationalreprä¬
sentation. Wenn die Posener Stände, die sonst jede Art der Einfügung in den
Staatsorganismus verabscheuten, sich dieser Forderung anschlossen, nur um Oppo¬
sition zu machen, so war es noch viel leichter begreiflich, wenn der Landtag von
Coblenz 1845 den in gleichem Sinne gehaltenen Antrag Camphausen's zu dem
seinigen machte.

Das Patent vom 3. Februar und der Centrallandtag fand die Parteien durch
die Provinziallandtage schou organisirt vor. Der wesentliche Inhalt der oppo¬
sitionellen Ansprüche >-- Erweiterung der ständischen Rechte mit Beziehung ans
die Gesetzgebung voll 1815 -- war allen Liberalen gemein; ebenso, daß sie sich
vorläufig bei der alten Grundlage des Wahlgesetzes beruhigten, weil sie rechtlich
auf keine andere gewiesen waren. Dagegen schied sich die Opposition in der Art
und Weise, wie sie diesen Zweck zu verfolgen gedachte, und Camphausen war es,
der seiner Richtung das Uebergewicht verschaffte.

Der liberale Adel -- denn es kommt nicht ans die Masse an, sondern lediglich
auf die Führer -- stützte sich auf deu Rechtsboden, auf die Verheißungen der
Freiheitskriege, auf die Stein'sche Zeit: er begründete die Ansprüche ans Er¬
weiterung der Landtagsbefngnisse juristisch. Der Bürgerstand, der diese Rechts-
begründung, weil sie ihm zum Vortheil gereichte, gleichfalls ulM^r acceptirte,
glaubte doch das Hauptgewicht auf die Grüude der Zweckmäßigkeit und innern
Nothwendigkeit legen zu müssen. Darum hat er, uuter Camphausen's Leitung,
den Weg der Vermittlung, der Adressen und Petitionen eingeschlagen; er hat den
Weg des Protestes --- in der Declaration der Rechte -- entweder gar nicht, oder


und verband sich mit dem Ruf der Süddeutschen nach einem energischen
„nationalen" Schutzzollsystem.

In all diesen Punkten war Camp Hausen der Mehrzahl seiner Landsleute
entgegen. Seine Idee von einer Centralisation des preußischen Staats erstreckte
sich auch auf die national-ökonomischen Fragen. Camphausen hat in der Zoll¬
gesetzgebung stets das System des.lasts-^non vertreten, sogar mit einer gewissen
Hinneigung zum Freihandel. Er hat dein Staate in Beziehung auf denjenigen
Zweig der productiven Thätigkeit, welcher damals vorzugsweise die finanziellen
Kräfte in Anspruch nahm, die Eisenbahnen, einen Einfluß eingeräumt, der selbst
über die Forderungen des Staats hinausging.

Daß Camphausen dennoch in den vormärzlichen Zeiten als Chef der rheini¬
schen Opposition auftreten konnte, erklärt sich theils ans den Forderungen, die
allen Fractionen der Opposition gemein waren, z. B. der Preßfreiheit, über
welchen Punkt er dem Provinziallandtage zu Düsseldorf 1843 eine meisterhaft
ausgearbeitete Denkschrift überreichte, theils ans dem Streben, einen gemeinsamen
Anhaltpunkt zu finden. Der Antrag auf Ausführung des Gesetzes vom 22. Mai
1815, einer Centralverfassnng für den preußischen Staat, gab damals diesen
Haltpunkt her, wie im Jahr 18-58 die Forderung einer deutschen Nationalreprä¬
sentation. Wenn die Posener Stände, die sonst jede Art der Einfügung in den
Staatsorganismus verabscheuten, sich dieser Forderung anschlossen, nur um Oppo¬
sition zu machen, so war es noch viel leichter begreiflich, wenn der Landtag von
Coblenz 1845 den in gleichem Sinne gehaltenen Antrag Camphausen's zu dem
seinigen machte.

Das Patent vom 3. Februar und der Centrallandtag fand die Parteien durch
die Provinziallandtage schou organisirt vor. Der wesentliche Inhalt der oppo¬
sitionellen Ansprüche >— Erweiterung der ständischen Rechte mit Beziehung ans
die Gesetzgebung voll 1815 — war allen Liberalen gemein; ebenso, daß sie sich
vorläufig bei der alten Grundlage des Wahlgesetzes beruhigten, weil sie rechtlich
auf keine andere gewiesen waren. Dagegen schied sich die Opposition in der Art
und Weise, wie sie diesen Zweck zu verfolgen gedachte, und Camphausen war es,
der seiner Richtung das Uebergewicht verschaffte.

Der liberale Adel — denn es kommt nicht ans die Masse an, sondern lediglich
auf die Führer — stützte sich auf deu Rechtsboden, auf die Verheißungen der
Freiheitskriege, auf die Stein'sche Zeit: er begründete die Ansprüche ans Er¬
weiterung der Landtagsbefngnisse juristisch. Der Bürgerstand, der diese Rechts-
begründung, weil sie ihm zum Vortheil gereichte, gleichfalls ulM^r acceptirte,
glaubte doch das Hauptgewicht auf die Grüude der Zweckmäßigkeit und innern
Nothwendigkeit legen zu müssen. Darum hat er, uuter Camphausen's Leitung,
den Weg der Vermittlung, der Adressen und Petitionen eingeschlagen; er hat den
Weg des Protestes —- in der Declaration der Rechte -- entweder gar nicht, oder


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0106" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92395"/>
            <p xml:id="ID_314" prev="#ID_313"> und verband sich mit dem Ruf der Süddeutschen nach einem energischen<lb/>
&#x201E;nationalen" Schutzzollsystem.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_315"> In all diesen Punkten war Camp Hausen der Mehrzahl seiner Landsleute<lb/>
entgegen. Seine Idee von einer Centralisation des preußischen Staats erstreckte<lb/>
sich auch auf die national-ökonomischen Fragen. Camphausen hat in der Zoll¬<lb/>
gesetzgebung stets das System des.lasts-^non vertreten, sogar mit einer gewissen<lb/>
Hinneigung zum Freihandel. Er hat dein Staate in Beziehung auf denjenigen<lb/>
Zweig der productiven Thätigkeit, welcher damals vorzugsweise die finanziellen<lb/>
Kräfte in Anspruch nahm, die Eisenbahnen, einen Einfluß eingeräumt, der selbst<lb/>
über die Forderungen des Staats hinausging.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_316"> Daß Camphausen dennoch in den vormärzlichen Zeiten als Chef der rheini¬<lb/>
schen Opposition auftreten konnte, erklärt sich theils ans den Forderungen, die<lb/>
allen Fractionen der Opposition gemein waren, z. B. der Preßfreiheit, über<lb/>
welchen Punkt er dem Provinziallandtage zu Düsseldorf 1843 eine meisterhaft<lb/>
ausgearbeitete Denkschrift überreichte, theils ans dem Streben, einen gemeinsamen<lb/>
Anhaltpunkt zu finden. Der Antrag auf Ausführung des Gesetzes vom 22. Mai<lb/>
1815, einer Centralverfassnng für den preußischen Staat, gab damals diesen<lb/>
Haltpunkt her, wie im Jahr 18-58 die Forderung einer deutschen Nationalreprä¬<lb/>
sentation. Wenn die Posener Stände, die sonst jede Art der Einfügung in den<lb/>
Staatsorganismus verabscheuten, sich dieser Forderung anschlossen, nur um Oppo¬<lb/>
sition zu machen, so war es noch viel leichter begreiflich, wenn der Landtag von<lb/>
Coblenz 1845 den in gleichem Sinne gehaltenen Antrag Camphausen's zu dem<lb/>
seinigen machte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_317"> Das Patent vom 3. Februar und der Centrallandtag fand die Parteien durch<lb/>
die Provinziallandtage schou organisirt vor. Der wesentliche Inhalt der oppo¬<lb/>
sitionellen Ansprüche &gt;&#x2014; Erweiterung der ständischen Rechte mit Beziehung ans<lb/>
die Gesetzgebung voll 1815 &#x2014; war allen Liberalen gemein; ebenso, daß sie sich<lb/>
vorläufig bei der alten Grundlage des Wahlgesetzes beruhigten, weil sie rechtlich<lb/>
auf keine andere gewiesen waren. Dagegen schied sich die Opposition in der Art<lb/>
und Weise, wie sie diesen Zweck zu verfolgen gedachte, und Camphausen war es,<lb/>
der seiner Richtung das Uebergewicht verschaffte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_318" next="#ID_319"> Der liberale Adel &#x2014; denn es kommt nicht ans die Masse an, sondern lediglich<lb/>
auf die Führer &#x2014; stützte sich auf deu Rechtsboden, auf die Verheißungen der<lb/>
Freiheitskriege, auf die Stein'sche Zeit: er begründete die Ansprüche ans Er¬<lb/>
weiterung der Landtagsbefngnisse juristisch. Der Bürgerstand, der diese Rechts-<lb/>
begründung, weil sie ihm zum Vortheil gereichte, gleichfalls ulM^r acceptirte,<lb/>
glaubte doch das Hauptgewicht auf die Grüude der Zweckmäßigkeit und innern<lb/>
Nothwendigkeit legen zu müssen. Darum hat er, uuter Camphausen's Leitung,<lb/>
den Weg der Vermittlung, der Adressen und Petitionen eingeschlagen; er hat den<lb/>
Weg des Protestes &#x2014;- in der Declaration der Rechte -- entweder gar nicht, oder</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0106] und verband sich mit dem Ruf der Süddeutschen nach einem energischen „nationalen" Schutzzollsystem. In all diesen Punkten war Camp Hausen der Mehrzahl seiner Landsleute entgegen. Seine Idee von einer Centralisation des preußischen Staats erstreckte sich auch auf die national-ökonomischen Fragen. Camphausen hat in der Zoll¬ gesetzgebung stets das System des.lasts-^non vertreten, sogar mit einer gewissen Hinneigung zum Freihandel. Er hat dein Staate in Beziehung auf denjenigen Zweig der productiven Thätigkeit, welcher damals vorzugsweise die finanziellen Kräfte in Anspruch nahm, die Eisenbahnen, einen Einfluß eingeräumt, der selbst über die Forderungen des Staats hinausging. Daß Camphausen dennoch in den vormärzlichen Zeiten als Chef der rheini¬ schen Opposition auftreten konnte, erklärt sich theils ans den Forderungen, die allen Fractionen der Opposition gemein waren, z. B. der Preßfreiheit, über welchen Punkt er dem Provinziallandtage zu Düsseldorf 1843 eine meisterhaft ausgearbeitete Denkschrift überreichte, theils ans dem Streben, einen gemeinsamen Anhaltpunkt zu finden. Der Antrag auf Ausführung des Gesetzes vom 22. Mai 1815, einer Centralverfassnng für den preußischen Staat, gab damals diesen Haltpunkt her, wie im Jahr 18-58 die Forderung einer deutschen Nationalreprä¬ sentation. Wenn die Posener Stände, die sonst jede Art der Einfügung in den Staatsorganismus verabscheuten, sich dieser Forderung anschlossen, nur um Oppo¬ sition zu machen, so war es noch viel leichter begreiflich, wenn der Landtag von Coblenz 1845 den in gleichem Sinne gehaltenen Antrag Camphausen's zu dem seinigen machte. Das Patent vom 3. Februar und der Centrallandtag fand die Parteien durch die Provinziallandtage schou organisirt vor. Der wesentliche Inhalt der oppo¬ sitionellen Ansprüche >— Erweiterung der ständischen Rechte mit Beziehung ans die Gesetzgebung voll 1815 — war allen Liberalen gemein; ebenso, daß sie sich vorläufig bei der alten Grundlage des Wahlgesetzes beruhigten, weil sie rechtlich auf keine andere gewiesen waren. Dagegen schied sich die Opposition in der Art und Weise, wie sie diesen Zweck zu verfolgen gedachte, und Camphausen war es, der seiner Richtung das Uebergewicht verschaffte. Der liberale Adel — denn es kommt nicht ans die Masse an, sondern lediglich auf die Führer — stützte sich auf deu Rechtsboden, auf die Verheißungen der Freiheitskriege, auf die Stein'sche Zeit: er begründete die Ansprüche ans Er¬ weiterung der Landtagsbefngnisse juristisch. Der Bürgerstand, der diese Rechts- begründung, weil sie ihm zum Vortheil gereichte, gleichfalls ulM^r acceptirte, glaubte doch das Hauptgewicht auf die Grüude der Zweckmäßigkeit und innern Nothwendigkeit legen zu müssen. Darum hat er, uuter Camphausen's Leitung, den Weg der Vermittlung, der Adressen und Petitionen eingeschlagen; er hat den Weg des Protestes —- in der Declaration der Rechte -- entweder gar nicht, oder

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/106
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/106>, abgerufen am 25.08.2024.