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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Breslau, Poppo ans Frankfurt a. O. genannt: von außerordentlichen Gelehrten
besuchten die Versammlung anßer Professor Neuß ans Straßbnrg das englische
Parlamentsglied Milues, or. Mackenzie ans London, ein junger Privatgelehrter aus
Se. Andrews in Schottland, Namens Wright, und der Rector Cyguäus aus
Helsingfors.

Wer möchte sie Alle aufzählen, bis hinab zu den aliis minorum und mwimgrum
xenUum, die von der Elementar - und Communalschnle aus, soweit die spärliche
Muße es erlaubt, mit deu Wissenschaften liebäugeln? An langen Tafeln des
Mittags, zu kleinern Kreisen des Abends fanden sie Alle, wie Zufall oder
Neigung sie führte, bald mit alten Freunden, bald neue Bekanntschaften kuüpfeud,
sich zusammen. Zwar znerst rümpfte Mancher die Nase, wenn er, sich umschauend
im hohen Saale, von der Galerie Hochher leuchtend das preußische Landivehr-
Kreuz erblickte, mit eiuer überreichen Garnitur schwarzweißer Fahnen umgeben,
die Embleme der vaterländischen Gesellschaft, die hier ihren Sitz aufgeschlagen --
aber bald schwand bei rothem oder goldenem Wein der Mißklang. War doch
anch schon am Vorabend des großen Tages eine Ansprache der eigentlich con-
stitutionellen Partei an Jac. Grimm verbreitet worden, die aber in ihrer allge¬
meinen Haltung nach rechts wie nach links zur Unterschrift reizte, er möge die
Sympathie des Kongresses für Schleswig-Holstein aufrufen, und hatte zahlreiche
und ansehnliche Unterschriften gefunden. Am Dienstage, vor Beginn der Ver¬
sammlung, kam Grimm mit warmen Worten diesem Wunsche nach, er forderte
mehr als die frostige Phrase der "hartherzigen Theologen" in Stuttgart, nicht
betend noch bettelnd verlangte er einfach, man solle erklären, die Sache Schleswig-
Holsteins sei eine gerechte, heilige, unverbrüchliche Angelegenheit Deutschlands.
Nur ein Ministerialrath und einige Kreuze'nappen blieben sitzen, als die ganze
Versammlung von ihren Sitzen sich erhob, freudig ihre Beistimmung zu erklären.
Am Donnerstage freilich mußte sie büßen, was sie, dem Drange deö Herzens
folgend, gethan. Es war zum Schlüsse des Congresses eine Lustfahrt uach Pots¬
dam veranstaltet: königliche Munificenz hatte Wagen zur Disposition gestellt, um
unter der kündigen Führung deö Garteudirectvrs Leuuv die königlichen Schlösser
und Anlagen zu besuchen: die Führer des Zuges waren mit ihren Orden ge¬
schmückt, viele Mitglieder hatten die weiße, hofmäßige Cravatte angelegt, denn
es waren halbosstcielle Andeutungen gefallen, daß der König die Versammlung ans der
Terrasse von Sanssouci bewillkommnen werde -- aber um die Zeit, als die Gelehrten
sich in der königlichen Residenz befanden, wohnte der König einem vom Offiziercorps
des ersten Garderegiments veranstalteten Festschießen bei. Das bedarf keines
Commentars. Aber auch Berichte über die Sectionen der Orientalisten, wo man
sich lebhast über die Bibliothek der morgenländischen Gesellschaft herumftritt, und
der Pädagogen, in denen man vielbesprochene Thesen wieder durchsprach, ohne
zu erheblichen Resultaten zu gelangen, erlassen Sie mir. I.s Secret (Z'mun^er


Breslau, Poppo ans Frankfurt a. O. genannt: von außerordentlichen Gelehrten
besuchten die Versammlung anßer Professor Neuß ans Straßbnrg das englische
Parlamentsglied Milues, or. Mackenzie ans London, ein junger Privatgelehrter aus
Se. Andrews in Schottland, Namens Wright, und der Rector Cyguäus aus
Helsingfors.

Wer möchte sie Alle aufzählen, bis hinab zu den aliis minorum und mwimgrum
xenUum, die von der Elementar - und Communalschnle aus, soweit die spärliche
Muße es erlaubt, mit deu Wissenschaften liebäugeln? An langen Tafeln des
Mittags, zu kleinern Kreisen des Abends fanden sie Alle, wie Zufall oder
Neigung sie führte, bald mit alten Freunden, bald neue Bekanntschaften kuüpfeud,
sich zusammen. Zwar znerst rümpfte Mancher die Nase, wenn er, sich umschauend
im hohen Saale, von der Galerie Hochher leuchtend das preußische Landivehr-
Kreuz erblickte, mit eiuer überreichen Garnitur schwarzweißer Fahnen umgeben,
die Embleme der vaterländischen Gesellschaft, die hier ihren Sitz aufgeschlagen —
aber bald schwand bei rothem oder goldenem Wein der Mißklang. War doch
anch schon am Vorabend des großen Tages eine Ansprache der eigentlich con-
stitutionellen Partei an Jac. Grimm verbreitet worden, die aber in ihrer allge¬
meinen Haltung nach rechts wie nach links zur Unterschrift reizte, er möge die
Sympathie des Kongresses für Schleswig-Holstein aufrufen, und hatte zahlreiche
und ansehnliche Unterschriften gefunden. Am Dienstage, vor Beginn der Ver¬
sammlung, kam Grimm mit warmen Worten diesem Wunsche nach, er forderte
mehr als die frostige Phrase der „hartherzigen Theologen" in Stuttgart, nicht
betend noch bettelnd verlangte er einfach, man solle erklären, die Sache Schleswig-
Holsteins sei eine gerechte, heilige, unverbrüchliche Angelegenheit Deutschlands.
Nur ein Ministerialrath und einige Kreuze'nappen blieben sitzen, als die ganze
Versammlung von ihren Sitzen sich erhob, freudig ihre Beistimmung zu erklären.
Am Donnerstage freilich mußte sie büßen, was sie, dem Drange deö Herzens
folgend, gethan. Es war zum Schlüsse des Congresses eine Lustfahrt uach Pots¬
dam veranstaltet: königliche Munificenz hatte Wagen zur Disposition gestellt, um
unter der kündigen Führung deö Garteudirectvrs Leuuv die königlichen Schlösser
und Anlagen zu besuchen: die Führer des Zuges waren mit ihren Orden ge¬
schmückt, viele Mitglieder hatten die weiße, hofmäßige Cravatte angelegt, denn
es waren halbosstcielle Andeutungen gefallen, daß der König die Versammlung ans der
Terrasse von Sanssouci bewillkommnen werde — aber um die Zeit, als die Gelehrten
sich in der königlichen Residenz befanden, wohnte der König einem vom Offiziercorps
des ersten Garderegiments veranstalteten Festschießen bei. Das bedarf keines
Commentars. Aber auch Berichte über die Sectionen der Orientalisten, wo man
sich lebhast über die Bibliothek der morgenländischen Gesellschaft herumftritt, und
der Pädagogen, in denen man vielbesprochene Thesen wieder durchsprach, ohne
zu erheblichen Resultaten zu gelangen, erlassen Sie mir. I.s Secret (Z'mun^er


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[0102] Breslau, Poppo ans Frankfurt a. O. genannt: von außerordentlichen Gelehrten besuchten die Versammlung anßer Professor Neuß ans Straßbnrg das englische Parlamentsglied Milues, or. Mackenzie ans London, ein junger Privatgelehrter aus Se. Andrews in Schottland, Namens Wright, und der Rector Cyguäus aus Helsingfors. Wer möchte sie Alle aufzählen, bis hinab zu den aliis minorum und mwimgrum xenUum, die von der Elementar - und Communalschnle aus, soweit die spärliche Muße es erlaubt, mit deu Wissenschaften liebäugeln? An langen Tafeln des Mittags, zu kleinern Kreisen des Abends fanden sie Alle, wie Zufall oder Neigung sie führte, bald mit alten Freunden, bald neue Bekanntschaften kuüpfeud, sich zusammen. Zwar znerst rümpfte Mancher die Nase, wenn er, sich umschauend im hohen Saale, von der Galerie Hochher leuchtend das preußische Landivehr- Kreuz erblickte, mit eiuer überreichen Garnitur schwarzweißer Fahnen umgeben, die Embleme der vaterländischen Gesellschaft, die hier ihren Sitz aufgeschlagen — aber bald schwand bei rothem oder goldenem Wein der Mißklang. War doch anch schon am Vorabend des großen Tages eine Ansprache der eigentlich con- stitutionellen Partei an Jac. Grimm verbreitet worden, die aber in ihrer allge¬ meinen Haltung nach rechts wie nach links zur Unterschrift reizte, er möge die Sympathie des Kongresses für Schleswig-Holstein aufrufen, und hatte zahlreiche und ansehnliche Unterschriften gefunden. Am Dienstage, vor Beginn der Ver¬ sammlung, kam Grimm mit warmen Worten diesem Wunsche nach, er forderte mehr als die frostige Phrase der „hartherzigen Theologen" in Stuttgart, nicht betend noch bettelnd verlangte er einfach, man solle erklären, die Sache Schleswig- Holsteins sei eine gerechte, heilige, unverbrüchliche Angelegenheit Deutschlands. Nur ein Ministerialrath und einige Kreuze'nappen blieben sitzen, als die ganze Versammlung von ihren Sitzen sich erhob, freudig ihre Beistimmung zu erklären. Am Donnerstage freilich mußte sie büßen, was sie, dem Drange deö Herzens folgend, gethan. Es war zum Schlüsse des Congresses eine Lustfahrt uach Pots¬ dam veranstaltet: königliche Munificenz hatte Wagen zur Disposition gestellt, um unter der kündigen Führung deö Garteudirectvrs Leuuv die königlichen Schlösser und Anlagen zu besuchen: die Führer des Zuges waren mit ihren Orden ge¬ schmückt, viele Mitglieder hatten die weiße, hofmäßige Cravatte angelegt, denn es waren halbosstcielle Andeutungen gefallen, daß der König die Versammlung ans der Terrasse von Sanssouci bewillkommnen werde — aber um die Zeit, als die Gelehrten sich in der königlichen Residenz befanden, wohnte der König einem vom Offiziercorps des ersten Garderegiments veranstalteten Festschießen bei. Das bedarf keines Commentars. Aber auch Berichte über die Sectionen der Orientalisten, wo man sich lebhast über die Bibliothek der morgenländischen Gesellschaft herumftritt, und der Pädagogen, in denen man vielbesprochene Thesen wieder durchsprach, ohne zu erheblichen Resultaten zu gelangen, erlassen Sie mir. I.s Secret (Z'mun^er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/102>, abgerufen am 24.08.2024.