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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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In seinem Hirne, daS so trocken ist,
Wie Ueberrest von Zwieback nach der Reise,
Hat er seltsame Fächer ausgestopft
Mit Anmerkungen, die er brockenweise
Nun von sich giebt!

und nicht nnr die Orientalisten scheinen von der Lehre des wohlerfahrenen
Derwisch profitirt zu haben:


Statt Dich ans Studien, ernste, schwere
Und tiefe gründlich zu verlegen,
Trink' und erwarte des Himmels Segen!

Niemand kneipt gemüthlicher, als der deutsche Gelehrte, wenn er einmal
seiner Studierstube den Rücken gedreht und sich mit seinen Genossen um den
runden Tisch zu vollen Gläsern gesetzt hat: Mittags und Abends kamen sie in
hellen Haufen in die Kneipe gezogen. Hier fanden sie von fern und nah sich
zusammen die gelehrten Herren: über viertehalbhnndert Namen meldete das Ver¬
zeichnis Unter diesen sind eiwa 200 Einheimische, von denen nächst Böckh und
Bopp nnr Jacob Grimm, Lachmann, Meineke, Trendelenburg, Gerhard, Lepsius
nebst Kramer, Director des französischen Gymnasiums, dem Vicepräsidenten der
Versammlung, herausgehoben werden mögen. Auffallend war es, daß von den
vier ordentlichen Professoren der classischen Philologie an der Universität zwei,
Immanuel Better und Franz, sich der Gesellschaft entzogen hatten, obwohl bei
jenem aus seiner bekaunten Schweigsamkeit, bei diesem ans frühern Vorgängen
zu erklären; mich unsere Romani en Dirtsen, Keller, Nudorff, Savigny'ö zu
geschweige!!, hätten wohl beitreten können. Anfallender und uur ans dem zufäl¬
ligen Zusammentreffen verschiedener Umstände zu erklären ist die Abwesenheit sast
aller ältern Philologen von Ruf, die ans preußischen Universitäten lehren; von
dieser langen Reihe glänzende: Namen fand sich nnr der des trefflichen Schömann
von Greifswald auf der Liste der Mitglieder: Lobeck und Lehrs, Welcker und
Fritsche, Bernhardt) und Meier, Schneider und Haase suchte man schmerzlich und
vergeblich. Aber die Achseln zuckte man lächelnd ob derjenigen, die uneingedenk,
daß ein Gelehrtencvngreß keine diplomatische Konferenz ist, ans Haß gegen die
preußische Regierung oder gar aus particnlaristischantiprenßiftl)em, beziehungsweise
hannöverschen resp, sächsiscl^em Stammesbewußisein sich fern hielten: von allen Leip¬
ziger und Göttinger Professoren war Keiner gekommen, dagegen freilich einige aus¬
gezeichnete Schulmänner: Kühne aus Hannover, Zimmermann aus Clausthal, Helbig
nud Schäfer ans Dresden u. A. Weniger exclusiv waren die Orientalisten:
Wüstenfeld aus Göttingen befind sich in ihrer Mitte, ebenso die Hallenser und die
Leipziger bis auf Herrn Tuch, dem es wohl nicht vergönnt wird, seinen mühsam
errungenen Sitz in der sächsischen Pairskammer zu verlassen. Von andern Mit¬
gliedern der Versammlung seien noch Göttling, Hand und Hoffmann aus Jena,
Berge und Gildemeister aus Marburg, Döderlein aus Erlangen, Gerlach ans Basel,
Holtzmann ans Karlsruhe, Wex ans Schwerin, Kraft ans Hamburg, Schönborn ans


In seinem Hirne, daS so trocken ist,
Wie Ueberrest von Zwieback nach der Reise,
Hat er seltsame Fächer ausgestopft
Mit Anmerkungen, die er brockenweise
Nun von sich giebt!

und nicht nnr die Orientalisten scheinen von der Lehre des wohlerfahrenen
Derwisch profitirt zu haben:


Statt Dich ans Studien, ernste, schwere
Und tiefe gründlich zu verlegen,
Trink' und erwarte des Himmels Segen!

Niemand kneipt gemüthlicher, als der deutsche Gelehrte, wenn er einmal
seiner Studierstube den Rücken gedreht und sich mit seinen Genossen um den
runden Tisch zu vollen Gläsern gesetzt hat: Mittags und Abends kamen sie in
hellen Haufen in die Kneipe gezogen. Hier fanden sie von fern und nah sich
zusammen die gelehrten Herren: über viertehalbhnndert Namen meldete das Ver¬
zeichnis Unter diesen sind eiwa 200 Einheimische, von denen nächst Böckh und
Bopp nnr Jacob Grimm, Lachmann, Meineke, Trendelenburg, Gerhard, Lepsius
nebst Kramer, Director des französischen Gymnasiums, dem Vicepräsidenten der
Versammlung, herausgehoben werden mögen. Auffallend war es, daß von den
vier ordentlichen Professoren der classischen Philologie an der Universität zwei,
Immanuel Better und Franz, sich der Gesellschaft entzogen hatten, obwohl bei
jenem aus seiner bekaunten Schweigsamkeit, bei diesem ans frühern Vorgängen
zu erklären; mich unsere Romani en Dirtsen, Keller, Nudorff, Savigny'ö zu
geschweige!!, hätten wohl beitreten können. Anfallender und uur ans dem zufäl¬
ligen Zusammentreffen verschiedener Umstände zu erklären ist die Abwesenheit sast
aller ältern Philologen von Ruf, die ans preußischen Universitäten lehren; von
dieser langen Reihe glänzende: Namen fand sich nnr der des trefflichen Schömann
von Greifswald auf der Liste der Mitglieder: Lobeck und Lehrs, Welcker und
Fritsche, Bernhardt) und Meier, Schneider und Haase suchte man schmerzlich und
vergeblich. Aber die Achseln zuckte man lächelnd ob derjenigen, die uneingedenk,
daß ein Gelehrtencvngreß keine diplomatische Konferenz ist, ans Haß gegen die
preußische Regierung oder gar aus particnlaristischantiprenßiftl)em, beziehungsweise
hannöverschen resp, sächsiscl^em Stammesbewußisein sich fern hielten: von allen Leip¬
ziger und Göttinger Professoren war Keiner gekommen, dagegen freilich einige aus¬
gezeichnete Schulmänner: Kühne aus Hannover, Zimmermann aus Clausthal, Helbig
nud Schäfer ans Dresden u. A. Weniger exclusiv waren die Orientalisten:
Wüstenfeld aus Göttingen befind sich in ihrer Mitte, ebenso die Hallenser und die
Leipziger bis auf Herrn Tuch, dem es wohl nicht vergönnt wird, seinen mühsam
errungenen Sitz in der sächsischen Pairskammer zu verlassen. Von andern Mit¬
gliedern der Versammlung seien noch Göttling, Hand und Hoffmann aus Jena,
Berge und Gildemeister aus Marburg, Döderlein aus Erlangen, Gerlach ans Basel,
Holtzmann ans Karlsruhe, Wex ans Schwerin, Kraft ans Hamburg, Schönborn ans


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/101>, abgerufen am 25.08.2024.