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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Nußland hatte an Preußen die drohende Forderung gestellt, es solle mit Däne¬
mark Frieden schließen und die Herzogthümer zur Ordnung zwingen helfen; es
hatte mit seiner Intervention und einem Arrangement der Angelegenheit durch die
auswärtigen Mächte gedroht, für welches die Unterhandlungen in London bereits so
imGange waren, daßPreußenö definitiver Beitritt vorausgesetzt wurde. Da wurde in
Berlin die Reise des Prinzen von Preußen nach Warschau beschlossen, und seine
Abschiedscoufcreuz mit dem König war eine Scene auch von persönlicher Bewe¬
gung. "Sage ihm," soll der Fürst dem scheidenden Bruder gesagt haben, "daß
ich zum Aeußersten entschlossen bin. Meine Ehre ist verpfändet, ich werde die
Herzogthümer nicht verrathen, und bestehen die Gegner auf ihrer Forderung, so
will ich und Preußen lieber untergehen, als falsch und treulos handeln." Mit
diesem Entschluß reiste der Prinz nach Warschau und Petersburg, und seiner
festen Erklärung gelang es, den Kaiser von einem direkten feindlichen Auftreten
abzubringen und endlich die Zusicherung zu erhalten, daß er, der Agnat, Däne¬
mark und die Herzogtümer ihrem eigenen Schicksal frei überlassen wolle. Er instruirte
in diesem Sinne seine Gesandten und darauf ward erst der Friede möglich, dessen Be¬
dingungen Dänemark mit Trotz zurückgewiesen hatte, so lange von ihm eine direkte
Einmischung Rußlands zu hoffen war.

Die deutsche Presse hat bis jetzt fast allgemein sehr wegwerfend über den Frieden
gesprochen und behauptet, daß Preußen durch ihn sich völlig discreditirt habe. Diese
Behauptung wäre unbegreiflich und unverzeihlich, wenn man nicht berücksichtigen müßte,
daß die Trauer und der Aerger über den Maugel großer Resultate in einer Herzens¬
angelegenheit unseres Volkes das Urtheil der Schreibenden überstürzt hätte. Es
ist aber die Pflicht von Allen, welche ein Urtheil abgeben über dies ernste Fall,
mit leidenschaftsloser Ruhe die gegenwärtigen Verhältnisse der europäischen Staaten
zu betrachte". -- Preußen hat für die Herzogthümer Alles gethan, was es jetzt
thun konnte.

Von deu Herzogtümern aber hat Preußen allerdings Dank verdient, einen
kühlen Dank, wie wir ihn dem ehrlichen Mann schuldig sind, der deu guten Willen
hat, uns aus eiuer Gefahr zu helfen, aber nicht ebenso die Macht. Sie gehen
einer schweren Zeit entgegen, aber, wie auch der Krieg sich entscheide, ihre Rechte
können ihnen nicht mehr genommen werden. Selbst wenn das Traurigste, was wir
nicht fürchten, geschieht, und dänisches Gelüst über gutes deutsches Recht den
Sieg davon trüge, die Eroberung, der Zwang des Krieges hebt die Rechte dieses
Volkes nicht mehr auf. Sie siud in dem Friedensschluß Preußens reservirt, sie sind
durch die letzten Jahre eine nationale deutsche Forderung geworden, und jetzt
oder später, einmal kommt die Stunde, wo sie durchgesetzt werden. Uns aber,
den Einzelnen, ist bei dem bevorstehenden Kampf eines Brudervolkes Recht und
Pflicht, nach unserer Kraft die Alleinstehenden zu stützen, durch die Feder, durch
unser Vermögen und so weit sie es begehren, durch unsere Glieder.


Nußland hatte an Preußen die drohende Forderung gestellt, es solle mit Däne¬
mark Frieden schließen und die Herzogthümer zur Ordnung zwingen helfen; es
hatte mit seiner Intervention und einem Arrangement der Angelegenheit durch die
auswärtigen Mächte gedroht, für welches die Unterhandlungen in London bereits so
imGange waren, daßPreußenö definitiver Beitritt vorausgesetzt wurde. Da wurde in
Berlin die Reise des Prinzen von Preußen nach Warschau beschlossen, und seine
Abschiedscoufcreuz mit dem König war eine Scene auch von persönlicher Bewe¬
gung. „Sage ihm," soll der Fürst dem scheidenden Bruder gesagt haben, „daß
ich zum Aeußersten entschlossen bin. Meine Ehre ist verpfändet, ich werde die
Herzogthümer nicht verrathen, und bestehen die Gegner auf ihrer Forderung, so
will ich und Preußen lieber untergehen, als falsch und treulos handeln." Mit
diesem Entschluß reiste der Prinz nach Warschau und Petersburg, und seiner
festen Erklärung gelang es, den Kaiser von einem direkten feindlichen Auftreten
abzubringen und endlich die Zusicherung zu erhalten, daß er, der Agnat, Däne¬
mark und die Herzogtümer ihrem eigenen Schicksal frei überlassen wolle. Er instruirte
in diesem Sinne seine Gesandten und darauf ward erst der Friede möglich, dessen Be¬
dingungen Dänemark mit Trotz zurückgewiesen hatte, so lange von ihm eine direkte
Einmischung Rußlands zu hoffen war.

Die deutsche Presse hat bis jetzt fast allgemein sehr wegwerfend über den Frieden
gesprochen und behauptet, daß Preußen durch ihn sich völlig discreditirt habe. Diese
Behauptung wäre unbegreiflich und unverzeihlich, wenn man nicht berücksichtigen müßte,
daß die Trauer und der Aerger über den Maugel großer Resultate in einer Herzens¬
angelegenheit unseres Volkes das Urtheil der Schreibenden überstürzt hätte. Es
ist aber die Pflicht von Allen, welche ein Urtheil abgeben über dies ernste Fall,
mit leidenschaftsloser Ruhe die gegenwärtigen Verhältnisse der europäischen Staaten
zu betrachte». — Preußen hat für die Herzogthümer Alles gethan, was es jetzt
thun konnte.

Von deu Herzogtümern aber hat Preußen allerdings Dank verdient, einen
kühlen Dank, wie wir ihn dem ehrlichen Mann schuldig sind, der deu guten Willen
hat, uns aus eiuer Gefahr zu helfen, aber nicht ebenso die Macht. Sie gehen
einer schweren Zeit entgegen, aber, wie auch der Krieg sich entscheide, ihre Rechte
können ihnen nicht mehr genommen werden. Selbst wenn das Traurigste, was wir
nicht fürchten, geschieht, und dänisches Gelüst über gutes deutsches Recht den
Sieg davon trüge, die Eroberung, der Zwang des Krieges hebt die Rechte dieses
Volkes nicht mehr auf. Sie siud in dem Friedensschluß Preußens reservirt, sie sind
durch die letzten Jahre eine nationale deutsche Forderung geworden, und jetzt
oder später, einmal kommt die Stunde, wo sie durchgesetzt werden. Uns aber,
den Einzelnen, ist bei dem bevorstehenden Kampf eines Brudervolkes Recht und
Pflicht, nach unserer Kraft die Alleinstehenden zu stützen, durch die Feder, durch
unser Vermögen und so weit sie es begehren, durch unsere Glieder.


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[0093] Nußland hatte an Preußen die drohende Forderung gestellt, es solle mit Däne¬ mark Frieden schließen und die Herzogthümer zur Ordnung zwingen helfen; es hatte mit seiner Intervention und einem Arrangement der Angelegenheit durch die auswärtigen Mächte gedroht, für welches die Unterhandlungen in London bereits so imGange waren, daßPreußenö definitiver Beitritt vorausgesetzt wurde. Da wurde in Berlin die Reise des Prinzen von Preußen nach Warschau beschlossen, und seine Abschiedscoufcreuz mit dem König war eine Scene auch von persönlicher Bewe¬ gung. „Sage ihm," soll der Fürst dem scheidenden Bruder gesagt haben, „daß ich zum Aeußersten entschlossen bin. Meine Ehre ist verpfändet, ich werde die Herzogthümer nicht verrathen, und bestehen die Gegner auf ihrer Forderung, so will ich und Preußen lieber untergehen, als falsch und treulos handeln." Mit diesem Entschluß reiste der Prinz nach Warschau und Petersburg, und seiner festen Erklärung gelang es, den Kaiser von einem direkten feindlichen Auftreten abzubringen und endlich die Zusicherung zu erhalten, daß er, der Agnat, Däne¬ mark und die Herzogtümer ihrem eigenen Schicksal frei überlassen wolle. Er instruirte in diesem Sinne seine Gesandten und darauf ward erst der Friede möglich, dessen Be¬ dingungen Dänemark mit Trotz zurückgewiesen hatte, so lange von ihm eine direkte Einmischung Rußlands zu hoffen war. Die deutsche Presse hat bis jetzt fast allgemein sehr wegwerfend über den Frieden gesprochen und behauptet, daß Preußen durch ihn sich völlig discreditirt habe. Diese Behauptung wäre unbegreiflich und unverzeihlich, wenn man nicht berücksichtigen müßte, daß die Trauer und der Aerger über den Maugel großer Resultate in einer Herzens¬ angelegenheit unseres Volkes das Urtheil der Schreibenden überstürzt hätte. Es ist aber die Pflicht von Allen, welche ein Urtheil abgeben über dies ernste Fall, mit leidenschaftsloser Ruhe die gegenwärtigen Verhältnisse der europäischen Staaten zu betrachte». — Preußen hat für die Herzogthümer Alles gethan, was es jetzt thun konnte. Von deu Herzogtümern aber hat Preußen allerdings Dank verdient, einen kühlen Dank, wie wir ihn dem ehrlichen Mann schuldig sind, der deu guten Willen hat, uns aus eiuer Gefahr zu helfen, aber nicht ebenso die Macht. Sie gehen einer schweren Zeit entgegen, aber, wie auch der Krieg sich entscheide, ihre Rechte können ihnen nicht mehr genommen werden. Selbst wenn das Traurigste, was wir nicht fürchten, geschieht, und dänisches Gelüst über gutes deutsches Recht den Sieg davon trüge, die Eroberung, der Zwang des Krieges hebt die Rechte dieses Volkes nicht mehr auf. Sie siud in dem Friedensschluß Preußens reservirt, sie sind durch die letzten Jahre eine nationale deutsche Forderung geworden, und jetzt oder später, einmal kommt die Stunde, wo sie durchgesetzt werden. Uns aber, den Einzelnen, ist bei dem bevorstehenden Kampf eines Brudervolkes Recht und Pflicht, nach unserer Kraft die Alleinstehenden zu stützen, durch die Feder, durch unser Vermögen und so weit sie es begehren, durch unsere Glieder.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/93>, abgerufen am 01.09.2024.