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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Stellung der Autoritätsübnng des Landesherrn einersetS diesem, die Vertheidigung
der streitigen Landesrechte anderseits dem Lande anheimgeben. Hierbei ist zu
bemerken, daß die legitime Autorität des Landesherrn an sich weder von den
Herzogthümern noch von Deutschland jemals in Frage gestellt ist, die Ausübung
derselben während des Kriegszustandes aber suspendirt war. Die Modalitäten
dieser Ausübung zu regeln, machen jetzt der König Herzog und das Land eine"
selbständigen Versuch. Der Friedensvertrag läßt also dem Bunde alle die Alter¬
nativen offen, die ihm bisher geboten waren. Sobald bei der Selbstentwickelung
der Angelegenheit in den Herzogthümern mittelbare oder unmittelbare Rechte des
Bundes afficirt werden, tritt er als Selbstiuteresscur sogleich wieder in der Sache
ans. Ohne vorgängige Prüfung seinerseits dürfen keine Rechtszustände aus dem
Streite hervorgehen und seine Anerkennung nie stillschweigend vorausgesetzt werden,
da die Basis des Friedens die gegenseitige Nechtsverwahrung ist. Eine letzte
Bestimmung des Friedensvertrags setzt für die Regelung der Grenzen zwischen
dem Bunde und Dänemark eine Kommission fest, die nach sechs Monaten zu¬
sammentreten soll. Außer dem Friedensvertrag und der dazu gehörigen Decla-
ration der deutschen Rechte, von dem wir oben sprachen, erforderte die Abwickelung
der aus der Waffenstillstandsconvention hervorgegangenen BcsatzungSverhältnisse
Verabredungen zwischen Preußen und Dänemark. Sie sind in einem Protocoll
niedergelegt, welches allen denjenigen Regierungen mitgetheilt wird, die dem
Waffenstillstand formell adhärirten.

Preußen zieht in 11 Tagen seine Truppen ans dem südlichen Schleswig,
II Tage später aus Holstein, die Dänen dürfen die Demarkationslinie nicht eher
überschreiten, bis die Preußen das Herzogthum Schleswig geräumt haben.

Das ist kein ruhmvoller Frieden, aber auch kein Frieden, der Preu¬
ßen Unehre bringt. Den Rechten der Herzogthümer ist nichts vergeben, sie
sind vielmehr von Preußen aufs Neue anerkannt worden, die Bnndesrechte Deutsch¬
lands an Holstein, und das Entscheidungsrecht der Bundesstaaten in der Diffe¬
renz zwischen Holstein und Dänemark sind gewahrt. Die Herzogthümer und
Dänemark sollen zuerst versuchen, unter einander deu Streit zu schlichten, ob
durch Krieg, ob durch Vertrag; das Feststehen auf den Bnndcsverhältnissen Hol¬
steins und Dänemarks schließt vorläufig implicite fremde Intervention aus, und
ist für die nächste Zeit ein Vortheil; welches Verfahren die deutschen Regie¬
rungen als Bund (welcher factisch nicht existirt) in der Zukunft einschlagen werden,
ist freilich uicht voraus zu sagen; doch läßt sich annehmen, das Kabinet Schwarzen¬
berg und die vier Königreiche werden gern diese Gelegenheit benutzen, sich in Deutsch¬
land ein volksthümliches Ansehen und Popularität zu verschaffen, zumal sie Aus¬
sicht haben, durch Beschlüsse, Phrasen und Nichtsthun, ohne weitere Anstrengung
den Herzogthümern einen Dienst zu leisten, und Preußen in der öffentlichen
Meinung noch mehr in den Schatten zu stellen, Preußen, welches sich am thätig-


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Stellung der Autoritätsübnng des Landesherrn einersetS diesem, die Vertheidigung
der streitigen Landesrechte anderseits dem Lande anheimgeben. Hierbei ist zu
bemerken, daß die legitime Autorität des Landesherrn an sich weder von den
Herzogthümern noch von Deutschland jemals in Frage gestellt ist, die Ausübung
derselben während des Kriegszustandes aber suspendirt war. Die Modalitäten
dieser Ausübung zu regeln, machen jetzt der König Herzog und das Land eine»
selbständigen Versuch. Der Friedensvertrag läßt also dem Bunde alle die Alter¬
nativen offen, die ihm bisher geboten waren. Sobald bei der Selbstentwickelung
der Angelegenheit in den Herzogthümern mittelbare oder unmittelbare Rechte des
Bundes afficirt werden, tritt er als Selbstiuteresscur sogleich wieder in der Sache
ans. Ohne vorgängige Prüfung seinerseits dürfen keine Rechtszustände aus dem
Streite hervorgehen und seine Anerkennung nie stillschweigend vorausgesetzt werden,
da die Basis des Friedens die gegenseitige Nechtsverwahrung ist. Eine letzte
Bestimmung des Friedensvertrags setzt für die Regelung der Grenzen zwischen
dem Bunde und Dänemark eine Kommission fest, die nach sechs Monaten zu¬
sammentreten soll. Außer dem Friedensvertrag und der dazu gehörigen Decla-
ration der deutschen Rechte, von dem wir oben sprachen, erforderte die Abwickelung
der aus der Waffenstillstandsconvention hervorgegangenen BcsatzungSverhältnisse
Verabredungen zwischen Preußen und Dänemark. Sie sind in einem Protocoll
niedergelegt, welches allen denjenigen Regierungen mitgetheilt wird, die dem
Waffenstillstand formell adhärirten.

Preußen zieht in 11 Tagen seine Truppen ans dem südlichen Schleswig,
II Tage später aus Holstein, die Dänen dürfen die Demarkationslinie nicht eher
überschreiten, bis die Preußen das Herzogthum Schleswig geräumt haben.

Das ist kein ruhmvoller Frieden, aber auch kein Frieden, der Preu¬
ßen Unehre bringt. Den Rechten der Herzogthümer ist nichts vergeben, sie
sind vielmehr von Preußen aufs Neue anerkannt worden, die Bnndesrechte Deutsch¬
lands an Holstein, und das Entscheidungsrecht der Bundesstaaten in der Diffe¬
renz zwischen Holstein und Dänemark sind gewahrt. Die Herzogthümer und
Dänemark sollen zuerst versuchen, unter einander deu Streit zu schlichten, ob
durch Krieg, ob durch Vertrag; das Feststehen auf den Bnndcsverhältnissen Hol¬
steins und Dänemarks schließt vorläufig implicite fremde Intervention aus, und
ist für die nächste Zeit ein Vortheil; welches Verfahren die deutschen Regie¬
rungen als Bund (welcher factisch nicht existirt) in der Zukunft einschlagen werden,
ist freilich uicht voraus zu sagen; doch läßt sich annehmen, das Kabinet Schwarzen¬
berg und die vier Königreiche werden gern diese Gelegenheit benutzen, sich in Deutsch¬
land ein volksthümliches Ansehen und Popularität zu verschaffen, zumal sie Aus¬
sicht haben, durch Beschlüsse, Phrasen und Nichtsthun, ohne weitere Anstrengung
den Herzogthümern einen Dienst zu leisten, und Preußen in der öffentlichen
Meinung noch mehr in den Schatten zu stellen, Preußen, welches sich am thätig-


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[0091] Stellung der Autoritätsübnng des Landesherrn einersetS diesem, die Vertheidigung der streitigen Landesrechte anderseits dem Lande anheimgeben. Hierbei ist zu bemerken, daß die legitime Autorität des Landesherrn an sich weder von den Herzogthümern noch von Deutschland jemals in Frage gestellt ist, die Ausübung derselben während des Kriegszustandes aber suspendirt war. Die Modalitäten dieser Ausübung zu regeln, machen jetzt der König Herzog und das Land eine» selbständigen Versuch. Der Friedensvertrag läßt also dem Bunde alle die Alter¬ nativen offen, die ihm bisher geboten waren. Sobald bei der Selbstentwickelung der Angelegenheit in den Herzogthümern mittelbare oder unmittelbare Rechte des Bundes afficirt werden, tritt er als Selbstiuteresscur sogleich wieder in der Sache ans. Ohne vorgängige Prüfung seinerseits dürfen keine Rechtszustände aus dem Streite hervorgehen und seine Anerkennung nie stillschweigend vorausgesetzt werden, da die Basis des Friedens die gegenseitige Nechtsverwahrung ist. Eine letzte Bestimmung des Friedensvertrags setzt für die Regelung der Grenzen zwischen dem Bunde und Dänemark eine Kommission fest, die nach sechs Monaten zu¬ sammentreten soll. Außer dem Friedensvertrag und der dazu gehörigen Decla- ration der deutschen Rechte, von dem wir oben sprachen, erforderte die Abwickelung der aus der Waffenstillstandsconvention hervorgegangenen BcsatzungSverhältnisse Verabredungen zwischen Preußen und Dänemark. Sie sind in einem Protocoll niedergelegt, welches allen denjenigen Regierungen mitgetheilt wird, die dem Waffenstillstand formell adhärirten. Preußen zieht in 11 Tagen seine Truppen ans dem südlichen Schleswig, II Tage später aus Holstein, die Dänen dürfen die Demarkationslinie nicht eher überschreiten, bis die Preußen das Herzogthum Schleswig geräumt haben. Das ist kein ruhmvoller Frieden, aber auch kein Frieden, der Preu¬ ßen Unehre bringt. Den Rechten der Herzogthümer ist nichts vergeben, sie sind vielmehr von Preußen aufs Neue anerkannt worden, die Bnndesrechte Deutsch¬ lands an Holstein, und das Entscheidungsrecht der Bundesstaaten in der Diffe¬ renz zwischen Holstein und Dänemark sind gewahrt. Die Herzogthümer und Dänemark sollen zuerst versuchen, unter einander deu Streit zu schlichten, ob durch Krieg, ob durch Vertrag; das Feststehen auf den Bnndcsverhältnissen Hol¬ steins und Dänemarks schließt vorläufig implicite fremde Intervention aus, und ist für die nächste Zeit ein Vortheil; welches Verfahren die deutschen Regie¬ rungen als Bund (welcher factisch nicht existirt) in der Zukunft einschlagen werden, ist freilich uicht voraus zu sagen; doch läßt sich annehmen, das Kabinet Schwarzen¬ berg und die vier Königreiche werden gern diese Gelegenheit benutzen, sich in Deutsch¬ land ein volksthümliches Ansehen und Popularität zu verschaffen, zumal sie Aus¬ sicht haben, durch Beschlüsse, Phrasen und Nichtsthun, ohne weitere Anstrengung den Herzogthümern einen Dienst zu leisten, und Preußen in der öffentlichen Meinung noch mehr in den Schatten zu stellen, Preußen, welches sich am thätig- 11*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/91>, abgerufen am 27.07.2024.