Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

waffnung zu organisiren, in der Zusammenkunft am 20. ein Comitv erwählten,
welches sie bei den bevorstehenden Begebenheiten vertreten sollte, daß sie beschlossen,
die Deputation der Herzogthümer solle unter den "Schutz der dänischen National¬
ehre" gestellt sein, daß sich ihnen die Künstler, die Polytechniker demnächst an¬
schlössen.

An demselben Montag (20. März) Abends befand sich Herr v. Bardenfleth
auf Christiansburg beim Könige, als in später Stunde die Nachricht von den
Beschlüssen und der Drohung der Bürgerrepräsentanten, den Vorgängen im Casino,
der Unfähigkeitsertlärnng deö Königs und den dort gefaßten Resolutionen ins
Schloß gelaugte. Von den nächst weiteren Vorgängen aus dem Schloß siud wir
nicht unterrichtet. Die entscheidenden Entschlüsse wurden gefaßt.

Am andern Morgen Dienstag den 21. nach nenn Uhr war Sitzung deö
Staatsrates. Der König kündigte an, "daß die Umstände eine Aenderung des
Systems forderten, Bardenfleth werde das Weitere mittheilen, er der König hoffe,
daß sämmtliche Minister an ihrem Posten bleiben würden."

Die Basis deö neuen Systems, das Herr v. Bardenfleth entwickelte, war
die Incorporation Schleswigs in Dänemark. Der Prinz Ferdinand, Oheim des
Königs, stellte Nachgeben gegen das andrängende Volk als Feigheit dar. Er
wurde nicht gehört. Die Minister sämmtlich erklärten ihre Entlassung zu nehmen.
Nur den Finanzminister Grafen Wilhelm Moltke zu Bregentved bat der König
"mit Thränen in den Augen" zu bleiben. Sie beharrten sämmtlich bei ihrem
Entschluß. Der König entließ sie.

Graf Carl Moltke fragte: "ob Se. Majestät befehle, daß er bis zur Er¬
nennung seines Nachfolgers die Geschäfte führen sollte." Herr v. Bardenfleth, die
gefährliche Zähigkeit des Gegners sofort überschauend, antwortete, dem Könige
vorgreifend, "das sei nicht nöthig," -- entweder die Kühnheit eines Neulings,
oder der Meisterzug eines Demagogen, der eben diese Schwierigkeit voraus be-
rechnend, die Zügel der Regierung während der Tage wichtigster Entscheidungen
am Boden schleifen lassen wollte, damit die ganze Wucht des Volkswillens sich
entwickeln, sich consolidiren, alles allein entscheiden könne. Aber Herr v. Barden¬
fleth wird vorziehen weder das eine noch andere für richtig zu halten.

Das Casino hatte vollkommen gesiegt; das Ministerium und die Verfassung
vom 28. Januar waren über Bord geworfen, gegen die Herzogthümer der Krieg
entschieden.

Gras Carl Moltke eilte knirschend vor Wuth von dem jüngsten besiegt zu
sein ans dem Schlosse; Gras Crimiuil, dem längst Unheil vorschwebte, folgte
tief entrüstet über die formlose Verwegenheit, das alte Gebäude mit Einem Schlage
zu vernichten; die anderen schlichen unmuthig uach Hause; Oersted, dem noch
immer die Erkenntniß fehlte, daß auch die Dänen ihn längst der Vergessenheit


Grenzboten. III. ILS0. 8

waffnung zu organisiren, in der Zusammenkunft am 20. ein Comitv erwählten,
welches sie bei den bevorstehenden Begebenheiten vertreten sollte, daß sie beschlossen,
die Deputation der Herzogthümer solle unter den „Schutz der dänischen National¬
ehre" gestellt sein, daß sich ihnen die Künstler, die Polytechniker demnächst an¬
schlössen.

An demselben Montag (20. März) Abends befand sich Herr v. Bardenfleth
auf Christiansburg beim Könige, als in später Stunde die Nachricht von den
Beschlüssen und der Drohung der Bürgerrepräsentanten, den Vorgängen im Casino,
der Unfähigkeitsertlärnng deö Königs und den dort gefaßten Resolutionen ins
Schloß gelaugte. Von den nächst weiteren Vorgängen aus dem Schloß siud wir
nicht unterrichtet. Die entscheidenden Entschlüsse wurden gefaßt.

Am andern Morgen Dienstag den 21. nach nenn Uhr war Sitzung deö
Staatsrates. Der König kündigte an, „daß die Umstände eine Aenderung des
Systems forderten, Bardenfleth werde das Weitere mittheilen, er der König hoffe,
daß sämmtliche Minister an ihrem Posten bleiben würden."

Die Basis deö neuen Systems, das Herr v. Bardenfleth entwickelte, war
die Incorporation Schleswigs in Dänemark. Der Prinz Ferdinand, Oheim des
Königs, stellte Nachgeben gegen das andrängende Volk als Feigheit dar. Er
wurde nicht gehört. Die Minister sämmtlich erklärten ihre Entlassung zu nehmen.
Nur den Finanzminister Grafen Wilhelm Moltke zu Bregentved bat der König
„mit Thränen in den Augen" zu bleiben. Sie beharrten sämmtlich bei ihrem
Entschluß. Der König entließ sie.

Graf Carl Moltke fragte: „ob Se. Majestät befehle, daß er bis zur Er¬
nennung seines Nachfolgers die Geschäfte führen sollte." Herr v. Bardenfleth, die
gefährliche Zähigkeit des Gegners sofort überschauend, antwortete, dem Könige
vorgreifend, „das sei nicht nöthig," — entweder die Kühnheit eines Neulings,
oder der Meisterzug eines Demagogen, der eben diese Schwierigkeit voraus be-
rechnend, die Zügel der Regierung während der Tage wichtigster Entscheidungen
am Boden schleifen lassen wollte, damit die ganze Wucht des Volkswillens sich
entwickeln, sich consolidiren, alles allein entscheiden könne. Aber Herr v. Barden¬
fleth wird vorziehen weder das eine noch andere für richtig zu halten.

Das Casino hatte vollkommen gesiegt; das Ministerium und die Verfassung
vom 28. Januar waren über Bord geworfen, gegen die Herzogthümer der Krieg
entschieden.

Gras Carl Moltke eilte knirschend vor Wuth von dem jüngsten besiegt zu
sein ans dem Schlosse; Gras Crimiuil, dem längst Unheil vorschwebte, folgte
tief entrüstet über die formlose Verwegenheit, das alte Gebäude mit Einem Schlage
zu vernichten; die anderen schlichen unmuthig uach Hause; Oersted, dem noch
immer die Erkenntniß fehlte, daß auch die Dänen ihn längst der Vergessenheit


Grenzboten. III. ILS0. 8
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/85648"/>
          <p xml:id="ID_219" prev="#ID_218"> waffnung zu organisiren, in der Zusammenkunft am 20. ein Comitv erwählten,<lb/>
welches sie bei den bevorstehenden Begebenheiten vertreten sollte, daß sie beschlossen,<lb/>
die Deputation der Herzogthümer solle unter den &#x201E;Schutz der dänischen National¬<lb/>
ehre" gestellt sein, daß sich ihnen die Künstler, die Polytechniker demnächst an¬<lb/>
schlössen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_220"> An demselben Montag (20. März) Abends befand sich Herr v. Bardenfleth<lb/>
auf Christiansburg beim Könige, als in später Stunde die Nachricht von den<lb/>
Beschlüssen und der Drohung der Bürgerrepräsentanten, den Vorgängen im Casino,<lb/>
der Unfähigkeitsertlärnng deö Königs und den dort gefaßten Resolutionen ins<lb/>
Schloß gelaugte. Von den nächst weiteren Vorgängen aus dem Schloß siud wir<lb/>
nicht unterrichtet.  Die entscheidenden Entschlüsse wurden gefaßt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_221"> Am andern Morgen Dienstag den 21. nach nenn Uhr war Sitzung deö<lb/>
Staatsrates. Der König kündigte an, &#x201E;daß die Umstände eine Aenderung des<lb/>
Systems forderten, Bardenfleth werde das Weitere mittheilen, er der König hoffe,<lb/>
daß sämmtliche Minister an ihrem Posten bleiben würden."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_222"> Die Basis deö neuen Systems, das Herr v. Bardenfleth entwickelte, war<lb/>
die Incorporation Schleswigs in Dänemark. Der Prinz Ferdinand, Oheim des<lb/>
Königs, stellte Nachgeben gegen das andrängende Volk als Feigheit dar. Er<lb/>
wurde nicht gehört. Die Minister sämmtlich erklärten ihre Entlassung zu nehmen.<lb/>
Nur den Finanzminister Grafen Wilhelm Moltke zu Bregentved bat der König<lb/>
&#x201E;mit Thränen in den Augen" zu bleiben. Sie beharrten sämmtlich bei ihrem<lb/>
Entschluß.  Der König entließ sie.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_223"> Graf Carl Moltke fragte: &#x201E;ob Se. Majestät befehle, daß er bis zur Er¬<lb/>
nennung seines Nachfolgers die Geschäfte führen sollte." Herr v. Bardenfleth, die<lb/>
gefährliche Zähigkeit des Gegners sofort überschauend, antwortete, dem Könige<lb/>
vorgreifend, &#x201E;das sei nicht nöthig," &#x2014; entweder die Kühnheit eines Neulings,<lb/>
oder der Meisterzug eines Demagogen, der eben diese Schwierigkeit voraus be-<lb/>
rechnend, die Zügel der Regierung während der Tage wichtigster Entscheidungen<lb/>
am Boden schleifen lassen wollte, damit die ganze Wucht des Volkswillens sich<lb/>
entwickeln, sich consolidiren, alles allein entscheiden könne. Aber Herr v. Barden¬<lb/>
fleth wird vorziehen weder das eine noch andere für richtig zu halten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_224"> Das Casino hatte vollkommen gesiegt; das Ministerium und die Verfassung<lb/>
vom 28. Januar waren über Bord geworfen, gegen die Herzogthümer der Krieg<lb/>
entschieden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_225" next="#ID_226"> Gras Carl Moltke eilte knirschend vor Wuth von dem jüngsten besiegt zu<lb/>
sein ans dem Schlosse; Gras Crimiuil, dem längst Unheil vorschwebte, folgte<lb/>
tief entrüstet über die formlose Verwegenheit, das alte Gebäude mit Einem Schlage<lb/>
zu vernichten; die anderen schlichen unmuthig uach Hause; Oersted, dem noch<lb/>
immer die Erkenntniß fehlte, daß auch die Dänen ihn längst der Vergessenheit</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. III. ILS0. 8</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0065] waffnung zu organisiren, in der Zusammenkunft am 20. ein Comitv erwählten, welches sie bei den bevorstehenden Begebenheiten vertreten sollte, daß sie beschlossen, die Deputation der Herzogthümer solle unter den „Schutz der dänischen National¬ ehre" gestellt sein, daß sich ihnen die Künstler, die Polytechniker demnächst an¬ schlössen. An demselben Montag (20. März) Abends befand sich Herr v. Bardenfleth auf Christiansburg beim Könige, als in später Stunde die Nachricht von den Beschlüssen und der Drohung der Bürgerrepräsentanten, den Vorgängen im Casino, der Unfähigkeitsertlärnng deö Königs und den dort gefaßten Resolutionen ins Schloß gelaugte. Von den nächst weiteren Vorgängen aus dem Schloß siud wir nicht unterrichtet. Die entscheidenden Entschlüsse wurden gefaßt. Am andern Morgen Dienstag den 21. nach nenn Uhr war Sitzung deö Staatsrates. Der König kündigte an, „daß die Umstände eine Aenderung des Systems forderten, Bardenfleth werde das Weitere mittheilen, er der König hoffe, daß sämmtliche Minister an ihrem Posten bleiben würden." Die Basis deö neuen Systems, das Herr v. Bardenfleth entwickelte, war die Incorporation Schleswigs in Dänemark. Der Prinz Ferdinand, Oheim des Königs, stellte Nachgeben gegen das andrängende Volk als Feigheit dar. Er wurde nicht gehört. Die Minister sämmtlich erklärten ihre Entlassung zu nehmen. Nur den Finanzminister Grafen Wilhelm Moltke zu Bregentved bat der König „mit Thränen in den Augen" zu bleiben. Sie beharrten sämmtlich bei ihrem Entschluß. Der König entließ sie. Graf Carl Moltke fragte: „ob Se. Majestät befehle, daß er bis zur Er¬ nennung seines Nachfolgers die Geschäfte führen sollte." Herr v. Bardenfleth, die gefährliche Zähigkeit des Gegners sofort überschauend, antwortete, dem Könige vorgreifend, „das sei nicht nöthig," — entweder die Kühnheit eines Neulings, oder der Meisterzug eines Demagogen, der eben diese Schwierigkeit voraus be- rechnend, die Zügel der Regierung während der Tage wichtigster Entscheidungen am Boden schleifen lassen wollte, damit die ganze Wucht des Volkswillens sich entwickeln, sich consolidiren, alles allein entscheiden könne. Aber Herr v. Barden¬ fleth wird vorziehen weder das eine noch andere für richtig zu halten. Das Casino hatte vollkommen gesiegt; das Ministerium und die Verfassung vom 28. Januar waren über Bord geworfen, gegen die Herzogthümer der Krieg entschieden. Gras Carl Moltke eilte knirschend vor Wuth von dem jüngsten besiegt zu sein ans dem Schlosse; Gras Crimiuil, dem längst Unheil vorschwebte, folgte tief entrüstet über die formlose Verwegenheit, das alte Gebäude mit Einem Schlage zu vernichten; die anderen schlichen unmuthig uach Hause; Oersted, dem noch immer die Erkenntniß fehlte, daß auch die Dänen ihn längst der Vergessenheit Grenzboten. III. ILS0. 8

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/65
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/65>, abgerufen am 01.09.2024.