Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

König liebte ihn nicht und hielt ihn fern ; der jetzige König aber, welcher seit dem
Zusammentreffen in Italien sehr für ihn gestimmt war, erhob ihn bei seinem Re¬
gierungsantritt in den Freiherrnstand (1840), und ernannte ihn zum Gesandten
in Brüssel, wo er sich in Forderung der deutschen Interessen sehr tüchtig gezeigt
hat. Ihm hauptsächlich verdankt man den Handelsvertrag von 1844, über wel¬
chen Gegenstand er damals eine anonyme Flugschrift: "Handelspolitisches Testament",
veröffentlichte'. Auch hat er eine deutsch-protestantische Kirche gegründet. Bald
daraus vertauschte er seinen Posten mit der noch wichtigem und angenehmem
Stellung als Botschafter zu Paris, uicht gerade zur Freude seines Vorgängers,
des Grafen v. Arnim-Heinrichsdorf. Zu Anfang seines Aufenthalts in Paris
starb seine treffliche Gattin, mit der er vor dieser Versetzung eine Reise nach
Paris und London gemacht hatte, und hinterließ ihm eine einzige Tochter. Bei
seinem Aufenthalt in London hatte er bei Bunsen gewohnt, mit welchem er auf
sehr vertrautem Fuße stand. Schon damals waren sie in Beziehung aus eine
Frage, die später die kritische unserer Nationalität wurde, die Schleswig-holsteinische,
einig, und zwar sowohl aus dem Gesichtspunkte der Legitimität, wie der deutschen
Ehre. Daß er im Uebrigen damals noch sehr absolutistisch gesinnt war, zeigt ein
Umstand, den wir bisher übergangen haben: durch seine Vermittelung ist nämlich
Hassenpflng, den er in Norderney kennen gelernt hatte, erst nach Sigmaringen,
dann nach Luxemburg, endlich nach Preußen gekommen.

In der Schrcckeusuacht vom 18. März befand er sich mit seinem Vetter, dem
Grasen v. Arnim-Boitzenburg, auf dem Schlosse. Der Sturm der Februarrevo¬
lution scheint aus sein Gemüth einen tiefen Eindruck gemacht zu haben. Die
meisten Berichte schreiben seiner Stimme den entscheidenden Einfluß auf den
König zu, in Betreff der Zurückziehung des Militärs in einem Augenblicke, von
dem vielleicht der Wendepunkt der Revolution abhing.

Arnim war der Erste, der in das neugebildete Cabinet seines Vetters, des
Grafen Arnim, aufgenommen 'wurde. Er erhielt das wichtige Portefeuille der
auswärtigen Angelegenheiten, das in dem Augenblicke, wo die Herzogthümer sich
gegen die Uebergriffe der dänischen Krone erhoben, und wo Preußen der schon
seit langer Zeit in den Gemüthern des deutschen Volks vorbereiteten Bewegung
die feste Richtung geben sollte, noch ungleich an Bedeutung gewann. Es war
dies der wesentliche Punkt, in welchem die neue, autonome preußische Politik sich
von der alten, diplomatisch-legitimistischen scheiden sollte; sür den Augenblick viel¬
leicht wichtiger, als das unmittelbare Verhalten in der deutscheu Frage und den
innern Angelegenheiten. Es war dies der Punkt, in welchem die beiden verschie¬
denen Elemente, aus denen das neue Cabinet zusammengesetzt war, sich feindlich
begegnen mußten. Ehe aber noch dieser Zwiespalt zum Ausbruch kam, deckte das
gesammte Ministerium mit seiner Verantwortlichkeit einen Act der Krone, der da¬
mals durch ganz Deutschland eine fieberhafte, ungesunde Bewegung hervorrief;


63*

König liebte ihn nicht und hielt ihn fern ; der jetzige König aber, welcher seit dem
Zusammentreffen in Italien sehr für ihn gestimmt war, erhob ihn bei seinem Re¬
gierungsantritt in den Freiherrnstand (1840), und ernannte ihn zum Gesandten
in Brüssel, wo er sich in Forderung der deutschen Interessen sehr tüchtig gezeigt
hat. Ihm hauptsächlich verdankt man den Handelsvertrag von 1844, über wel¬
chen Gegenstand er damals eine anonyme Flugschrift: „Handelspolitisches Testament",
veröffentlichte'. Auch hat er eine deutsch-protestantische Kirche gegründet. Bald
daraus vertauschte er seinen Posten mit der noch wichtigem und angenehmem
Stellung als Botschafter zu Paris, uicht gerade zur Freude seines Vorgängers,
des Grafen v. Arnim-Heinrichsdorf. Zu Anfang seines Aufenthalts in Paris
starb seine treffliche Gattin, mit der er vor dieser Versetzung eine Reise nach
Paris und London gemacht hatte, und hinterließ ihm eine einzige Tochter. Bei
seinem Aufenthalt in London hatte er bei Bunsen gewohnt, mit welchem er auf
sehr vertrautem Fuße stand. Schon damals waren sie in Beziehung aus eine
Frage, die später die kritische unserer Nationalität wurde, die Schleswig-holsteinische,
einig, und zwar sowohl aus dem Gesichtspunkte der Legitimität, wie der deutschen
Ehre. Daß er im Uebrigen damals noch sehr absolutistisch gesinnt war, zeigt ein
Umstand, den wir bisher übergangen haben: durch seine Vermittelung ist nämlich
Hassenpflng, den er in Norderney kennen gelernt hatte, erst nach Sigmaringen,
dann nach Luxemburg, endlich nach Preußen gekommen.

In der Schrcckeusuacht vom 18. März befand er sich mit seinem Vetter, dem
Grasen v. Arnim-Boitzenburg, auf dem Schlosse. Der Sturm der Februarrevo¬
lution scheint aus sein Gemüth einen tiefen Eindruck gemacht zu haben. Die
meisten Berichte schreiben seiner Stimme den entscheidenden Einfluß auf den
König zu, in Betreff der Zurückziehung des Militärs in einem Augenblicke, von
dem vielleicht der Wendepunkt der Revolution abhing.

Arnim war der Erste, der in das neugebildete Cabinet seines Vetters, des
Grafen Arnim, aufgenommen 'wurde. Er erhielt das wichtige Portefeuille der
auswärtigen Angelegenheiten, das in dem Augenblicke, wo die Herzogthümer sich
gegen die Uebergriffe der dänischen Krone erhoben, und wo Preußen der schon
seit langer Zeit in den Gemüthern des deutschen Volks vorbereiteten Bewegung
die feste Richtung geben sollte, noch ungleich an Bedeutung gewann. Es war
dies der wesentliche Punkt, in welchem die neue, autonome preußische Politik sich
von der alten, diplomatisch-legitimistischen scheiden sollte; sür den Augenblick viel¬
leicht wichtiger, als das unmittelbare Verhalten in der deutscheu Frage und den
innern Angelegenheiten. Es war dies der Punkt, in welchem die beiden verschie¬
denen Elemente, aus denen das neue Cabinet zusammengesetzt war, sich feindlich
begegnen mußten. Ehe aber noch dieser Zwiespalt zum Ausbruch kam, deckte das
gesammte Ministerium mit seiner Verantwortlichkeit einen Act der Krone, der da¬
mals durch ganz Deutschland eine fieberhafte, ungesunde Bewegung hervorrief;


63*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0507" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86090"/>
            <p xml:id="ID_1743" prev="#ID_1742"> König liebte ihn nicht und hielt ihn fern ; der jetzige König aber, welcher seit dem<lb/>
Zusammentreffen in Italien sehr für ihn gestimmt war, erhob ihn bei seinem Re¬<lb/>
gierungsantritt in den Freiherrnstand (1840), und ernannte ihn zum Gesandten<lb/>
in Brüssel, wo er sich in Forderung der deutschen Interessen sehr tüchtig gezeigt<lb/>
hat. Ihm hauptsächlich verdankt man den Handelsvertrag von 1844, über wel¬<lb/>
chen Gegenstand er damals eine anonyme Flugschrift: &#x201E;Handelspolitisches Testament",<lb/>
veröffentlichte'. Auch hat er eine deutsch-protestantische Kirche gegründet. Bald<lb/>
daraus vertauschte er seinen Posten mit der noch wichtigem und angenehmem<lb/>
Stellung als Botschafter zu Paris, uicht gerade zur Freude seines Vorgängers,<lb/>
des Grafen v. Arnim-Heinrichsdorf. Zu Anfang seines Aufenthalts in Paris<lb/>
starb seine treffliche Gattin, mit der er vor dieser Versetzung eine Reise nach<lb/>
Paris und London gemacht hatte, und hinterließ ihm eine einzige Tochter. Bei<lb/>
seinem Aufenthalt in London hatte er bei Bunsen gewohnt, mit welchem er auf<lb/>
sehr vertrautem Fuße stand. Schon damals waren sie in Beziehung aus eine<lb/>
Frage, die später die kritische unserer Nationalität wurde, die Schleswig-holsteinische,<lb/>
einig, und zwar sowohl aus dem Gesichtspunkte der Legitimität, wie der deutschen<lb/>
Ehre. Daß er im Uebrigen damals noch sehr absolutistisch gesinnt war, zeigt ein<lb/>
Umstand, den wir bisher übergangen haben: durch seine Vermittelung ist nämlich<lb/>
Hassenpflng, den er in Norderney kennen gelernt hatte, erst nach Sigmaringen,<lb/>
dann nach Luxemburg, endlich nach Preußen gekommen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1744"> In der Schrcckeusuacht vom 18. März befand er sich mit seinem Vetter, dem<lb/>
Grasen v. Arnim-Boitzenburg, auf dem Schlosse. Der Sturm der Februarrevo¬<lb/>
lution scheint aus sein Gemüth einen tiefen Eindruck gemacht zu haben. Die<lb/>
meisten Berichte schreiben seiner Stimme den entscheidenden Einfluß auf den<lb/>
König zu, in Betreff der Zurückziehung des Militärs in einem Augenblicke, von<lb/>
dem vielleicht der Wendepunkt der Revolution abhing.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1745" next="#ID_1746"> Arnim war der Erste, der in das neugebildete Cabinet seines Vetters, des<lb/>
Grafen Arnim, aufgenommen 'wurde. Er erhielt das wichtige Portefeuille der<lb/>
auswärtigen Angelegenheiten, das in dem Augenblicke, wo die Herzogthümer sich<lb/>
gegen die Uebergriffe der dänischen Krone erhoben, und wo Preußen der schon<lb/>
seit langer Zeit in den Gemüthern des deutschen Volks vorbereiteten Bewegung<lb/>
die feste Richtung geben sollte, noch ungleich an Bedeutung gewann. Es war<lb/>
dies der wesentliche Punkt, in welchem die neue, autonome preußische Politik sich<lb/>
von der alten, diplomatisch-legitimistischen scheiden sollte; sür den Augenblick viel¬<lb/>
leicht wichtiger, als das unmittelbare Verhalten in der deutscheu Frage und den<lb/>
innern Angelegenheiten. Es war dies der Punkt, in welchem die beiden verschie¬<lb/>
denen Elemente, aus denen das neue Cabinet zusammengesetzt war, sich feindlich<lb/>
begegnen mußten. Ehe aber noch dieser Zwiespalt zum Ausbruch kam, deckte das<lb/>
gesammte Ministerium mit seiner Verantwortlichkeit einen Act der Krone, der da¬<lb/>
mals durch ganz Deutschland eine fieberhafte, ungesunde Bewegung hervorrief;</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 63*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0507] König liebte ihn nicht und hielt ihn fern ; der jetzige König aber, welcher seit dem Zusammentreffen in Italien sehr für ihn gestimmt war, erhob ihn bei seinem Re¬ gierungsantritt in den Freiherrnstand (1840), und ernannte ihn zum Gesandten in Brüssel, wo er sich in Forderung der deutschen Interessen sehr tüchtig gezeigt hat. Ihm hauptsächlich verdankt man den Handelsvertrag von 1844, über wel¬ chen Gegenstand er damals eine anonyme Flugschrift: „Handelspolitisches Testament", veröffentlichte'. Auch hat er eine deutsch-protestantische Kirche gegründet. Bald daraus vertauschte er seinen Posten mit der noch wichtigem und angenehmem Stellung als Botschafter zu Paris, uicht gerade zur Freude seines Vorgängers, des Grafen v. Arnim-Heinrichsdorf. Zu Anfang seines Aufenthalts in Paris starb seine treffliche Gattin, mit der er vor dieser Versetzung eine Reise nach Paris und London gemacht hatte, und hinterließ ihm eine einzige Tochter. Bei seinem Aufenthalt in London hatte er bei Bunsen gewohnt, mit welchem er auf sehr vertrautem Fuße stand. Schon damals waren sie in Beziehung aus eine Frage, die später die kritische unserer Nationalität wurde, die Schleswig-holsteinische, einig, und zwar sowohl aus dem Gesichtspunkte der Legitimität, wie der deutschen Ehre. Daß er im Uebrigen damals noch sehr absolutistisch gesinnt war, zeigt ein Umstand, den wir bisher übergangen haben: durch seine Vermittelung ist nämlich Hassenpflng, den er in Norderney kennen gelernt hatte, erst nach Sigmaringen, dann nach Luxemburg, endlich nach Preußen gekommen. In der Schrcckeusuacht vom 18. März befand er sich mit seinem Vetter, dem Grasen v. Arnim-Boitzenburg, auf dem Schlosse. Der Sturm der Februarrevo¬ lution scheint aus sein Gemüth einen tiefen Eindruck gemacht zu haben. Die meisten Berichte schreiben seiner Stimme den entscheidenden Einfluß auf den König zu, in Betreff der Zurückziehung des Militärs in einem Augenblicke, von dem vielleicht der Wendepunkt der Revolution abhing. Arnim war der Erste, der in das neugebildete Cabinet seines Vetters, des Grafen Arnim, aufgenommen 'wurde. Er erhielt das wichtige Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten, das in dem Augenblicke, wo die Herzogthümer sich gegen die Uebergriffe der dänischen Krone erhoben, und wo Preußen der schon seit langer Zeit in den Gemüthern des deutschen Volks vorbereiteten Bewegung die feste Richtung geben sollte, noch ungleich an Bedeutung gewann. Es war dies der wesentliche Punkt, in welchem die neue, autonome preußische Politik sich von der alten, diplomatisch-legitimistischen scheiden sollte; sür den Augenblick viel¬ leicht wichtiger, als das unmittelbare Verhalten in der deutscheu Frage und den innern Angelegenheiten. Es war dies der Punkt, in welchem die beiden verschie¬ denen Elemente, aus denen das neue Cabinet zusammengesetzt war, sich feindlich begegnen mußten. Ehe aber noch dieser Zwiespalt zum Ausbruch kam, deckte das gesammte Ministerium mit seiner Verantwortlichkeit einen Act der Krone, der da¬ mals durch ganz Deutschland eine fieberhafte, ungesunde Bewegung hervorrief; 63*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/507
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/507>, abgerufen am 01.09.2024.