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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Schilderung seines ehemaligen Freundes Nadowitz Glauben schenken, der ihn in
seineu "Gesprächen aus der Gegenwart über Staat und Kirche" unter dem Na¬
men Arnebnrg darstellt. Arneburg hat einen sehr starken Anstrich von jenem
aristokratisch-militärischen Pietismus, der damals uuter den hohem preußischen
Offizieren zu grassiren anfing; von Liberalismus findet sich bei ihm keine Spur,
und Waldheim, das eigentliche Organ des Verfassers, macht dem Zeitgoist viel
größere Concessionen.

Heinrich von Arnim, wie wir aus altern biographischen Andeutungen in der
D. Ztg. entnehmen, stammt aus dem Hanse Süllow in der Uckermark, ist der
jüngste von 13 Brüdern und steht in den fünfziger Jahren. Sein Vater war
ein sehr leidenschaftlicher Mann, der seine Kinder mit großer Härte behandelte
und mit seiner sanften Frau, einer geborenen Gräfin Solms-Svnuenwalde aus
her Lausitz, in sehr unglücklicher Ehe lebte; seine Brüder sind, als Erben des un¬
glücklichen Temperaments des Vaters, zum Theil gewaltsam durch eigene Hand
gefalle". Er besuchte das Pädagogium zu Halle, machte, uoch halb Knabe, die
Freiheitskriege mit, ließ sich ein Pferd unter dem Leibe erschießen und erhielt eine
Wunde in den Fuß, weswegen er noch jetzt etwas hinkt. Nachher studirte er in
Heidelberg, wo er seine spätere Gemahlin, die schone und geistreiche Tochter des
vormaligen holländischen Gesandten am würtcmberger Hofe, Baron Strick von
Linschotten, kennen lernte. Seine Karriere im Staatsleben hat er nicht auf die
gewöhnliche Weise eröffnet; er hat nie ein Examen gemacht. Im Jahre 1822
wurde er als Gesandtschafts-Attachv in der Schweiz angestellt, und lebte dann als
Legationssecretair in München, Kopenhagen und Neapel. Hier wurde er nach
dem Tode des Grafen Flemming interimistischer Geschäftsträger. In Neapel be¬
reits verheirathet, verlor er einen Sohn und scheint damals in die orthodoxe Rich¬
tung gekommen zu sein. Dort ist ihm eine merkwürdige Bekehrung eines Katho¬
liken gelungen. Victor Amadeus Huber, Sohn der Therese Huber, der bekannte
Schildknappe der Legitimität, auf Cotta'sche Rechnung in Spanien, England und
Italien reisend, lebte damals in Neapel, brachte einige Wochen mit dem Freiherrn
ans Capri zu und wurde von diesem für das protestantische Christenthum gewonnen.
In diese Zeit fällt die Reise des jetzigen Königs, damaligen Kronprinzen von
Preußen nach Italien, wobei Arnim als Cicerone diente, ein glänzendes Fest auf
dem Vesuv gab und dem Kronprinzen sehr nahe trat. Nachdem Gras Voß zum
Gesandten in Neapel ernannt war, wurde Arnim als wirklicher Geschäftsträger
in Darmstadt angestellt, wo er wieder einen Sohn verlor und dnrch seine Todes¬
anzeige Aufsehen erregte. Von da kam er 1839 als wirklicher vortragender
Legationsrath in's Ministerium des Auswärtigen, doch war seine Thätigkeit nnr
von kurzer Dauer, weil er sich in Folge eines Rangstreits mit einem Kollegen,
Herrn v. Lecoc, mit dem Minister Ancillon überwarf. In diese Zeit Mer seine
theologischen Studien und sein Verkehr mit der "Wilhelmstraße". Der verstorbene


Schilderung seines ehemaligen Freundes Nadowitz Glauben schenken, der ihn in
seineu „Gesprächen aus der Gegenwart über Staat und Kirche" unter dem Na¬
men Arnebnrg darstellt. Arneburg hat einen sehr starken Anstrich von jenem
aristokratisch-militärischen Pietismus, der damals uuter den hohem preußischen
Offizieren zu grassiren anfing; von Liberalismus findet sich bei ihm keine Spur,
und Waldheim, das eigentliche Organ des Verfassers, macht dem Zeitgoist viel
größere Concessionen.

Heinrich von Arnim, wie wir aus altern biographischen Andeutungen in der
D. Ztg. entnehmen, stammt aus dem Hanse Süllow in der Uckermark, ist der
jüngste von 13 Brüdern und steht in den fünfziger Jahren. Sein Vater war
ein sehr leidenschaftlicher Mann, der seine Kinder mit großer Härte behandelte
und mit seiner sanften Frau, einer geborenen Gräfin Solms-Svnuenwalde aus
her Lausitz, in sehr unglücklicher Ehe lebte; seine Brüder sind, als Erben des un¬
glücklichen Temperaments des Vaters, zum Theil gewaltsam durch eigene Hand
gefalle». Er besuchte das Pädagogium zu Halle, machte, uoch halb Knabe, die
Freiheitskriege mit, ließ sich ein Pferd unter dem Leibe erschießen und erhielt eine
Wunde in den Fuß, weswegen er noch jetzt etwas hinkt. Nachher studirte er in
Heidelberg, wo er seine spätere Gemahlin, die schone und geistreiche Tochter des
vormaligen holländischen Gesandten am würtcmberger Hofe, Baron Strick von
Linschotten, kennen lernte. Seine Karriere im Staatsleben hat er nicht auf die
gewöhnliche Weise eröffnet; er hat nie ein Examen gemacht. Im Jahre 1822
wurde er als Gesandtschafts-Attachv in der Schweiz angestellt, und lebte dann als
Legationssecretair in München, Kopenhagen und Neapel. Hier wurde er nach
dem Tode des Grafen Flemming interimistischer Geschäftsträger. In Neapel be¬
reits verheirathet, verlor er einen Sohn und scheint damals in die orthodoxe Rich¬
tung gekommen zu sein. Dort ist ihm eine merkwürdige Bekehrung eines Katho¬
liken gelungen. Victor Amadeus Huber, Sohn der Therese Huber, der bekannte
Schildknappe der Legitimität, auf Cotta'sche Rechnung in Spanien, England und
Italien reisend, lebte damals in Neapel, brachte einige Wochen mit dem Freiherrn
ans Capri zu und wurde von diesem für das protestantische Christenthum gewonnen.
In diese Zeit fällt die Reise des jetzigen Königs, damaligen Kronprinzen von
Preußen nach Italien, wobei Arnim als Cicerone diente, ein glänzendes Fest auf
dem Vesuv gab und dem Kronprinzen sehr nahe trat. Nachdem Gras Voß zum
Gesandten in Neapel ernannt war, wurde Arnim als wirklicher Geschäftsträger
in Darmstadt angestellt, wo er wieder einen Sohn verlor und dnrch seine Todes¬
anzeige Aufsehen erregte. Von da kam er 1839 als wirklicher vortragender
Legationsrath in's Ministerium des Auswärtigen, doch war seine Thätigkeit nnr
von kurzer Dauer, weil er sich in Folge eines Rangstreits mit einem Kollegen,
Herrn v. Lecoc, mit dem Minister Ancillon überwarf. In diese Zeit Mer seine
theologischen Studien und sein Verkehr mit der „Wilhelmstraße". Der verstorbene


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[0506] Schilderung seines ehemaligen Freundes Nadowitz Glauben schenken, der ihn in seineu „Gesprächen aus der Gegenwart über Staat und Kirche" unter dem Na¬ men Arnebnrg darstellt. Arneburg hat einen sehr starken Anstrich von jenem aristokratisch-militärischen Pietismus, der damals uuter den hohem preußischen Offizieren zu grassiren anfing; von Liberalismus findet sich bei ihm keine Spur, und Waldheim, das eigentliche Organ des Verfassers, macht dem Zeitgoist viel größere Concessionen. Heinrich von Arnim, wie wir aus altern biographischen Andeutungen in der D. Ztg. entnehmen, stammt aus dem Hanse Süllow in der Uckermark, ist der jüngste von 13 Brüdern und steht in den fünfziger Jahren. Sein Vater war ein sehr leidenschaftlicher Mann, der seine Kinder mit großer Härte behandelte und mit seiner sanften Frau, einer geborenen Gräfin Solms-Svnuenwalde aus her Lausitz, in sehr unglücklicher Ehe lebte; seine Brüder sind, als Erben des un¬ glücklichen Temperaments des Vaters, zum Theil gewaltsam durch eigene Hand gefalle». Er besuchte das Pädagogium zu Halle, machte, uoch halb Knabe, die Freiheitskriege mit, ließ sich ein Pferd unter dem Leibe erschießen und erhielt eine Wunde in den Fuß, weswegen er noch jetzt etwas hinkt. Nachher studirte er in Heidelberg, wo er seine spätere Gemahlin, die schone und geistreiche Tochter des vormaligen holländischen Gesandten am würtcmberger Hofe, Baron Strick von Linschotten, kennen lernte. Seine Karriere im Staatsleben hat er nicht auf die gewöhnliche Weise eröffnet; er hat nie ein Examen gemacht. Im Jahre 1822 wurde er als Gesandtschafts-Attachv in der Schweiz angestellt, und lebte dann als Legationssecretair in München, Kopenhagen und Neapel. Hier wurde er nach dem Tode des Grafen Flemming interimistischer Geschäftsträger. In Neapel be¬ reits verheirathet, verlor er einen Sohn und scheint damals in die orthodoxe Rich¬ tung gekommen zu sein. Dort ist ihm eine merkwürdige Bekehrung eines Katho¬ liken gelungen. Victor Amadeus Huber, Sohn der Therese Huber, der bekannte Schildknappe der Legitimität, auf Cotta'sche Rechnung in Spanien, England und Italien reisend, lebte damals in Neapel, brachte einige Wochen mit dem Freiherrn ans Capri zu und wurde von diesem für das protestantische Christenthum gewonnen. In diese Zeit fällt die Reise des jetzigen Königs, damaligen Kronprinzen von Preußen nach Italien, wobei Arnim als Cicerone diente, ein glänzendes Fest auf dem Vesuv gab und dem Kronprinzen sehr nahe trat. Nachdem Gras Voß zum Gesandten in Neapel ernannt war, wurde Arnim als wirklicher Geschäftsträger in Darmstadt angestellt, wo er wieder einen Sohn verlor und dnrch seine Todes¬ anzeige Aufsehen erregte. Von da kam er 1839 als wirklicher vortragender Legationsrath in's Ministerium des Auswärtigen, doch war seine Thätigkeit nnr von kurzer Dauer, weil er sich in Folge eines Rangstreits mit einem Kollegen, Herrn v. Lecoc, mit dem Minister Ancillon überwarf. In diese Zeit Mer seine theologischen Studien und sein Verkehr mit der „Wilhelmstraße". Der verstorbene

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/506>, abgerufen am 27.07.2024.