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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Erfüll' davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn dn ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn's Glück. Herz, Liebe, -- Gott!
Ich habe keinen Namen
Dafür; Gefühl ist Alles! Nam' ist Schall und Rauch,

1. L.




Kleine Correspondenzen.

"Der liebe Gott hat für jedes Fieber ein Kraut, für jede Wunde ein Pflaster
gegeben," sagen bei uns die frommen Mütterchen. Auch uns hat der mög^uroK Isleno
(Gott der Magyaren) ein kleines Pflästerchen für unsere große Wunde geschickt, und
zwar in Person des Pater Gützlaff, der auf seiner Missionsreise auch unsere Haupt¬
stadt besuchte und hier in einem akademischen Vortrag eines chinesischen Volksstammes
erwähnte, der in Sprache, Sitten und Körperbau sehr viel Aehnliches mit den Magya-
reli haben soll. Dieser Volksstamm, der über drei Millionen Menschen zählt, nennt
sich den Stamm der Kor ober, und bewohnt eine jener Gegenden des großen himm¬
lischen Reichs, die an die Mongolei grenzen. Also drei Millionen Magyaren leben
noch anßer Ungarn auf dieser Erde! Erinnern Sie sich an die Sagen, die sich nach
der Katastrophe bei nnserm Landvolk verbreiteten, und die Kossuth und Bem mit
einer Unzahl von 8/.i^-> in-ig^role (Scythen-Magyaren) heranziehen ließen u. s. w.,
und Sie werden sich leicht die Luftschlösser selbst ausmalen können, die sich in einer
echt magyarischen Phantasie jetzt erheben müssen. Ein junger Magyar bot sich sogleich
an, dem Herrn Gützlaff nach China zu folgen, und damit hat Herr Gützlaff seinen
Zweck erreicht; ob Ungarn aus China einen neuen magyarischen Impfstoff erhalten
wird, dafür lassen wir den Gott der Magyaren sorgen. Wenn diese krankhafte
Reizbarkeit eines verwundeten Herzens Leben genannt werden kann, so wird ma"
einst anch von den Magyaren sagen können, daß sie im Jahre -1830 gelebt haben;
unser wahres geistiges Leben hat sich in die innersten Gemächer der Seele zurückgezo¬
gen, und nur außer dem Lande, ja selbst in Wien, wo man die Zuckungen des ge¬
fesselten Löwen weniger fürchten zu müssen glaubt, manifestirt sich noch die Kraft des
Magyaren in einigen über die Grenzen des Belagerungszustandes reichenden Meinungs¬
äußerungen.

Einige Funken neuen Lebens hat besonders die Brochüre von Somsich: "Das
legitime Recht Ungarns und seines Königs" in unser politisches Hospital geschlendert.
Mehrere Mitglieder der vormärzlich-liberalen Partei haben sich den restaurirten oder
vielmehr renovirten Altconservativen angeschlossen, und dies reizte einige Vollblutlibe¬
rale, die sich durch diese Allianz verunreinigt glauben, zu einer heftigen Polemik, die
in dem oppositionellen "Wanderer" und der (wie soll ich sie nennen? also) ebenfalls
oppositionellen "Ostdeutschen Post" mit Hartnäckigkeit, aber auch mit Würde geführt


Erfüll' davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn dn ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn's Glück. Herz, Liebe, — Gott!
Ich habe keinen Namen
Dafür; Gefühl ist Alles! Nam' ist Schall und Rauch,

1. L.




Kleine Correspondenzen.

„Der liebe Gott hat für jedes Fieber ein Kraut, für jede Wunde ein Pflaster
gegeben," sagen bei uns die frommen Mütterchen. Auch uns hat der mög^uroK Isleno
(Gott der Magyaren) ein kleines Pflästerchen für unsere große Wunde geschickt, und
zwar in Person des Pater Gützlaff, der auf seiner Missionsreise auch unsere Haupt¬
stadt besuchte und hier in einem akademischen Vortrag eines chinesischen Volksstammes
erwähnte, der in Sprache, Sitten und Körperbau sehr viel Aehnliches mit den Magya-
reli haben soll. Dieser Volksstamm, der über drei Millionen Menschen zählt, nennt
sich den Stamm der Kor ober, und bewohnt eine jener Gegenden des großen himm¬
lischen Reichs, die an die Mongolei grenzen. Also drei Millionen Magyaren leben
noch anßer Ungarn auf dieser Erde! Erinnern Sie sich an die Sagen, die sich nach
der Katastrophe bei nnserm Landvolk verbreiteten, und die Kossuth und Bem mit
einer Unzahl von 8/.i^-> in-ig^role (Scythen-Magyaren) heranziehen ließen u. s. w.,
und Sie werden sich leicht die Luftschlösser selbst ausmalen können, die sich in einer
echt magyarischen Phantasie jetzt erheben müssen. Ein junger Magyar bot sich sogleich
an, dem Herrn Gützlaff nach China zu folgen, und damit hat Herr Gützlaff seinen
Zweck erreicht; ob Ungarn aus China einen neuen magyarischen Impfstoff erhalten
wird, dafür lassen wir den Gott der Magyaren sorgen. Wenn diese krankhafte
Reizbarkeit eines verwundeten Herzens Leben genannt werden kann, so wird ma»
einst anch von den Magyaren sagen können, daß sie im Jahre -1830 gelebt haben;
unser wahres geistiges Leben hat sich in die innersten Gemächer der Seele zurückgezo¬
gen, und nur außer dem Lande, ja selbst in Wien, wo man die Zuckungen des ge¬
fesselten Löwen weniger fürchten zu müssen glaubt, manifestirt sich noch die Kraft des
Magyaren in einigen über die Grenzen des Belagerungszustandes reichenden Meinungs¬
äußerungen.

Einige Funken neuen Lebens hat besonders die Brochüre von Somsich: „Das
legitime Recht Ungarns und seines Königs" in unser politisches Hospital geschlendert.
Mehrere Mitglieder der vormärzlich-liberalen Partei haben sich den restaurirten oder
vielmehr renovirten Altconservativen angeschlossen, und dies reizte einige Vollblutlibe¬
rale, die sich durch diese Allianz verunreinigt glauben, zu einer heftigen Polemik, die
in dem oppositionellen „Wanderer" und der (wie soll ich sie nennen? also) ebenfalls
oppositionellen „Ostdeutschen Post" mit Hartnäckigkeit, aber auch mit Würde geführt


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[0479] Erfüll' davon dein Herz, so groß es ist, Und wenn dn ganz in dem Gefühle selig bist, Nenn's Glück. Herz, Liebe, — Gott! Ich habe keinen Namen Dafür; Gefühl ist Alles! Nam' ist Schall und Rauch, 1. L. Kleine Correspondenzen. „Der liebe Gott hat für jedes Fieber ein Kraut, für jede Wunde ein Pflaster gegeben," sagen bei uns die frommen Mütterchen. Auch uns hat der mög^uroK Isleno (Gott der Magyaren) ein kleines Pflästerchen für unsere große Wunde geschickt, und zwar in Person des Pater Gützlaff, der auf seiner Missionsreise auch unsere Haupt¬ stadt besuchte und hier in einem akademischen Vortrag eines chinesischen Volksstammes erwähnte, der in Sprache, Sitten und Körperbau sehr viel Aehnliches mit den Magya- reli haben soll. Dieser Volksstamm, der über drei Millionen Menschen zählt, nennt sich den Stamm der Kor ober, und bewohnt eine jener Gegenden des großen himm¬ lischen Reichs, die an die Mongolei grenzen. Also drei Millionen Magyaren leben noch anßer Ungarn auf dieser Erde! Erinnern Sie sich an die Sagen, die sich nach der Katastrophe bei nnserm Landvolk verbreiteten, und die Kossuth und Bem mit einer Unzahl von 8/.i^-> in-ig^role (Scythen-Magyaren) heranziehen ließen u. s. w., und Sie werden sich leicht die Luftschlösser selbst ausmalen können, die sich in einer echt magyarischen Phantasie jetzt erheben müssen. Ein junger Magyar bot sich sogleich an, dem Herrn Gützlaff nach China zu folgen, und damit hat Herr Gützlaff seinen Zweck erreicht; ob Ungarn aus China einen neuen magyarischen Impfstoff erhalten wird, dafür lassen wir den Gott der Magyaren sorgen. Wenn diese krankhafte Reizbarkeit eines verwundeten Herzens Leben genannt werden kann, so wird ma» einst anch von den Magyaren sagen können, daß sie im Jahre -1830 gelebt haben; unser wahres geistiges Leben hat sich in die innersten Gemächer der Seele zurückgezo¬ gen, und nur außer dem Lande, ja selbst in Wien, wo man die Zuckungen des ge¬ fesselten Löwen weniger fürchten zu müssen glaubt, manifestirt sich noch die Kraft des Magyaren in einigen über die Grenzen des Belagerungszustandes reichenden Meinungs¬ äußerungen. Einige Funken neuen Lebens hat besonders die Brochüre von Somsich: „Das legitime Recht Ungarns und seines Königs" in unser politisches Hospital geschlendert. Mehrere Mitglieder der vormärzlich-liberalen Partei haben sich den restaurirten oder vielmehr renovirten Altconservativen angeschlossen, und dies reizte einige Vollblutlibe¬ rale, die sich durch diese Allianz verunreinigt glauben, zu einer heftigen Polemik, die in dem oppositionellen „Wanderer" und der (wie soll ich sie nennen? also) ebenfalls oppositionellen „Ostdeutschen Post" mit Hartnäckigkeit, aber auch mit Würde geführt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/479>, abgerufen am 27.07.2024.