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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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licher versehen, als jede andere Feste in Polen. Die neuen Oberbanten sind
vorzüglich auf Verstärkung der Besatzung berechnet worden, so daß Zamosc gegen¬
wärtig an sechstausend Mann aufnehmen kann. Zamoöc erscheint den Nüssen
vorzüglich wegen seiner Lage gegen Lithauen und Podolien von großer Wichtig¬
keit, keincswegcn wegen einer Beziehung zu den Wcichsclfesten. Der sehr entfernten
Weichsellinie kann es den mindesten Vortheil nicht gewähre", ebensowenig kaun
es das Wieprzflüßchen zur Basis kriegerischer Operationen erheben. Ursprünglich
ist die Festung gegen die Türken und Tartaren erbaut worden; gegenwärtig hat
sie keinen vernünftigen Zweck, wenn nicht der, Podolien und Südlithauen an Hilf"
leistnngcn zu hindern, der Anerkennung würdig ist. Die Russen rechnen sie zur
Buglinie, welche Polen vou Lithauen trennt, und haben deshalb in neuer Zeit
auch Brzeöz litewski mit einigen Werken versehen.

Ans Czenstochan, welches in dem fernsten Zipfel des Landes liegt und daher
nur gegen einen ausländischen Feind brauchbar ist, nicht aber den aufständischen
Polen ein großes Hinderniß in den Weg legen kann, hat man gar keinen Werth
gelegt und meines Wisseiis nichts verwendet. Es befindet sich noch in seinem alten
Zustande. Daß die Russen sich vor dem rvmischkathvlisch wuuderwirkeudcn Ma¬
rienbilde oder dessen geweihten Dienern sollten fürchten, ist nicht zu glaube",
denn daß sie mit solchen Wesen abzukommen verstehen, haben sie uur an
zu vielen Orten im Laude bewiesen. Es ist daher nur die in Bezug auf innern
Krieg bedeutungslose Lage Czenstvchan's, was von ihrer thätlichen Berücksichtigung
bei der Fortification Polens abgehalten hat. Nur zu sichtbar ist allenthalben, daß
diese einzig und allein gegen die Polen berechnet worden ist. Gewiß ist sie eins
der schwersten Gewichte im Genick des eingebornen Volkes, doch ist sehr zu be¬
zweifeln, daß sie ihrem Zwecke entsprechen werde, und selbst daun würde es noch
sehr zweifelhaft sein, wenn statt dreier die beabsichtigten siebzehn neuen Festungen
in's Leben getreten wären. Wie klein Polen, ist es doch zu groß, um von einer
Anzahl von Festungen in Ohnmacht erhalten zu werden. Die Revolutionen an¬
derer Länder geben Beweise. Ganz andere Maßregeln müssen mit dem Zwing¬
burgwesen in Verbindung gebracht werden, und diese zu ergreife", hat die russische
Negierung freilich nicht versäumt, doch ist für ihre Schilderung hier kein Raum
mehr vorhanden. Polen besitzt gegenwärtig fünf Festungen und eine unwesentliche
Fortification an der lithauischen Grenze. Durch drei Festungswerke exklusive des
^genannten Brückenkopfs von Warschau, welcher viel richtiger die Festung Praga
genannt werden würde, ist die Weichsel zur Basis der militärischen Macht des
Landes gemacht worden. Durch eine und die Fortification von Brzesc sind die
altpolnischcn Provinzen einigermaßen abgesperrt worden und die sechste ist bedeu¬
tungslos. Die neuen Befestigungen kosten gegen 30 Millionen Rubel, ihre
Instandhaltung verursacht eine jährliche Ausgabe von über 150,000 Rubeln.
Sämmtliche Werke erfordern im Kriege eine Besatzung von 42,000 Mann.




licher versehen, als jede andere Feste in Polen. Die neuen Oberbanten sind
vorzüglich auf Verstärkung der Besatzung berechnet worden, so daß Zamosc gegen¬
wärtig an sechstausend Mann aufnehmen kann. Zamoöc erscheint den Nüssen
vorzüglich wegen seiner Lage gegen Lithauen und Podolien von großer Wichtig¬
keit, keincswegcn wegen einer Beziehung zu den Wcichsclfesten. Der sehr entfernten
Weichsellinie kann es den mindesten Vortheil nicht gewähre», ebensowenig kaun
es das Wieprzflüßchen zur Basis kriegerischer Operationen erheben. Ursprünglich
ist die Festung gegen die Türken und Tartaren erbaut worden; gegenwärtig hat
sie keinen vernünftigen Zweck, wenn nicht der, Podolien und Südlithauen an Hilf"
leistnngcn zu hindern, der Anerkennung würdig ist. Die Russen rechnen sie zur
Buglinie, welche Polen vou Lithauen trennt, und haben deshalb in neuer Zeit
auch Brzeöz litewski mit einigen Werken versehen.

Ans Czenstochan, welches in dem fernsten Zipfel des Landes liegt und daher
nur gegen einen ausländischen Feind brauchbar ist, nicht aber den aufständischen
Polen ein großes Hinderniß in den Weg legen kann, hat man gar keinen Werth
gelegt und meines Wisseiis nichts verwendet. Es befindet sich noch in seinem alten
Zustande. Daß die Russen sich vor dem rvmischkathvlisch wuuderwirkeudcn Ma¬
rienbilde oder dessen geweihten Dienern sollten fürchten, ist nicht zu glaube»,
denn daß sie mit solchen Wesen abzukommen verstehen, haben sie uur an
zu vielen Orten im Laude bewiesen. Es ist daher nur die in Bezug auf innern
Krieg bedeutungslose Lage Czenstvchan's, was von ihrer thätlichen Berücksichtigung
bei der Fortification Polens abgehalten hat. Nur zu sichtbar ist allenthalben, daß
diese einzig und allein gegen die Polen berechnet worden ist. Gewiß ist sie eins
der schwersten Gewichte im Genick des eingebornen Volkes, doch ist sehr zu be¬
zweifeln, daß sie ihrem Zwecke entsprechen werde, und selbst daun würde es noch
sehr zweifelhaft sein, wenn statt dreier die beabsichtigten siebzehn neuen Festungen
in's Leben getreten wären. Wie klein Polen, ist es doch zu groß, um von einer
Anzahl von Festungen in Ohnmacht erhalten zu werden. Die Revolutionen an¬
derer Länder geben Beweise. Ganz andere Maßregeln müssen mit dem Zwing¬
burgwesen in Verbindung gebracht werden, und diese zu ergreife», hat die russische
Negierung freilich nicht versäumt, doch ist für ihre Schilderung hier kein Raum
mehr vorhanden. Polen besitzt gegenwärtig fünf Festungen und eine unwesentliche
Fortification an der lithauischen Grenze. Durch drei Festungswerke exklusive des
^genannten Brückenkopfs von Warschau, welcher viel richtiger die Festung Praga
genannt werden würde, ist die Weichsel zur Basis der militärischen Macht des
Landes gemacht worden. Durch eine und die Fortification von Brzesc sind die
altpolnischcn Provinzen einigermaßen abgesperrt worden und die sechste ist bedeu¬
tungslos. Die neuen Befestigungen kosten gegen 30 Millionen Rubel, ihre
Instandhaltung verursacht eine jährliche Ausgabe von über 150,000 Rubeln.
Sämmtliche Werke erfordern im Kriege eine Besatzung von 42,000 Mann.




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[0458] licher versehen, als jede andere Feste in Polen. Die neuen Oberbanten sind vorzüglich auf Verstärkung der Besatzung berechnet worden, so daß Zamosc gegen¬ wärtig an sechstausend Mann aufnehmen kann. Zamoöc erscheint den Nüssen vorzüglich wegen seiner Lage gegen Lithauen und Podolien von großer Wichtig¬ keit, keincswegcn wegen einer Beziehung zu den Wcichsclfesten. Der sehr entfernten Weichsellinie kann es den mindesten Vortheil nicht gewähre», ebensowenig kaun es das Wieprzflüßchen zur Basis kriegerischer Operationen erheben. Ursprünglich ist die Festung gegen die Türken und Tartaren erbaut worden; gegenwärtig hat sie keinen vernünftigen Zweck, wenn nicht der, Podolien und Südlithauen an Hilf" leistnngcn zu hindern, der Anerkennung würdig ist. Die Russen rechnen sie zur Buglinie, welche Polen vou Lithauen trennt, und haben deshalb in neuer Zeit auch Brzeöz litewski mit einigen Werken versehen. Ans Czenstochan, welches in dem fernsten Zipfel des Landes liegt und daher nur gegen einen ausländischen Feind brauchbar ist, nicht aber den aufständischen Polen ein großes Hinderniß in den Weg legen kann, hat man gar keinen Werth gelegt und meines Wisseiis nichts verwendet. Es befindet sich noch in seinem alten Zustande. Daß die Russen sich vor dem rvmischkathvlisch wuuderwirkeudcn Ma¬ rienbilde oder dessen geweihten Dienern sollten fürchten, ist nicht zu glaube», denn daß sie mit solchen Wesen abzukommen verstehen, haben sie uur an zu vielen Orten im Laude bewiesen. Es ist daher nur die in Bezug auf innern Krieg bedeutungslose Lage Czenstvchan's, was von ihrer thätlichen Berücksichtigung bei der Fortification Polens abgehalten hat. Nur zu sichtbar ist allenthalben, daß diese einzig und allein gegen die Polen berechnet worden ist. Gewiß ist sie eins der schwersten Gewichte im Genick des eingebornen Volkes, doch ist sehr zu be¬ zweifeln, daß sie ihrem Zwecke entsprechen werde, und selbst daun würde es noch sehr zweifelhaft sein, wenn statt dreier die beabsichtigten siebzehn neuen Festungen in's Leben getreten wären. Wie klein Polen, ist es doch zu groß, um von einer Anzahl von Festungen in Ohnmacht erhalten zu werden. Die Revolutionen an¬ derer Länder geben Beweise. Ganz andere Maßregeln müssen mit dem Zwing¬ burgwesen in Verbindung gebracht werden, und diese zu ergreife», hat die russische Negierung freilich nicht versäumt, doch ist für ihre Schilderung hier kein Raum mehr vorhanden. Polen besitzt gegenwärtig fünf Festungen und eine unwesentliche Fortification an der lithauischen Grenze. Durch drei Festungswerke exklusive des ^genannten Brückenkopfs von Warschau, welcher viel richtiger die Festung Praga genannt werden würde, ist die Weichsel zur Basis der militärischen Macht des Landes gemacht worden. Durch eine und die Fortification von Brzesc sind die altpolnischcn Provinzen einigermaßen abgesperrt worden und die sechste ist bedeu¬ tungslos. Die neuen Befestigungen kosten gegen 30 Millionen Rubel, ihre Instandhaltung verursacht eine jährliche Ausgabe von über 150,000 Rubeln. Sämmtliche Werke erfordern im Kriege eine Besatzung von 42,000 Mann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/458>, abgerufen am 27.07.2024.