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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Nachdem die Warschauer Festungswerke ziemlich vollendet waren, wurde die
Festung Demplin, als die dritte Weichselfestung, in Angriff genommen und mit
ebenso gewaltsamer Eile erbaut. Ihr Zweck ist, einen Weichselübergang auch in
Kleiupolen zu sichern, so, daß eine revolutionäre Armee sich durch die Weichsel
in keiner Hälfte des Königreichs mehr geschützt finden könne. Motum sichert den
Uebergang im nördlichen Theile Polens, die Alexandercitadelle im Mittlern und
Demplin im südlichen. So haben die Nüssen durch ihre Weichselfestungcn aller¬
dings die Herrschaft über beide Hälften des Königreichs, und die Organisation
einer insurrectionellen Armee dürfte dadurch freilich sehr schwierig werden. Hat
sich solche aber einmal gebildet, dann dürste der Zweck der Weichselbesestignng
verfehlt sein.

Die Festung Dcmpliu ist ungeachtet ihrer hohen Lage mit Graben und
Wall und mehr Außcuwerkeu als die Warschauer Citadelle versehen. Die Menge
ihrer Geschütze ist ziemlich'bedeutend, die Geschütze selbst aber von viel geringe¬
rem Caliber, als die von Motum und Warschau. In der Warschauer Citadelle
findet man sogar Hundertnudsechzigpfüuder, und auf diese, sagt man, seien der
Fürst Paökiewicz und General Dehn so stolz, wie Ludwig XI. von Frankreich auf
seine große Donnerbüchse. Sie sind geflissentlich an einem Orte ausgestellt, daß
sie von den außerhalb der Citadelle Lustwandelnden gesehen werden. Die sonder¬
bare Manier der Russen, Furcht zu erregen, beweist sich auch in Praga, wo
man an dem Ausgang der Brücke den allsonntäglich hier spazierenden Tausenden
von Menschen die Kanonenrohre vom schwersten Caliber, welche in den eine halbe
Stunde entfernten Brückenkopf gehören, förmlich in den Weg gelegt hat, als ob
für sie schon kein Raum in den Festungswerken vorhanden wäre.

Auch in Demplin leiden die Gebäude an der Leichtigkeit der Bauart. Viele
derselben sind nicht einmal massiv und dürsten selbst bei einer schwachen Belage¬
rung zu Grunde gehen. Ob die Nüssen so viel auf ihre unterirdischen Anstalten
gegeben, daß sie die überirdischen genug geschätzt, oder ob sie so sehr auf ihr
großartiges Gewehrverbot gebaut, möchr' ich wohl wissen. Die alten polnischen
Festungen Motum und Zamvsc, auch selbst die Klosterfcste Czcnstochau haben in
Ansehung der Dauerhaftigkeit ihrer Bauten bei weitem den Vorzug vor den
neuen russischen Festungen. In Zamvöe befindet sich kein Haus, dessen Mauer
nicht mindestens 1 ^ Ellen stark wäre, und Motum zeigt Mauern, die mit denen
des Petersbergs in Erfurt um den Nang streiten. Bei den sehr bedeutenden
Vergrößerungen, welche die Rossen diesen Festungen in neuester Zeit gegeben
haben, finden sich anch die russischen Banfehlcr.

Auf die Festung Zamosc scheint die russische Strategie außerordentlich großes
Gewicht zu legen, wenn man nach den Summen urtheilen darf, welche in neuester
Zeit auf diese Festung verwendet worden sind. Die Erdbane und Oberbaue
grenzen an's Ungeheure, und mit Geschützen hat man sie verhältnißmäßig reich-


Grenzboten. III. Iss0. 57

Nachdem die Warschauer Festungswerke ziemlich vollendet waren, wurde die
Festung Demplin, als die dritte Weichselfestung, in Angriff genommen und mit
ebenso gewaltsamer Eile erbaut. Ihr Zweck ist, einen Weichselübergang auch in
Kleiupolen zu sichern, so, daß eine revolutionäre Armee sich durch die Weichsel
in keiner Hälfte des Königreichs mehr geschützt finden könne. Motum sichert den
Uebergang im nördlichen Theile Polens, die Alexandercitadelle im Mittlern und
Demplin im südlichen. So haben die Nüssen durch ihre Weichselfestungcn aller¬
dings die Herrschaft über beide Hälften des Königreichs, und die Organisation
einer insurrectionellen Armee dürfte dadurch freilich sehr schwierig werden. Hat
sich solche aber einmal gebildet, dann dürste der Zweck der Weichselbesestignng
verfehlt sein.

Die Festung Dcmpliu ist ungeachtet ihrer hohen Lage mit Graben und
Wall und mehr Außcuwerkeu als die Warschauer Citadelle versehen. Die Menge
ihrer Geschütze ist ziemlich'bedeutend, die Geschütze selbst aber von viel geringe¬
rem Caliber, als die von Motum und Warschau. In der Warschauer Citadelle
findet man sogar Hundertnudsechzigpfüuder, und auf diese, sagt man, seien der
Fürst Paökiewicz und General Dehn so stolz, wie Ludwig XI. von Frankreich auf
seine große Donnerbüchse. Sie sind geflissentlich an einem Orte ausgestellt, daß
sie von den außerhalb der Citadelle Lustwandelnden gesehen werden. Die sonder¬
bare Manier der Russen, Furcht zu erregen, beweist sich auch in Praga, wo
man an dem Ausgang der Brücke den allsonntäglich hier spazierenden Tausenden
von Menschen die Kanonenrohre vom schwersten Caliber, welche in den eine halbe
Stunde entfernten Brückenkopf gehören, förmlich in den Weg gelegt hat, als ob
für sie schon kein Raum in den Festungswerken vorhanden wäre.

Auch in Demplin leiden die Gebäude an der Leichtigkeit der Bauart. Viele
derselben sind nicht einmal massiv und dürsten selbst bei einer schwachen Belage¬
rung zu Grunde gehen. Ob die Nüssen so viel auf ihre unterirdischen Anstalten
gegeben, daß sie die überirdischen genug geschätzt, oder ob sie so sehr auf ihr
großartiges Gewehrverbot gebaut, möchr' ich wohl wissen. Die alten polnischen
Festungen Motum und Zamvsc, auch selbst die Klosterfcste Czcnstochau haben in
Ansehung der Dauerhaftigkeit ihrer Bauten bei weitem den Vorzug vor den
neuen russischen Festungen. In Zamvöe befindet sich kein Haus, dessen Mauer
nicht mindestens 1 ^ Ellen stark wäre, und Motum zeigt Mauern, die mit denen
des Petersbergs in Erfurt um den Nang streiten. Bei den sehr bedeutenden
Vergrößerungen, welche die Rossen diesen Festungen in neuester Zeit gegeben
haben, finden sich anch die russischen Banfehlcr.

Auf die Festung Zamosc scheint die russische Strategie außerordentlich großes
Gewicht zu legen, wenn man nach den Summen urtheilen darf, welche in neuester
Zeit auf diese Festung verwendet worden sind. Die Erdbane und Oberbaue
grenzen an's Ungeheure, und mit Geschützen hat man sie verhältnißmäßig reich-


Grenzboten. III. Iss0. 57
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[0457] Nachdem die Warschauer Festungswerke ziemlich vollendet waren, wurde die Festung Demplin, als die dritte Weichselfestung, in Angriff genommen und mit ebenso gewaltsamer Eile erbaut. Ihr Zweck ist, einen Weichselübergang auch in Kleiupolen zu sichern, so, daß eine revolutionäre Armee sich durch die Weichsel in keiner Hälfte des Königreichs mehr geschützt finden könne. Motum sichert den Uebergang im nördlichen Theile Polens, die Alexandercitadelle im Mittlern und Demplin im südlichen. So haben die Nüssen durch ihre Weichselfestungcn aller¬ dings die Herrschaft über beide Hälften des Königreichs, und die Organisation einer insurrectionellen Armee dürfte dadurch freilich sehr schwierig werden. Hat sich solche aber einmal gebildet, dann dürste der Zweck der Weichselbesestignng verfehlt sein. Die Festung Dcmpliu ist ungeachtet ihrer hohen Lage mit Graben und Wall und mehr Außcuwerkeu als die Warschauer Citadelle versehen. Die Menge ihrer Geschütze ist ziemlich'bedeutend, die Geschütze selbst aber von viel geringe¬ rem Caliber, als die von Motum und Warschau. In der Warschauer Citadelle findet man sogar Hundertnudsechzigpfüuder, und auf diese, sagt man, seien der Fürst Paökiewicz und General Dehn so stolz, wie Ludwig XI. von Frankreich auf seine große Donnerbüchse. Sie sind geflissentlich an einem Orte ausgestellt, daß sie von den außerhalb der Citadelle Lustwandelnden gesehen werden. Die sonder¬ bare Manier der Russen, Furcht zu erregen, beweist sich auch in Praga, wo man an dem Ausgang der Brücke den allsonntäglich hier spazierenden Tausenden von Menschen die Kanonenrohre vom schwersten Caliber, welche in den eine halbe Stunde entfernten Brückenkopf gehören, förmlich in den Weg gelegt hat, als ob für sie schon kein Raum in den Festungswerken vorhanden wäre. Auch in Demplin leiden die Gebäude an der Leichtigkeit der Bauart. Viele derselben sind nicht einmal massiv und dürsten selbst bei einer schwachen Belage¬ rung zu Grunde gehen. Ob die Nüssen so viel auf ihre unterirdischen Anstalten gegeben, daß sie die überirdischen genug geschätzt, oder ob sie so sehr auf ihr großartiges Gewehrverbot gebaut, möchr' ich wohl wissen. Die alten polnischen Festungen Motum und Zamvsc, auch selbst die Klosterfcste Czcnstochau haben in Ansehung der Dauerhaftigkeit ihrer Bauten bei weitem den Vorzug vor den neuen russischen Festungen. In Zamvöe befindet sich kein Haus, dessen Mauer nicht mindestens 1 ^ Ellen stark wäre, und Motum zeigt Mauern, die mit denen des Petersbergs in Erfurt um den Nang streiten. Bei den sehr bedeutenden Vergrößerungen, welche die Rossen diesen Festungen in neuester Zeit gegeben haben, finden sich anch die russischen Banfehlcr. Auf die Festung Zamosc scheint die russische Strategie außerordentlich großes Gewicht zu legen, wenn man nach den Summen urtheilen darf, welche in neuester Zeit auf diese Festung verwendet worden sind. Die Erdbane und Oberbaue grenzen an's Ungeheure, und mit Geschützen hat man sie verhältnißmäßig reich- Grenzboten. III. Iss0. 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/457>, abgerufen am 01.09.2024.