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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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thun keinen andern Sinn haben konnte, als Theilung desselben unter die Bun¬
desgenossen; es hat aber, ebenfalls witzig, hinzugesetzt, es halte um so fester an
diesem Eigenthum, da es fast das einzige Band sei, das es noch mit Preußen
verknüpfe. In der That ist nicht wohl abzusehen, wie man sich eine solche Thei¬
lung denken soll. Theiluug der Festungen in 38 Theile! der Flotte (!) in 38
Theile! des Archivs gar nicht zu gedenken.

Preußen gebt in all' seinen Deductionen von dem Grundsatz ans, daß recht¬
lich wie factisch nicht der Bundestag, sondern die Summe der einzelnen Regie¬
rungen der Träger des Bundes gewesen sei, und daß derselbe (oder als vorläu¬
figer Ersatz, ein Theil desselben) nur durch freie Vereinbarung hergestellt werdeu
kann. Wie es mit dem NechtSpunkte der Souveränetät der einzelnen Staaten
beschaffen sei, können wir füglich hier unerörtert lassen; factisch ist sie mir be¬
dingt anzuerkennen. Denn der deutsche Bund beruht nicht blos auf der Bundes-
acte, sondern ans der Natur der Verhältnisse; eine freie Ausübung der Souve-
ränetät können die kleinen Staaten schon darum uicht beanspruchen, weil sie
factisch von allen Seiten gebunden sind; anch Preußen kann es nnr bedingt,
denn es ist gleichfalls an einem Theile seiner Glieder gefesselt. Eine ernstliche Auf¬
lösung des Bundes ohne Veränderung des Tcrritorialbestandes der einzelnen
Staaten, oder was dasselbe heißt, ohne daß man sich auf das Gebiet der
Thatsachen begiebt, ist nicht ausführbar. Ans das Gebiet der Thatsachen
scheint sich aber Preußen uicht begeben zu wollen.

ES bleibt also auch von dieser Seite nur die Vermuthung übrig, Preußen
habe mit seinem Protest zunächst nur einen negativen Zweck; es wolle Oestreich
in dem von ihm eingeschlagenen Wege so viel als möglich aufhalten. -- Was er¬
reicht es damit? -- Schwerlich etwas für die Sache der Union, denn daß ein
längeres Abwarten derselben nur schädlich sein könne, darüber könnte es die Er¬
fahrung wohl schon belehrt haben.

Es bleibt aber doch ein vernünftiger Grund übrig. Kommt der Bundestag
zu Staude, so ist es nach der bisherigen Erklärung von Oestreich und Sachsen
möglich, daß der Friede mit Dänemark in der Weise ratificirt wird, daß der Bund
sich verpflichtet, das Herzogthum Holstein zu paciSeireu. -- Daran theilzunehmen
will Preußen unter allen Ilmständen vermeiden. -- Es muß also die Hoffnung
haben, daß wenigstens die Möglichkeit vorhanden ist, Holstein werde mit eigenen
Kräften einen erfolgreichen Widerstand leisten; es muß also aus Gründen, die
wir nicht kennen, zu dem Schluß berechtigt sein, eine russische Intervention werde
nicht stattfinden.

Die preußische Regierung hat alle Ursache, ihre nächsten Schritte in sorgfältige
Ueberlegung zu ziehen. Die Kammern müssen im November zusammentreten, und es
zieht sich von dieser Seite ein Ungewitter gegen sie zusammen, das ernster aus¬
fallen dürste, als das Mißvergnügen ihrer kleindeutschen Verbündeten. Es ist


thun keinen andern Sinn haben konnte, als Theilung desselben unter die Bun¬
desgenossen; es hat aber, ebenfalls witzig, hinzugesetzt, es halte um so fester an
diesem Eigenthum, da es fast das einzige Band sei, das es noch mit Preußen
verknüpfe. In der That ist nicht wohl abzusehen, wie man sich eine solche Thei¬
lung denken soll. Theiluug der Festungen in 38 Theile! der Flotte (!) in 38
Theile! des Archivs gar nicht zu gedenken.

Preußen gebt in all' seinen Deductionen von dem Grundsatz ans, daß recht¬
lich wie factisch nicht der Bundestag, sondern die Summe der einzelnen Regie¬
rungen der Träger des Bundes gewesen sei, und daß derselbe (oder als vorläu¬
figer Ersatz, ein Theil desselben) nur durch freie Vereinbarung hergestellt werdeu
kann. Wie es mit dem NechtSpunkte der Souveränetät der einzelnen Staaten
beschaffen sei, können wir füglich hier unerörtert lassen; factisch ist sie mir be¬
dingt anzuerkennen. Denn der deutsche Bund beruht nicht blos auf der Bundes-
acte, sondern ans der Natur der Verhältnisse; eine freie Ausübung der Souve-
ränetät können die kleinen Staaten schon darum uicht beanspruchen, weil sie
factisch von allen Seiten gebunden sind; anch Preußen kann es nnr bedingt,
denn es ist gleichfalls an einem Theile seiner Glieder gefesselt. Eine ernstliche Auf¬
lösung des Bundes ohne Veränderung des Tcrritorialbestandes der einzelnen
Staaten, oder was dasselbe heißt, ohne daß man sich auf das Gebiet der
Thatsachen begiebt, ist nicht ausführbar. Ans das Gebiet der Thatsachen
scheint sich aber Preußen uicht begeben zu wollen.

ES bleibt also auch von dieser Seite nur die Vermuthung übrig, Preußen
habe mit seinem Protest zunächst nur einen negativen Zweck; es wolle Oestreich
in dem von ihm eingeschlagenen Wege so viel als möglich aufhalten. — Was er¬
reicht es damit? — Schwerlich etwas für die Sache der Union, denn daß ein
längeres Abwarten derselben nur schädlich sein könne, darüber könnte es die Er¬
fahrung wohl schon belehrt haben.

Es bleibt aber doch ein vernünftiger Grund übrig. Kommt der Bundestag
zu Staude, so ist es nach der bisherigen Erklärung von Oestreich und Sachsen
möglich, daß der Friede mit Dänemark in der Weise ratificirt wird, daß der Bund
sich verpflichtet, das Herzogthum Holstein zu paciSeireu. — Daran theilzunehmen
will Preußen unter allen Ilmständen vermeiden. — Es muß also die Hoffnung
haben, daß wenigstens die Möglichkeit vorhanden ist, Holstein werde mit eigenen
Kräften einen erfolgreichen Widerstand leisten; es muß also aus Gründen, die
wir nicht kennen, zu dem Schluß berechtigt sein, eine russische Intervention werde
nicht stattfinden.

Die preußische Regierung hat alle Ursache, ihre nächsten Schritte in sorgfältige
Ueberlegung zu ziehen. Die Kammern müssen im November zusammentreten, und es
zieht sich von dieser Seite ein Ungewitter gegen sie zusammen, das ernster aus¬
fallen dürste, als das Mißvergnügen ihrer kleindeutschen Verbündeten. Es ist


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[0440] thun keinen andern Sinn haben konnte, als Theilung desselben unter die Bun¬ desgenossen; es hat aber, ebenfalls witzig, hinzugesetzt, es halte um so fester an diesem Eigenthum, da es fast das einzige Band sei, das es noch mit Preußen verknüpfe. In der That ist nicht wohl abzusehen, wie man sich eine solche Thei¬ lung denken soll. Theiluug der Festungen in 38 Theile! der Flotte (!) in 38 Theile! des Archivs gar nicht zu gedenken. Preußen gebt in all' seinen Deductionen von dem Grundsatz ans, daß recht¬ lich wie factisch nicht der Bundestag, sondern die Summe der einzelnen Regie¬ rungen der Träger des Bundes gewesen sei, und daß derselbe (oder als vorläu¬ figer Ersatz, ein Theil desselben) nur durch freie Vereinbarung hergestellt werdeu kann. Wie es mit dem NechtSpunkte der Souveränetät der einzelnen Staaten beschaffen sei, können wir füglich hier unerörtert lassen; factisch ist sie mir be¬ dingt anzuerkennen. Denn der deutsche Bund beruht nicht blos auf der Bundes- acte, sondern ans der Natur der Verhältnisse; eine freie Ausübung der Souve- ränetät können die kleinen Staaten schon darum uicht beanspruchen, weil sie factisch von allen Seiten gebunden sind; anch Preußen kann es nnr bedingt, denn es ist gleichfalls an einem Theile seiner Glieder gefesselt. Eine ernstliche Auf¬ lösung des Bundes ohne Veränderung des Tcrritorialbestandes der einzelnen Staaten, oder was dasselbe heißt, ohne daß man sich auf das Gebiet der Thatsachen begiebt, ist nicht ausführbar. Ans das Gebiet der Thatsachen scheint sich aber Preußen uicht begeben zu wollen. ES bleibt also auch von dieser Seite nur die Vermuthung übrig, Preußen habe mit seinem Protest zunächst nur einen negativen Zweck; es wolle Oestreich in dem von ihm eingeschlagenen Wege so viel als möglich aufhalten. — Was er¬ reicht es damit? — Schwerlich etwas für die Sache der Union, denn daß ein längeres Abwarten derselben nur schädlich sein könne, darüber könnte es die Er¬ fahrung wohl schon belehrt haben. Es bleibt aber doch ein vernünftiger Grund übrig. Kommt der Bundestag zu Staude, so ist es nach der bisherigen Erklärung von Oestreich und Sachsen möglich, daß der Friede mit Dänemark in der Weise ratificirt wird, daß der Bund sich verpflichtet, das Herzogthum Holstein zu paciSeireu. — Daran theilzunehmen will Preußen unter allen Ilmständen vermeiden. — Es muß also die Hoffnung haben, daß wenigstens die Möglichkeit vorhanden ist, Holstein werde mit eigenen Kräften einen erfolgreichen Widerstand leisten; es muß also aus Gründen, die wir nicht kennen, zu dem Schluß berechtigt sein, eine russische Intervention werde nicht stattfinden. Die preußische Regierung hat alle Ursache, ihre nächsten Schritte in sorgfältige Ueberlegung zu ziehen. Die Kammern müssen im November zusammentreten, und es zieht sich von dieser Seite ein Ungewitter gegen sie zusammen, das ernster aus¬ fallen dürste, als das Mißvergnügen ihrer kleindeutschen Verbündeten. Es ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/440>, abgerufen am 27.07.2024.